BundesratStenographisches Protokoll885. Sitzung, 885. Sitzung des Bundesrates am 8. November 2018 / Seite 151

HomeGesamtes ProtokollVorherige SeiteNächste Seite

Sie haben vielleicht den offenen Brief des Vereins Virus bekommen. Da steht unter Punkt 17 zum Thema Zeitgewinn bei den Verfahren Folgendes: Vier Wochen auf Kos­ten der Verfahrensparteien. Das ist somit die einzige Verfahrensbeschleunigung, die aber unverhältnismäßig ist und sich angesichts der sonst vergeudeten Zeit, insbeson­dere jahrelange Vollständigkeitsprüfungen, auch auf die Gesamtverfahrensdauer von Problemprojekten nicht relevant auswirken wird. – Zitatende.

Zum anderen wissen wir oder haben wir gehört, dass es in Österreich 57 anerkannte Umweltorganisationen gibt, wovon circa ein Drittel von den neuen Änderungen und Regelungen betroffen sein wird. Die Hälfte der genannten Umweltorganisationen ist ös­terreichweit anerkannt, die andere Hälfte ist auf regionaler Ebene aktiv und nimmt jetzt schon nicht an allen Verfahren teil. Das wird auch sehr oft als Information unterschla­gen.

Völkerrechtlich ist die diesbezügliche Regelung – bereits belegt durch die Entschei­dung des Aarhus-Komitees, auch das hatten wir heute kurz – ein rechtlicher Verstoß. Die sagen nämlich, dass die Mitgliederzahl von 100 zwar zulässig wäre, aber nur dann und nur unter der Voraussetzung, dass es nämlich auch andere Möglichkeiten der Le­gitimation gibt, was die Größe eines Vereins, einer NGO anbelangt.

Weiters gibt es auch eine Feststellung des EuGH – der EuGH war ja heute schon Thema –, und zwar neun Jahre alt – ich zitiere –: dass eine strenge Mitgliedergrenze unzulässig ist und nicht dazu führen darf, dass sie den Zielen der UVP-Richtlinie, ins­besondere dem Ziel, die gerichtliche Kontrolle der unter die Richtlinie fallenden Vor­gänge unschwer zu ermöglichen, zuwiderläuft. – Zitatende.

Der Europäische Gerichtshof betont in diesem Urteil auch, wie wichtig es ist, dass im Besonderen kleine Umweltorganisationen weiterhin einen Zugang zu den Gerichten haben. Ich muss mich schon sehr wundern, dass gerade der Bundesrat, die Länder­kammer da nicht mehr Sensibilität beweist, denn wir wissen, dass es gerade in den Bundesländern sehr viele kleine, engagierte Vereine gibt, denen man aber die Beteili­gung hiermit unmöglich macht.

Schließlich gab es auch eine große Debatte aufgrund datenschutzrechtlicher Beden­ken. Auch das werden Sie mitbekommen haben. Da ging es um die namentliche Offen­legung der Mitglieder und um Vorlage der Mitgliederlisten. Das konnte im letzten Au­genblick zum Glück noch verhindert werden, auch wenn weiterhin beispielsweise ein Notar notwendig sein wird, um zu bezeugen, dass ein Verein tatsächlich über diese Mitgliederzahl verfügt.

Was geblieben ist, ist der Verstoß gegen das Gleichheitsgebot. Stiftungen sind nämlich gegenüber Vereinen insofern im Vorteil, als sie das nicht vorbringen müssen und nicht gezwungen sind, wie alle anderen Vereine das Vorhandensein dieser Mitglieder in die­ser Form nachzuweisen.

Ich wundere mich schon immer, dass Sie sich so empören, wenn man sagt, dass Sie für die Wirtschaft Gesetze machen, weil es doch auf der Hand liegt, dass das in erster Linie Ihre Ansprechpartner sind. Es ist deshalb auch wichtig, festzuhalten, dass diese Rechtsunsicherheit, die Sie hiermit schaffen, genau diesem von Ihnen viel zitierten und beschworenen Wirtschaftsstandort erst recht schaden wird.

Das Recht auf ein faires Verfahren ist nämlich nicht nur dann gegeben, wenn Umwelt­organisationen Zugang zu Gerichten haben, sondern wenn alle in Österreich Rechts­sicherheit haben, Sicherheit darüber, dass diese Verfahren fair ablaufen, und diese Si­cherheit schaffen Sie mit diesen Änderungen keinesfalls.

Ich bin auch sehr froh über die klare Haltung der SPÖ diesbezüglich. Wir wissen, dass nach der Kundmachung durchaus auch eine Drittelbeschwerde möglich ist, und wir


HomeGesamtes ProtokollVorherige SeiteNächste Seite