16.47
Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Werter Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war ja fast peinlich und fast ein bisschen lieb, zuzusehen und zuzuhören, wie Sie hier Kindesweglegung betrieben haben und wie Sie versucht haben, aus Ihrem Schlamassel wieder rauszukommen.
Ihre Partei war jene Partei, die den Öxit zur Sprache gebracht hat. (Bundesrat Spanring: Das ist eine Erfindung von Haselsteiner!) Ihre Partei war jene Partei, die als Allererste Nigel Farage, und wie die EU-Zerstörer alle geheißen haben, gratuliert hat. (Zwischenruf des Bundesrates Schuster.) Am Tag nach der Brexitabstimmung war es Ihre Partei, die diesen Herrschaften in Großbritannien gratuliert und sie unterstützt hat. Bitte betreiben Sie keine Kindesweglegung! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der FPÖ.)
Ich will aber zuerst darauf eingehen, wie es überhaupt zu diesem Ergebnis bei der Brexitabstimmung kommen konnte. Was ist denn da ein paar Jahre zuvor passiert? – Viele, viele Jahre davor hat es auf europäischer Ebene begonnen, und zwar durch konservative Mehrheiten, die es in Nationalstaaten gegeben hat, die auf eine Politik gesetzt haben, die ganz klar von energischer Sparpolitik, von Schuldenbremsen und fehlenden Investitionen geprägt war. Die Säule der sozialen Union als gemeinsame Vision für ein besseres Europa wurde dabei leider völlig vergessen, sie ist völlig in Vergessenheit geraten.
Was ist entstanden? – Arbeitslosigkeit, teilweise in besorgniserregender und skandalöser Höhe, teilweise eine dramatische Jugendarbeitslosigkeit in vielen Regionen Europas. Was ist das für eine Botschaft an die Jugend, wenn diese frisch motiviert aus den Schulen und von der Uni kommt und wir sagen: Wir haben für dich keine Beschäftigung? – Viele brennende Vororte in manchen europäischen Städten zeigen, wo es geendet hat (Ruf bei der FPÖ: Meistens sozialistisch geführt!): Jobverlust in vielen Bereichen, das Wohnen ist empfindlich teurer geworden. Auf Deutsch gesagt: Die Menschen waren frustriert und angefressen und haben einfach kein Vertrauen mehr in das gemeinsame Europa gehabt.
In genau diesen Winkel habt ihr hineingestochen. Diese Stimmung haben Rechte, Konservative und Populisten genutzt, und zwar sowohl in Großbritannien als auch in anderen Mitgliedstaaten, die wir kennen. (Zwischenruf des Bundesrates Krusche.) Es ist auf Teufel komm raus gezündelt worden, falsche Versprechungen wurden getätigt. In England hat es geheißen, 350 Millionen Pfund fließen Woche für Woche ins Gesundheitssystem, wenn man aus der Europäischen Union aussteigt. Mir fällt da gerade die Patientenmilliarde ein, von der wir in Österreich gehört haben und an die auch kein Mensch glaubt. (Bundesrat Steiner: Wie der Ederer-Tausender?!)
Wo sind sie heute, diese ganzen Zündler auf europäischer Ebene? (Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von FPÖ und SPÖ.) Wo ist David Cameron, wo ist Boris Johnson, wo ist Nigel Farage? – Unsere Kollegin von den Grünen hat es ja treffend formuliert: Das gemeinsame Haus von Europa wurde angezündet und dann haben sie sich allesamt vom Acker gemacht. Die Gesellschaft ist gespalten zurückgeblieben, ist gegeneinander ausgespielt worden, und das alles auf dem Rücken der Bürgerinnen und Bürger, die leider Gottes vielen, vielen falschen Versprechungen aufgesessen sind.
Werden am 26. Mai 2019 bei der Wahl zum Europäischen Parlament jene Nationalisten gestärkt, die ein wenig abgekupfert America First oder Italien First – das sind alles eure Verwandten –, Ungarn First, Polen First propagieren, dann ist das Ende des gemeinsamen Europas eingeleitet. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Sieht man nur mehr die nationalistischen Interessen und rückt das gemeinsame große Ganze in den Hintergrund, ist Europa am Beginn vom Ende. (Bundesrat Steiner: Deswegen habt ihr ja den Schieder geschickt, der rettet das jetzt! Der Retter Europas!)
Wir wissen, wo das enden kann: Frankreich und Deutschland haben sich über Jahrhunderte hinweg gegenseitig die Köpfe eingeschlagen. (Bundesrätin Mühlwerth: Ihr seid die, die zündeln!) – Wollen wir dahin wirklich wieder zurück? Werden jene Nationalisten gestärkt, gibt es das gemeinsame Ganze in Europa nicht mehr. (Bundesrätin Mühlwerth: Ihr seid die, die zündeln!) Ob wir es wahrhaben wollen oder nicht, früher oder später wird es mit dem Frieden auf europäischem Boden auch vorbei sein. (Bundesrat Steiner: Mayakalender! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Meine Kollegin, Frau Doris Hahn, hat es schon gesagt, natürlich gibt es kein Rosinenpicken, das kann es nicht geben. Einen britischen Abgang – sich ewig zu verabschieden, aber trotzdem nie zu gehen, oder die Scheidung zu verlangen, trotzdem Kühlschrank, Tisch und Bett im gemeinsamen Haushalt haben zu wollen – kann es nicht geben.
Wir von der Sozialdemokratie sind nicht für einen Brexit und wir sind auch nicht für einen Öxit. Wir kämpfen in aller Geschlossenheit um eine erneuerte solidarische Europäische Union (Bundesrat Pisec: Leider gibt es die DDR nicht mehr!), die den Menschen und nicht den Konzernen dient. Wir kämpfen für eine echte Sozialunion. Wir in der Sozialdemokratie tun das mit voller Überzeugung.
Ich darf Sie einladen, sich diesem gemeinsamen Weg für ein gemeinsames solidarisches Europa, das für die vielen und nicht für die wenigen steht, anzuschließen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic.)
16.54
Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster hat sich Herr Bundesminister Mag. Gernot Blümel zu Wort gemeldet. Ich erteile es.