9.37

Staatssekretärin im Bundesministerium für Inneres Mag. Karoline Edtstadler: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Mitglieder des Bun­desrates! Sehr geehrte ZuseherInnen! Das Thema der Aktuellen Stunde könnte ak­tueller nicht sein. Am 25.11. haben wir den Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt an Frauen und Kindern begangen. Seither gibt es noch bis zum 10.12. täglich Aktionen.

Auf der Seite des Bundeskriminalamts beispielsweise finden sich auf der Facebook­seite jeden Tag ein Tipp für Betroffene, ein Präventionshinweis, und andere Hinweise zur Verhinderung von Gewalt – der 10.12. ist übrigens der Internationale Tag der Men­schenrechte.

Ich sage Ihnen ganz offen, ich stehe hier ganz klar für null Toleranz gegenüber Gewalt und Sexualdelikten, insbesondere begangen an Frauen und Kindern. Ich sage Ihnen auch: Es ist mir einerlei, ob der Täter weiblich, männlich, Inländer, Ausländer, EU-Bür­ger oder Drittstaatsangehöriger ist. Jede Form von Gewalt und Sexualdelikten began­gen an Frauen, an Kindern ist abzulehnen, ist insgesamt abzulehnen! (Allgemeiner Beifall.)

Im Jahr 2017 hatten wir rund 16 900 Frauen, die Opfer von Gewaltverbrechen wurden, und davon waren etwa 3 900 Frauen Opfer von Sexualdelikten. Insbesondere bei den Sexualdelikten ist die weit überwiegende Zahl der Opfer weiblich und die ganz weit überwiegende Zahl der Tatverdächtigen ist männlich.

Ich sage das auch deshalb, weil ich schon des Öfteren darauf hingewiesen wurde, dass auch Gewalt gegen Männer nicht passieren darf. Ja, das ist richtig, und vor dem Gesetz sind alle gleich, aber betroffen sind – insbesondere bei den Sexualdelikten – weit überwiegend Frauen. Die Zahl der Morde an Frauen, nämlich begangen von Män­nern, ist alarmierend.

Wir haben im Vergleich von 2017 auf 2018 auch einen enormen Anstieg bei der Zahl der Tatverdächtigen im Hinblick auf Sexualdelikte zu verzeichnen. Die Bundesregie­rung setzt da deshalb ganz klare Zeichen. Bereits im Regierungsprogramm ist eine weitere Strafverschärfung bei Gewalt- und Sexualverbrechen verankert. Ich wurde von Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache bereits im Fe­bruar mit der Einrichtung und Leitung der Task Force Strafrecht beauftragt.

Diese Task Force Strafrecht leite ich seit Februar; wir haben eine Lenkungsgruppe, wir haben eine interministerielle Zusammenarbeit. In die Lenkungsgruppe sind das Innen­ministerium, das Justizministerium, das Gesundheitsministerium und auch das Frau­enministerium einbezogen, denn es geht dabei um eine Disziplin, die über mehrere Mi­nisterien hinweggeht. Es ist natürlich auch das Bildungsministerium einbezogen.

Worum geht es dabei? – Es geht zum einen um strenge Strafen, um mehr Abschre­ckung für die Täter. Es geht zum Zweiten – aber ganz wesentlich – um mehr Opfer­schutz, um einen niederschwelligen Zugang für Opfer.

Es ist richtig, wenn Frau Bundesrätin Grossmann darauf hinweist, dass Österreich ei­nen sehr gut ausgeprägten Opferschutz hat und wir auch international als Vorbild die­nen, aber wir müssen Opfern vor allem eines geben: das Selbstvertrauen, das Ver­trauen, dass sie gehört werden, dass sie sich wo hinwenden können, wo sie ernst ge­nommen werden. Das ist in vielen Fällen noch nicht gegeben, deshalb haben wir ja eine extrem hohe Dunkelziffer an Gewalt im häuslichen Bereich und können diese Zahl einfach nicht ermessen.

Also: mehr Abschreckung für die Täter, mehr Unterstützung für die Opfer und, ja, eine aktive Täterarbeit, denn dieser Bereich ist noch nicht so deutlich ausgeleuchtet. Es ist notwendig, die Täter zu verpflichten, etwas zu tun, an ihren Problemen zu arbeiten.

Betrachte ich die Wegweisung, so kann ich nur sagen, das ist ein Erfolgskonzept. Sie wurde seit 1997 bereits über 100 000 Mal angewandt, und heuer, in den letzten 365 Tagen, hatten wir 6 871 Wegweisungen, in 459 Fällen davon war es mehrmals der gleiche Täter, der davon betroffen war.

Es muss dann aber auch etwas mit dem Täter passieren: Er muss verpflichtet werden, dass er gegen sein Aggressionspotenzial, sein psychisches Problem oder was auch immer dahintersteckt, etwas tut. Auch diesen Bereich nehmen wir uns in der Taskforce vor.

Wir haben über hundert Expertinnen und Experten einbezogen. Es gibt zwei Kommis­sionen: eine Kommission, die sich mit Strafrecht an sich beschäftigt: Wie können wir dazu kommen, möglichst strenge Sanktionen zu erreichen?, und die zweite Kommis­sion: Opferschutz und Täterarbeit, wo es um die Frage geht: Wie können wir die Zu­sammenarbeit verbessern?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eines ist ganz wesentlich: Es muss eine Ko­operation zwischen den betroffenen Behörden geben, es muss einen raschen Daten­austausch geben. Der Datenschutz ist ein hohes Gut, aber er darf nicht zum Täter­schutz werden. In dem Moment, in dem ein Problem auftritt, müssen die Strafverfol­gungsbehörden das gesamte Bild der Situation vor sich haben, um auch entspre­chende Anträge stellen zu können, damit, wenn notwendig, die Staatsanwaltschaft beim Gericht auch Untersuchungshaft beantragen kann. Dazu muss alles auf dem Tisch liegen.

Ja, eine Kooperation zwischen den Behörden bedingt auch, dass es einen Austausch gibt. Der muss aber rasch erfolgen. Es wurde das Projekt Marac angesprochen, das nach Evaluierung nicht mehr durchgeführt wird. Dazu kann ich Ihnen nur sagen, wir haben alle positiven Erfahrungen, die wir daraus gezogen haben, in die Taskforce mit­genommen und leiten daraus die entsprechenden Schlüsse ab, aber derzeit gibt es keine gesetzliche Grundlage für diesen Datenaustausch.

Zum Beispiel dürfen Daten von Tätern nicht weitergegeben werden, und diese Fallkon­ferenzen fanden oft erst Wochen nach dem Vorfall statt. Da muss klar sein: Die Polizei ist diejenige, die auch die Gefährdung einschätzen muss. Das werden wir jetzt auf entsprechende rechtliche Beine stellen, dass das möglich wird und dass es auch eine einheitliche Gefährdungseinschätzung gibt, auf die sich dann die Strafverfolgungsbe­hörden verlassen können und die entsprechenden Schlüsse ziehen können. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Eines ist aber auch klar: Keiner wird von heute auf morgen zum schweren Gewaltver­brecher, keiner wird von heute auf morgen zum Mörder, diese Gewalt baut sich in aller Regel auf. Deshalb müssen wir gesellschaftlich schon früh eine rote Linie definieren. Es beginnt mit Worten, es beginnt auch mit Worten im Internet, wie wir das in den letzten Wochen sehr oft feststellen mussten. Dieser Hass im Netz, auch davon sind sehr häufig Frauen betroffen, ist etwas, was gesamtgesellschaftlich nicht geduldet sein darf. Ich stehe dafür, dass es auch da einen einheitlichen Verwaltungsstraftatbestand gibt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Wenn der Täter nämlich entsprechend früh und entsprechend einschneidend eine strenge Strafe erfährt – und das eine entsprechende Geldstrafe ist –, dann tut das weh, selbst wenn die Schwelle zum Strafrecht nicht überschritten ist. Ich weiß nicht, ob sich der Täter dann nicht generalpräventiv oder jedenfalls spezialpräventiv beim nächsten Mal überlegt, ob er eine derartige Meldung im Internet über Facebook oder sonstige Kanäle abgibt.

Genau das ist es auch, was sich die Regierung jetzt anschaut. Wir hatten vor wenigen Wochen diesen Gipfel gegen Hass im Netz. Da gilt es auch, ein entsprechendes Ge­setz für mehr Sorgfalt und Verantwortung auszuarbeiten und die Kommunikationsplatt­formen in die Pflicht zu nehmen, denn ich sage es noch einmal –: Das ist etwas, was uns alle angeht, was die gesamte Gesellschaft angeht. Was nicht sein kann in un­serem Land, ist, dass man einfach mir nichts, dir nichts ohne Konsequenz im Netz be­schimpfen kann, denn alles, was im analogen Bereich verboten ist, muss auch im digi­talen Bereich entsprechend verboten sein. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei Bun­desrätInnen der SPÖ.)

Wichtig ist auch, dass Betroffene rasch eine Anlaufstelle haben, dass Betroffene wis­sen, wohin sie sich wenden können. Da spreche ich von einer Hotline, die nicht nur – das ist wesentlich – rechtliche und psychosoziale Beratung anbietet, sondern eine Hot­line, die auch technische Unterstützung gibt, denn: Haben Sie schon einmal versucht, ein Bild wieder aus dem Netz zu bekommen? Ein diskreditierendes Bild kann das Le­ben eines Menschen wirklich stark verändern, vielleicht auch berufliche Chancen für immer vertun. Da ist es wichtig, dass die Betroffenen auch diese technische Unterstüt­zung sofort bekommen.

In diesem Zusammenhang noch ein Letztes: Wir müssen auch unsere Strafgesetze auf den Stand des 21. Jahrhunderts, den Stand des Jahres 2018 bringen, denn Stalking greift beispielsweise nicht, wenn – unter Anführungszeichen – „nur“ ein derartiges Bild veröffentlicht wird. Es gilt, da auch im Rahmen der Taskforce die Gesetze auf die ent­sprechende 21.-Jahrhundert-Ebene zu bringen, damit das verfolgt werden kann.

Wir arbeiten mit Hochdruck an diesen Gesetzesvorschlägen. Wir werden spätestens mit Ende des ersten Halbjahres 2019 einen Gesamtgesetzentwurf vorlegen, mit dem alle Gesetze, die in diesem Zusammenhang geändert werden müssen, vorgelegt wer­den. Wir werden bis dahin weiter Zwischenberichte machen, aber ich bitte Sie um Ver­ständnis, dass ich heute noch nicht alles im Detail sagen kann. Es gibt bereits viele Maßnahmen, die sich abzeichnen, aber es sind derzeit rund 120 Maßnahmen, die wir auch auf ihre Umsetzbarkeit hin prüfen müssen.

Insgesamt bin ich zuversichtlich, dass wir durch die Diskussion auf gesamtgesellschaft­licher Ebene und durch diese vielen Maßnahmen, die wir in der Taskforce dann auch präsentieren und auch umsetzen werden, einen besseren Zustand für die Österrei­cherinnen und Österreicher erreichen werden – strenge Sanktionen, mehr Unterstüt­zung für die Opfer, rasche Unterstützung für die Opfer und auch eine entsprechende Täterarbeit –, denn es muss am Ende klar sein, dass der Täter derjenige ist, der die Probleme verursacht hat, und nicht etwa das Opfer, das den Mut gezeigt hat, anzuzei­gen.

Mit dieser Täter-Opfer-Umkehr muss endlich Schluss sein, das muss in der Gesell­schaft ankommen. Ich bin zuversichtlich, dass wir das mit der Taskforce und den Maß­nahmen, die wir vorschlagen werden, ein Stück weiter bringen und Österreich auch für Frauen zu einem besseren und sicheren Land machen. Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

9.47

Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke sehr, Frau Staatssekretärin.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Rednerinnen und Red­ner in der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr.in Andrea Eder-Gitschthaler. Bitte.