14.53

Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Dr. Josef Moser: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesräte! Ich melde mich gleich am Anfang der Diskussion zu Wort, weil doch einiges gesagt worden ist, was so nicht hingenommen werden kann. Gerade diese Regierungsvorlage bezüglich der Verfas­sungs­reform, die heute zur Behandlung steht – die größte systematische Verfassungs­reform seit 1929 – schafft klare Verantwortlichkeiten und eine klare Ergebnisverant­wortung, damit man weiß: Wer ist wofür verantwortlich? Wer ist derjenige, der das Geld ausgibt, und was passiert mit dem Geld? – Genau das wird gemacht. Es werden Aufgaben klar zugewiesen. Das ist ein Teil.

Bevor ich aber zu dem anderen Teil komme, möchte ich, da das sozusagen der Kerninhalt meines Vorredners war, kurz auf die Kinder- und Jugendhilfe eingehen.

Gerade die Kinder- und Jugendhilfe, und das zeigt auch die zuständige Ministerin, ist dieser Regierung ein enormes Anliegen, und genau diese Reform, die wir durchgeführt haben, ist genau eine solche Reform, die eben in dem Fall die Kinder- und Jugendhilfe in Österreich stärken soll. (Bundesrat Stögmüller: Wie denn?) Sie soll sie deshalb stärken, weil wir derzeit im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe eine Grundsatz­ge­setzgebung und eine Ausführungsgesetzgebung haben, was dazu geführt hat, dass der Bund zwar festgelegt hat, was die Aufgaben sind (Bundesrat Stögmüller – die Unterlage, aus der er während seiner Rede zitierte, in die Höhe haltend –: Das steht aber hier drinnen anders!), die Ausführung aber bei den Ländern gelegen ist. Wenn einer etwas gehabt hat, ist immer der Punkt gewesen, dass die Länder auf den Bund ver­wiesen und gesagt haben, die Aufgabe ist nicht ausreichend definiert, und gleich­zeitig der Bund auf die Länder verwiesen und gesagt hat, aber die Ausführung war nicht so, wie ich mir das vorgestellt habe. – Unterm Strich war keiner verantwortlich.

Was Sie (in Richtung Bundesrat Stögmüller) angesprochen haben, ist genau das Thema, dass alle Jugendhilfeorganisationen darauf hinweisen, wie zersplittert die Standards sind und dass man nicht in der Lage oder bereit ist, tatsächlich einheitliche Standards zu schaffen.

Deshalb haben wir genau diese Evaluierung, die Sie (in Richtung Bundesrat Stögmüller) da haben, zum Anlass genommen, um zu fragen: Was machen wir in Zukunft? Wollen wir in Zukunft den Weg gehen, dass wiederum der eine dem anderen die Verant­wortung zuschiebt – man hat das die letzten Jahrzehnte hindurch gemacht, und das Ergebnis ist sichtbar –, oder wollen wir klare Verantwortlichkeiten schaffen? In dem Fall haben wir klare Verantwortlichkeiten geschaffen, weil eben derzeit – das ist Ihnen auch bekannt – Träger der Kinder- und Jugendfürsorge die Länder sind. Sie sind derzeit die, die bereits alle Regelungen festgelegt haben. Sie sind derzeit die, die die Ausbildung definiert haben, sie sind derzeit die, die die Ressourcen zur Verfügung gestellt haben. Das waren immer die Länder, und auch in Zukunft werden es die Länder sein, so wie sie es auch derzeit sind, nur haben sie die volle Verantwortung in dem Bereich. (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.)

Wenn Sie in die Richtung der UN-Kinderrechtsresolution (Bundesrat Stögmüller: Kon­vention!) gehen, dann kann ich auch darauf hinweisen: Dadurch, dass ein Grund­satzgesetz wegfällt und die Ausführungsgesetzgeber bleiben, wird keine Konvention verletzt. (Bundesrat Stögmüller: Da sind aber alle Experten anderer Ansicht!) Im Gegen­teil! Sie wird gestärkt in dem Bereich, und das ist in dem Fall auch so.

Weil Sie das ansprechen: Was passiert jetzt gerade durch die Maßnahmen? – Da hat sich die SPÖ sehr stark eingebracht, wofür ich auch danke. Wenn Sie sich jetzt nämlich die 15a-Vereinbarung ansehen, dann passiert genau das, was in der Ver­gangenheit nicht passiert ist (Bundesrat Stögmüller: Kein Monitoring!) – zuhören ist immer gut –, und zwar ist das genau das – wenn Sie in dem Fall Artikel 1 ansprechen –:

„Die gegenständliche Vereinbarung ist vom gemeinsamen Bestreben der Vertrags­parteien getragen, die Kinder- und Jugendhilfe in Österreich einheitlich zu gestalten, gemeinsame Standards festzulegen und diese im Sinne der primären, sekundären und tertiären Prävention und der Kinderrechte weiterzuentwickeln.“

Darüber hinaus steht in Artikel 4:

„Die Länder verpflichten sich, bei Änderungen der dieser Vereinbarung zugrunde­liegenden Umstände, insbesondere bei Vorliegen von neuen wissenschaftlichen Er­kenntnissen und Expertisen aus Fachkreisen im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe, Verhandlungen [...] aufzunehmen mit dem Ziel, eine geänderte Vereinbarung recht­zeitig in Kraft zu setzen und [...] notwendige [...] Vorschriften rechtzeitig“ anzupassen.

Das ist genau das, was in der Vergangenheit nicht gemacht worden ist, und genau das, wozu man sich jetzt bekennt, nämlich genau den Weg zu gehen, im Sinne der Kinder einheitliche Standards und Regelungen zu schaffen, damit man weiß, wer verantwortlich ist, wer das Ergebnis festgelegt hat und wie wir deshalb damit umgehen. Deshalb ist diese Reform genau das Gegenteil von dem, was Sie gesagt haben: Es ist eine Weiterentwicklung und kein Stillstand. Wir gehen in die Richtung, dass wir tatsächlich die Kinderrechte und Jugendrechte stärken. Das ist eben sehr positiv zu erwähnen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Lassen Sie mich in dem Zusammenhang auch eines sagen: Ich schließe niemanden aus, ich beziehe alle mit ein – damit ich auch dieses Gerücht ausräume. Es waren alle Kinder- und Jugendhilfeträger bei mir im Ministerium. Es sind mit ihnen Gespräche geführt worden und sie sind miteingebunden worden. Das gesamte Gesetzesvorhaben wurde ihnen auch dargelegt. Das heißt, es wird immer mit den Betroffenen gesprochen und eine Regelung getroffen. Das heißt weiters, was heute vorliegt, ist bereits fußend auf dieser Studie, die mittlerweile veröffentlicht worden ist (Bundesrat Stögmüller: Heute!), und bildet eine Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe, wie man sie sich nur wünschen kann.

Was diese Verfassungsreform ansonsten betrifft, möchte ich mich auch beim Bundes­rat bedanken, weil eben der Bundesrat in der Zweiten Republik zwei Anträge ein­gebracht hat, die die Verfassung betreffen. Es gab nämlich im Jahr 2015 einen Antrag, dass endlich das Übergangsgesetz 1920 gestrichen werden soll, weil der damalige Präsident des Bundesrates, Bundesrat Kneifel, auf einen Steinzeitföderalismus hinge­wiesen hat: wenn man sogar bei der inneren Organisation der Geschäftseinteilung eines Amtes der Landesregierung die Zustimmung des Bundes braucht oder bei der Geschäftsordnung die Zustimmung braucht, wenn man in die Richtung geht, dass man, wenn beispielsweise einer Stadt mit Landesgesetz ein eigenes Statut verliehen wird, die Zustimmung des Bundes braucht, wenn der Bezirksgerichtssprengel für ein Bezirksgericht verändert wird und man die Zustimmung des Landes braucht, oder wenn eine Bezirkshauptmannschaft mit von mir aus einer Stadt mit eigenem Statut zusammenarbeiten will und das nicht geht, weil man dafür wieder die Zustimmung des Bundes braucht. – Das fällt weg. (Vizepräsident Lindinger übernimmt den Vorsitz.)

Das heißt, dass der damals erwähnte Steinzeitföderalismus künftig nicht mehr statt­finden wird. Dafür bin ich dem Bundesrat sehr dankbar, wie auch für den Antrag, der gestellt worden ist. Ich bin auch sehr dankbar dafür, dass wir heute einen Beschluss fassen können und so von der Steinzeit in die Zukunft gehen und im Hinblick auf das Vertrauensprinzip Österreich neu ordnen und Österreich zu einem kooperativen Bundesstaat weiterentwickeln. Ich glaube, das ist etwas Positives. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Weiters möchte ich erwähnen, was der Vater der österreichischen Verfassung Hans Kelsen bereits im Jahr 1920 über dieses Übergangsgesetz gesagt hat – das nicht, wie es ursprünglich beabsichtigt gewesen ist, ein Jahr gegolten hat, sondern mittlerweile nahezu hundert Jahre in Kraft ist. Er hat damals schon festgestellt, dass wir Bestim­mungen in diesem Gesetz haben, die eine bundesstaatliche Anomalie darstellen. – Diese wird heute gleichfalls beseitigt; also ein weiterer positiver Schritt.

Das heißt, vielleicht können wir Sie (in Richtung Bundesrat Stögmüller) noch über­zeugen, in die Zukunft mitzugehen und nicht in die Vergangenheit zu schauen, weil auch eine Opposition die Verantwortung hat, Österreich weiterzuentwickeln und nicht zurückzuentwickeln. (Bundesrat Stögmüller: Genau! Wenn es weiterentwickelt wird!) Ich glaube, es wäre positiv, in diese Richtung zu gehen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Darüber hinaus ist auch noch Folgendes zu erwähnen: Wo die Länder sehr wohl bereit sind, Zugeständnisse zu machen, ist der Datenschutz. Wir haben derzeit zehn Daten­schutzgesetze in Österreich, in Zukunft werden wir nur ein Datenschutzgesetz haben. Das heißt, wir haben nicht Länder – Sie sind ja Ländervertreter –, die in dem Fall gegen den Bund sind, gegen die Steuerzahler sind, sondern solche, die auch die Ver­antwortung wahrnehmen, Österreich neu zu gestalten in Blickrichtung Bildung Öster­reichs, nämlich ein föderaler und ein kooperativer Staat zu sein, der klare Verant­wort­lichkeiten hat.

Genau in diese Richtung gehen auch die Länder, gehen auch die Landtage, gehen dementsprechend auch die Landeshauptleute, und es wäre gut, wenn man dem folgt und eben schaut, weg vom Misstrauen hin zum Vertrauen zu kommen, und genau in diese Richtung geht diese Vorlage.

Deshalb würde es mich freuen, wenn diese Vorlage auch (in Richtung Bundesrat Stögmüller) Ihre Unterstützung findet, weil wir tatsächlich den ersten Schritt einer Kompetenzbereinigung setzen, und das, was auch Sie erwähnt haben, der zweite Schritt sein wird.

Wir haben nichts ausgespart: Wir haben von zwölf Tatbeständen, bei denen es derzeit eine Grundsatzgesetzgebung gibt, bereits neun entweder dem Bund oder den Ländern klar zugewiesen. Die anderen drei Tatbestände, die derzeit noch in Artikel 9 beinhaltet sind, für die es immer noch die Grundsatzgesetzgebung gibt, werden noch im ersten Halbjahr des Jahres 2019 ausgeräumt. Es wird auch bei diesen Tatbeständen eine klare Verantwortung geben.

Das heißt, wir fahren damit fort und machen Österreich zu dem, was es sein soll: zu einem zukunftsorientierten und sehr kooperativen und von Vertrauen getragenen Bundesstaat. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie der Bundesräte Todt und Schennach.)

15.02

Vizepräsident Ewald Lindinger: Danke, Herr Bundesminister.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter. Ich erteile ihr dieses.