BundesratStenographisches Protokoll885. Sitzung, 885. Sitzung des Bundesrates am 8. November 2018 / Seite 76

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Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat David Stög­müller. Ich erteile ihm dieses.


12.32.27

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Werter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte ZuseherInnen via Live­stream! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute ist wirklich ein Tag, an dem Sie, Frau Familienministerin, eigentlich den Zusatz „Familien“ aus dem Namen herausstreichen müssen, denn Sie agieren heute ganz bewusst gegen die Familien, gegen Menschen, die im Niedriglohnsektor und in der Pflege arbeiten. Es ist zum Schämen, was wir heu­te machen!

Die Regierung setzt auf kurzfristigen Populismus statt auf Rechtsstaatlichkeit. Sie, werte Kolleginnen und Kollegen, die Sie jetzt gleich so gejammert haben, wissen ganz genau, dass die EU-Kommission bereits mehrmals ganz deutlich klargestellt hat, dass die Indexierung der Familienbeihilfe nach den Plänen dieser Regierung das EU-Recht verletzt. Sie wissen, dass wir ein Vertragsverletzungsverfahren nicht nur riskieren, son­dern bekommen werden. Das wissen Sie ganz genau, und das haben wir auch im Aus­schuss gehört. Sie wissen, dass das kommen wird.

Die Rechtsstaatlichkeit und die EU sind Ihnen komplett egal. Es ist eine Schande, dass die schwarz-blaue Regierung dieses rechtswidrige Vorhaben genau während des Rats­vorsitzes umsetzt. Es zeigt auch, wie antieuropäisch diese Regierung in diesem Fall handelt. Es kommt Ihnen sehr wahrscheinlich nicht einmal ganz ungelegen, dass Se­bastian Kurz mit diesem Vorhaben ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich riskiert, weil Sie dann diese Bundesregierung als angebliches Opfer der Europäischen Union, der EU, inszenieren können. Das kommt Ihnen nicht ungelegen. – Das Ganze ist zum Schämen!

Man muss sich einmal überlegen, worüber wir überhaupt diskutieren. Jeder und jede hier im Plenarsaal kennt die angespannte Situation in der Pflege älterer Menschen. Die Pflegeheime sind voll. Es gibt zu wenige Fachkräfte und schon seit geraumer Zeit ei­nen Ansturm auf die 24-Stunden-Pflege. (Ruf bei der ÖVP: Betreuung!) – Oder Betreu­ung, ja, wenn wir ganz korrekt sind.

Jetzt wäre es eigentlich super, wenn sich die Regierung dazu einmal die Qualitätskri­terien, die Ausbildungsqualität, die Scheinselbstständigkeit, die Arbeitsbedingungen und die Entlohnung für diese 24-Stunden-Betreuungshilfen genau anschauen und end­lich Maßnahmen, wie wir Grüne sie schon lange fordern und es, seit die Problematik aufgekommen ist, auch immer wieder mit Entschließungsanträgen versuchen, setzen würde.

Aber nein, das tut die Regierung nicht, sondern sie verschärft massiv die Situation für die Menschen, die Pflege brauchen und gerne die letzten Jahre zu Hause, dort, wo sie sich wohlfühlen und die Umgebung kennen, verbringen möchten.

Durch die Indexierung der Familienbeihilfe wird sich die Situation nicht entspannen, im Gegenteil. Vier Fünftel der 45 000 Betreuungsfälle – vier Fünftel! – werden durch 24-Stunden-Betreuungskräfte aus Rumänien und der Slowakei betreut, und nur 96 Menschen von Pflegerinnen und Pflegern aus Österreich. Ich möchte auch nicht den Teufel an die Wand malen. Es wird jetzt nicht der gesamte Pflegebereich zusam­menbrechen; das glaube ich trotzdem nach wie vor nicht, nein. Dennoch: Ein Drittel der knapp 87 000 nicht-österreichischen 24-Stunden-BetreuerInnen, die unsere älteste Ge­neration pflegen, haben Kinder, ein Drittel, und das sind dann 29 000 Menschen, die mit weniger Geld nach Hause gehen.

Werte Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen auch, unter welchen Arbeitsbedingungen diese Menschen arbeiten und wie viel sie für ihre Arbeit bekommen. Das ist ein Nied-


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