19.10

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte und werte Kolleginnen und Kollegen! Wir novellieren heute das Zivildienstgesetz mit zwei Schwerpunkten: Der eine ist die Ein­führung eines computerunterstützten Ausbildungsmoduls für Zivildiener und gleichzei­tig auch für Vorgesetzte in Zivildiensteinrichtungen; der andere ist, dass Zivildiener zukünftig nach 24 Tagen Dienstunfähigkeit automatisch aus dem Zivildienst entlassen werden. Zusätzlich wurden auch noch ein paar Änderungen im Bereich der Anerken­nung von Zivildienstträgern installiert beziehungsweise wurden die Bestimmungen auch verschärft. – So weit einmal die Einführung als Erstredner – so oft bin ich das ja nicht –, das, worum es also bei diesem Gesetz geht.

Ich selbst habe ja im Bereich des Zivildienstes, im Bereich der Zivildienerausbildung bei einer Rettungsorganisation gearbeitet und mache das nach wie vor noch ehrenamt­lich. Ich kann also von mir schon behaupten, dass ich mich im Bereich des Zivildiens­tes auskenne und weiß, was in der Ausbildung passiert. Ich finde es natürlich grund­sätzlich großartig und wichtig, wenn sich junge Menschen in der Geschichte Öster­reichs auskennen, wenn sie die Grundprinzipien der Verfassung kennen, den Stufen­bau der Rechtsordnung, die Staatsgewalten, den Weg der Bundesgesetze, die Organi­sation der Verwaltung und der Gerichtsbarkeit, des Rechtsschutzes und der Kontrolle, die Grund- und Freiheitsrechte und so weiter und so fort.

Das ist ja prinzipiell alles gut und schön, aber – es tut mir leid, Frau Staatssekretärin – es ist doch nicht die Aufgabe einer Zivildienstorganisation, diese jungen Menschen im Bereich politische Bildung auszubilden. Das gehört doch in das Schulsystem, in die Ausbildung der jungen Menschen; das müssen diese doch in der Schule lernen und nicht mit 18, 19 oder 20 Jahren im Zivildienst noch einmal wiederholen, insbesondere wenn diese schon studiert haben, zum Beispiel Jus. (Bundesrat Pisec: Ewiges Ler­nen! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Man kann doch nicht wirklich glauben, die politische Bildung in den Zivildienst aussour­cen zu müssen – heraus aus dem Bildungssystem hinein in den Zivildienst. Das zeigt meiner Meinung nach ganz perfekt auf, dass man, bevor man den wirklich großen Bro­cken endlich angeht und reformiert – das Bildungssystem, in dem eigentlich genau die­se Bildungslöcher gestopft werden müssen –, Extrastunden in den Zivildienst gibt, weil man da den leichtesten Widerstand hat und es hineinstopfen kann.

Zudem gibt es noch unglaublich viele Fragezeichen betreffend diese Novelle: Im Ge­setzentwurf vermissen wir die konkrete Dauer des geplanten Ausbildungsmoduls. Es gibt da noch keinen Plan, es heißt, da ist für die Rettungsorganisationen oder die NGOs noch etwas in Entwicklung. Was soll dieses zusätzliche Modul für die Organisa­tionen, für die Arbeit der Zivildiener draußen überhaupt bringen? Was soll die Organi­sation davon haben, dass sich der Zivildiener plötzlich mit Fragen der Verfassung oder der Bundesgesetzgebung auskennt? – Das ist schön und gut, aber er hätte das im Rahmen des Bildungssystems lernen sollen, dort aber vermissen wir es nach wie vor.

Da muss ich Sie noch einmal fragen, Frau Staatssekretärin: Warum hat man diese Aufgaben nicht in den pädagogischen Einrichtungen implementiert? – Das wäre es, was wir endlich angehen müssten. Wir müssten es endlich schaffen, politische Bildung im Bildungssystem zu implementieren.

Es gibt noch weitere Probleme und Fragezeichen betreffend diese Novelle wie zum Beispiel die Kosten. So muss das Modul während der Dienstzeit absolviert werden. Es steht zudem im Gesetz, dass in der Einrichtung die erforderliche technische Infra­struktur zur Verfügung gestellt werden muss – die Einrichtung muss das tun, so steht es im Paragrafen, man kann nicht irgendwo anders hingehen, wie es im Ausschuss ge­heißen hat. Das heißt, die Kosten bleiben wieder bei den Organisationen hängen.

Natürlich erkenne ich die Intention der Bundesregierung an, und will es auch nicht schlechtreden. Noch einmal: Ich erkenne an, dass jungen Menschen dadurch Staats­bürgerkunde nähergebracht werden soll. Wir müssen aber darüber reden, ob es nicht sinnvoller wäre, das woanders zu tun, denn auch die Überwälzung von Kosten, von ganz klar staatlichen Aufgaben – die Bildung junger Menschen in Staatsbürgerkunde – auf gemeinnützige und mit Spendengeldern finanzierte Organisationen ist für mich al­lein schon ein Grund, dieser Novelle heute nicht zuzustimmen.

Auch betreffend § 19 des Zivildienstgesetzes – dieser beschreibt, dass ein Zivildiener nach einem Krankenstand von 24 Kalendertagen entlassen wird – bin ich, ehrlich ge­sagt, skeptisch – das sind sicher auch viele Organisationen. Sie müssen sich das dann auch in der Praxis anschauen. Gerade im Rettungsdienst ist es mir manchmal lieber, der Kollege, die Kolle- - – Entschuldigung, jetzt hätte ich fast gegendert, es ist der Zi­vildienerkollege – bleibt einmal einen Tag länger zu Hause, anstatt weitere Kollegen im Rettungsdienst oder Patienten anzustecken.

Oder: Stellen Sie sich vor, er hat einen Hexenschuss und soll einen Patienten tragen. Da sage ich zum Zivildiener, er soll lieber noch drei oder vier Tage länger im Kran­kenstand bleiben, bevor es zu einem Notfall kommt und er den Patienten nicht tragen kann, man ein zweites Rettungsauto braucht oder sogar eine lebensgefährdende Si­tuation entsteht. In der Praxis wird sich zeigen, ob das überhaupt machbar ist oder da­durch wieder Probleme entstehen.

Wenn wir schon einmal das Thema Zivildienst hier im Parlament besprechen, darf ich gleich einmal grundsätzlich zu einer Reform des Zivildienstes aufrufen. 2013 gab es eine Volksbefragung zum Thema Wehrpflicht, wie Sie wissen. Rund 60 Prozent der Wahlberechtigten waren für die Beibehaltung der Wehrpflicht. Besonders spannend fand ich die Ergebnisse der Befragung nach der Volksbefragung: 80 Prozent der Wehr­pflichtbefürworterInnen haben den Zivildienst als ihr Hauptargument angegeben. Der Zivildienst war also der Grund, weshalb man die Beibehaltung der Wehrpflicht wollte. Daran sieht man, welche Bedeutung der Zivildienst in unserer Gesellschaft mittlerweile hat.

Glauben Sie mir, auch die Organisationen leben davon, dass die Zivildiener einen or­dentlichen Zivildienst absolvieren können, dass es ihnen gut geht. Wichtig ist die Mundpropaganda, dass der Zivildiener zu seinem Bruder sagt: Dort beim Roten Kreuz, bei der Caritas oder dort und dort ist es gut, da machst du auch deinen Zivildienst! – Gerade in Zeiten geburtenschwacher Jahrgänge – die wir gerade haben – erkennt man ganz deutlich, welche Organisationen sich besonders um die Zivildiener kümmern und welche nicht.

Man weiß auch, welche Wertigkeit der Zivildienst in den Köpfen der Menschen hat, wir warten aber seit Jahren – bevor Sie wieder schreien: das betrifft nicht nur diese Bun­desregierung – auf wirkliche Verbesserungen betreffend den Zivildienst. Die rechtliche und finanzielle Situation der Zivildiener spiegelt die Wertschätzung, die die Zivildiener eigentlich verdienen, nicht wider.

Nach wie vor müssen junge Menschen einen neunmonatigen Wehrersatzdienst leisten. Nach wie vor wird die Privatsphäre der Zivildiener bei Krankheit nicht respektiert. Sie haben das im Rahmen dieser Novelle leider auch nicht herausgestrichen. Nach wie vor müssen Zivildiener dem Vorgesetzten den Grund der Krankheit melden – das wäre nun eigentlich absurd, weil die 24 Tage ohnehin im Gesamten gerechnet werden. Das zu ändern hat man bei der Novellierung leider verabsäumt.

Auch die Basis von gewerkschaftlichen und arbeitsrechtlichen Dienstverhältnissen fehlt, wie die 38-Stunden-Woche oder angeglichene Urlaubsregelungen – neun Monate Dienst, zwei Wochen Urlaub. Es braucht da wirklich Reformen. Gleichen wir endlich auch die Dauer des Zivildienstes an jene der Wehrpflicht an, das wäre auch im Sinne der Gleichstellung!

Daher bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen David Stögmüller und Mag. Dr. Ewa Dziedzic betreffend „Notwen­dige Reformen des Zivildienstes in Österreich“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf vor­zulegen, der folgende Punkte beinhaltet:

1) Der verpflichtende Zivildienst wird auf 6 Monate verkürzt.

2) Der Zivildienst soll freiwillig um bis zu 6 Monate verlängert werden können. Diese 6 Monate müssen kollektivvertraglich entlohnt werden. Es darf zu keinen Steh- und Ru­hephasen mehr vor dem Studium, Ausbildung und Berufseinstieg nach dem Zivildienst kommen.

3) Für die nach dem Zivildienst einschlägigen Studien oder Ausbildungen soll das im Zivildienst Erlernte eindeutig und transparent anrechenbar sein (Ausbildung für die Tä­tigkeit in einem sozialen Beruf wie Familienhilfe, Altenpflege, Behindertenbetreuung, für die FH für Soziale Arbeit aber auch für Studien wie Psychologie oder Pädagogik).

4) Wenn ein Jugendlicher bei der Freiwilligen Feuerwehr oder beim Jugend-Rot-Kreuz schon ehrenamtlich tätig war, soll er sich Teile oder den gesamten Zivildienst anrech­nen lassen können.

5) Im Bereich des Zivildienstes soll es zu einer Angleichung an die arbeitsrechtliche Si­tuation von Sozial- und Gesundheitsberufen kommen: Normalarbeitszeit, Urlaubsan­spruch, Streichung der restriktiven Krankenstands-Regelungen von Zivildienern, Refor­mierung bzw. Streichung von Dienstpflichtverletzungen und Strafandrohungen.

6) Anpassung der Grundvergütung an die Mindestsicherung auf € 863.-

7) Valorisierung des Zivildienstgeldes nach § 28 Abs. 4 ZDG“

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Werte Kolleginnen und Kollegen, der Zivildienst ist unbestritten eine wichtige Säule der Gesellschaft, daher ist es wichtig, den Zivildienst als Institution zu stärken, die Situation der Zivildienstleistenden definitiv zu verbessern und die Trägerorganisationen abzusi­chern. Das haben sich – ganz ehrlich – insbesondere unsere Zivildiener und auch die­se Organisationen verdient. – Vielen Dank. (Beifall der Bundesrätin Dziedzic.)

19.19

Vizepräsident Ewald Lindinger: Herr Bundesrat, legen Sie bitte den Antrag vor. (Bun­desrat Stögmüller legt den Antrag vor.) – Der Antrag ist nicht genügend unterstützt, es fehlt eine Unterschrift, ich stelle daher die Unterstützungsfrage.

Unterstützt jemand von den Bundesrätinnen und Bundesräten den vorliegenden Ent­schließungsantrag? (Bundesrätin Mühlwerth – in Richtung SPÖ –: Da wird sich doch einer finden von euch, der das unterschreibt?!) – Nein. Er ist somit nicht genügend unterstützt und steht daher nicht mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gottfried Sperl. Ich erteile ihm die­ses.