Nicht nur ich als selbstständige Bilanzbuchhalterin weiß, dass Familienbeihilfe eine familienrelevante Leistung und kein Lohnbestandteil ist. Familienbeihilfe ist somit keine Leistung, die durch ein Ansparen oder Einzahlen erworben wird, sondern stellt eine Sonderleistung dar. Die Familienbeihilfe finanziert sich bekanntlich aus Arbeitgeberbeiträgen und ein paar anderen Beiträgen. Das könnte in einem möglichen EU-Vertragsverletzungsverfahren durchaus von entscheidender Bedeutung sein, wobei Österreich sowohl vor der EU-Kommission als auch vor dem Europäischen Gerichtshof mit guten Argumenten dasteht.
Anerkannte EU-Rechtsexperten, darunter auch der unter anderem auf Familienforschung, Arbeits- und Sozialrecht spezialisierte Professor Mazal, haben gutachterlich festgestellt, dass Österreich mit der Familienbeihilfe zwar Werte exportiert, aber keine Gehaltsbestandteile. Damit verstoßen wir meiner Meinung nach auch nicht gegen das Diskriminierungsverbot nach Staatsangehörigkeit, sondern richten uns nach dem Wohnort, egal welcher Nationalität. Da könnte man jetzt viele Berechnungsbeispiele anführen, wie zum Beispiel jenes, dass österreichische Kinder, die in der Slowakei leben, diese Indexierung so treffen wird wie slowakische Kinder, die in der Slowakei leben.
Wenn man nun davon ausgeht, dass die Familienbeihilfe keine Leistung ist, die durch ein Ansparen oder Einzahlen erworben wird, sondern eine Sonderleistung darstellt, dann verstoßen wir auch nicht gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit als eine der Grundfreiheiten in der Europäischen Union. Nach dieser wäre es ja nicht erlaubt, dass bei gleichen geleisteten Beiträgen unterschiedliche Leistungsansprüche bestehen – aber das ist ja nicht der Fall.
Ein weiteres Argument könnte auch darin liegen, dass gerade im Vorfeld des Brexit die Europäische Kommission den Briten eine Indexierung von Familienleistungen angeboten hat und alle Mitgliedstaaten dem zugestimmt haben. Warum sollte das, was für die Briten gelten hätte sollen, nicht auch für uns Österreicher gelten? Die Kommission hat beim betreffenden Gesetzesvorschlag sogar selbst erklärt, dass es grundsätzlich möglich sein müsse, Familienleistungen national anzupassen.
Ich kann auch jene Befürchtungen nicht teilen, in denen infolge dieser Neuregelung der Familienbeihilfe jetzt plötzlich ein Pflegenotstand prophezeit wird. Fast drei Viertel der Pflegerinnen und Pfleger, die in Österreich tätig sind, befinden sich in einem Alter über 50. Es geht also um rund ein Viertel aller in Österreich tätigen PflegerInnen, die vor allem aus unseren östlichen Nachbarstaaten kommen.
Aber selbst mit der Indexierung würden wir zum Beispiel in Rumänien oder in der Slowakei noch deutlich über den dortigen Werten liegen. Das naheliegendste Beispiel stellt wohl Ungarn dar. Unser befreundeter Nachbarstaat aus der gemeinsamen Monarchiegeschichte zahlt aktuell rund 39 Euro Familienbeihilfe an die eigenen Familien. Wir zahlen derzeit rund 170 Euro, womit wir fast das Fünffache exportieren. Auch nach der Indexierung zahlen wir noch rund 100 Euro nach Ungarn, also immer noch das Zweieinhalbfache von dem, was Ungarn selbst bezahlt. In Lettland würde es zum Beispiel nach der Eurostatindexierung noch immer das Zehnfache sein.
Wie soll dieses umgeschichtete – also nicht: eingesparte – Geld in Zukunft eingesetzt werden? – Die daraus gewonnenen rund 100 Millionen Euro werden zukünftig für andere Familienleistungen in Österreich verwendet werden, was gegenüber unseren Bürgerinnen und Bürgern wohl durchaus auch positiv gesehen werden kann.
Somit darf ich im Namen meiner Fraktion empfehlen, keinen Einspruch gegen die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates betreffend Familienlastenausgleichsgesetz, Einkommensteuergesetz und Entwicklungshelfergesetz zu erheben. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
12.31
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