BundesratStenographisches Protokoll887. Sitzung, 887. Sitzung des Bundesrates am 19. Dezember 2018 / Seite 124

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freut, sollten wir skeptisch werden. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stög­müller.) Tatsächlich hat uns ja die Aushebelung der Umweltrechte genauso wie die Verschiebung und Aushebelung wichtiger, jahrzehntelang erkämpfter Kriterien im Um­weltbereich hier im Bundesrat schon öfter beschäftigt. Zum Glück sind die Grünen nicht die Einzigen, die da zu Recht aufschreien, weil es nämlich um wirklich weitreichende und gleichzeitig sehr kurzsichtige Beschlüsse geht, die Sie hier fassen. Eines vorweg: Sie können sicher sein, durch diese Rechtsunsicherheiten wird dem Wirtschaftsstand­ort Österreich erst recht geschadet werden.

Ein Überblick: Die NEOS sprachen von „NGO-Schikane“. Liste JETZT meinte, dass da Wirtschaftsinteressen vor Umweltinteressen gestellt werden. Die SPÖ meinte, das Standort-Entwicklungsgesetz „greift tief und unverhältnismäßig in die Rechte von An­rainern, Umweltorganisationen und Bundesländern ein.“ Dazu kommt, „dass das Ge­setz seinen Zweck“ – nämlich die Verfahrensbeschleunigung, die diesbezüglich immer wieder zitiert wird – „verfehlen wird, weil so die UVP-Verfahren weder einfacher noch schneller werden, sondern komplizierter, langwieriger“.

Das Bundesverwaltungsgericht hat ebenso Sorge angemeldet, ich zitiere: „Das Bun­desverwaltungsgericht verfügt jedoch über keinen eigenen Sachverständigenapparat, und die Verfügbarkeit geeigneter Sachverständiger stellt schon jetzt“ – ich wiederhole für Sie extra: schon jetzt – „eines der Hauptprobleme bei der Durchführung zügiger Be­schwerdeverfahren dar. Aus diesem Grund könnte es zu weiteren Verfahrensverzöge­rungen kommen.“

Greenpeace ortet Rechtsunsicherheit: Voraussichtlich werden etwa zwei Drittel der an­erkannten Umweltorganisationen in Österreich künftig von Umweltverfahren ausge­schlossen, sagen sie. Weiters schafft das Standortgesetz de facto Umweltverfahren für Großprojekte wie Schnellstraßen, Mülldeponien oder Industrieanlagen ab und ist des­halb auch demokratiepolitisch ein Rückschritt, höchst intransparent und eindeutig von der Industrie diktiert. – Zitatende.

WWF fürchtet mehr „Umweltzerstörung“ in Österreich, und der Verein Virus, der Ihnen bekannt sein wird, meint: „Gemeinsam mit den Rechtwidrigkeiten und Rechtsunsicher­heiten die sicher zum Einsatz von Rechtsmitteln und langfristigem Herausbilden neuer Judikatur führen wird, ist nicht von einer Verfahrensbeschleunigung sondern einer Ver­fahrensverzögerung auszugehen!“ – Das Gesetz enthält laut Virus weiters auch schi­kanöse Regelungen gegenüber den Verfahrensparteien.

Ich habe das alles deshalb zitiert, weil es wichtig ist, jenen eine Stimme zu geben, de­nen Sie diese kritische Stimme nehmen möchten. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bun­desrates Stögmüller.)

Jetzt ganz kurz zum Abänderungsantrag, nämlich zur Änderung des Wirtschaftskam­mergesetzes, mit der die Umweltanwaltschaften de facto ad acta gelegt werden, wäh­rend an den Landeswirtschaftskammern Standortanwälte eingerichtet werden. Ich den­ke auch, dass sich die gewerbetreibenden Mitglieder darüber freuen werden, dass sie das in Zukunft mitfinanzieren dürfen. Pikant ist dabei, dass diese Standortanwälte Ih­nen, Frau Ministerin, weisungsgebunden sind.

Ob das verfassungsrechtlich überhaupt haltbar ist, wird sich noch weisen. Tatsache ist nämlich, dass die Weisungsbefugnis keine Kompetenzgrundlage hat. Sie zeugt auch davon, dass Sie den Landesregierungen in diesem Fall misstrauen. Hier hätte eigent­lich der Verfassungsdienst – und das ist Ihr Versäumnis – prüfen müssen, wie das aus Sicht der Länder ausschaut, weil die Vollziehung des UVP-Gesetzes nämlich in der au­tonomen Landesvollziehung liegt.

Zurück zum Standort-Entwicklungsgesetz: Abseits davon, dass damit, wie ich gesagt habe, rein gar nichts beschleunigt wird, sondern auf Biegen und Brechen die Gerichte


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