15.59

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Werter Herr Präsident! Werter Herr Kanz­ler! Liebe Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben die heutige Dringliche Anfrage deswegen eingebracht, weil sich unsere Republik Österreich derzeit in einer äußerst schwierigen Situation und heiklen Lage befindet, wie wir meinen. (Hei­terkeit bei der FPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Weil euch sonst nichts eingefallen ist!) Sie mögen das vielleicht witzig finden. (Bundesrat Rösch: Das ist nicht witzig, sondern lächerlich! – Bundesrat Steiner: Lächerlich!) Ich mache mir Sorgen um unsere Repu­blik Österreich und deren hohes Ansehen in der Welt. Ihr mögt darüber lachen und das witzig finden, ich mache mir darüber große Sorgen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bun­desrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

Selbst anerkannte hohe Spitzenvertreter jüdischer und antifaschistischer Organisatio­nen (Bundesrätin Mühlwerth: Antifaschistische Organisationen, aha!) sowie KZ-Über­lebende haben in einem offenen Brief Kanzler Sebastian Kurz zu einer konsequenten Haltung gegenüber rechtsextremen Tendenzen in dieser Regierung aufgefordert.

Der Verfassungsgerichtshof hat sich in mehreren Erkenntnissen ganz klar dazu geäu­ßert, dass die klare, eindeutige und kompromisslose Ablehnung aller Formen des Na­tionalsozialismus ein grundlegendes Merkmal der 1945 wiedererstandenen Republik sei. Umso besorgniserregender ist jetzt, dass es in den vergangenen Tagen eine Dis­kussion um eine politische Gruppierung gegeben hat – und immer noch gibt –, die die­sen Konsens, auf dem Österreich aufgebaut ist, nicht mitträgt. Und ihr findet das witzig! Es ist zutiefst erschreckend, dass es für eine Regierungspartei in Österreich nicht selbstverständlich ist, dass sie mit einer solchen Gruppierung nichts zu tun hat. Das ist nicht witzig, das ist traurig, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

Seit beinahe einem Jahr befasst sich im Nationalrat ein Untersuchungsausschuss mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, allerorts als BVT-Untersuchungsausschuss bekannt. Dieser hat im Nachhinein festgestellt, dass es unter anderem eine rechtswidrige Hausdurchsuchung gegeben hat, von der insbeson­dere das Extremismusreferat betroffen war. Dabei wurden auch Unterlagen mitgenom­men und entwendet (Bundesrätin Mühlwerth: Das wurde alles widerlegt!), die den Zu­sammenhang einer Regierungspartei mit den sogenannten Identitären betreffen. (Bun­desrätin Mühlwerth: Ach!) Geheimdokumente, Ermittlungsergebnisse über Sellners Kontakte zur Freiheitlichen Partei wurden bei dieser illegalen Razzia im BVT mitge­nommen.

Diese Hausdurchsuchung war illegal, das wissen wir jetzt auch. Diese Hausdurchsu­chung wurde überdies, wie wir wissen, nicht wie üblich von der Einheit Cobra durch­geführt, sondern es kam eine nicht zuständige Polizeigruppe zum Einsatz, die soge­nannte Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität. Und man höre und staune: Geleitet wird diese Einsatzgruppe von einem FPÖ-Gemeinderat. (Bundesrat Samt: Na, wie schlimm! – Bundesrat Steiner: Haben die Berufsverbot?) Spätestens jetzt wissen wir aber, warum diese nicht zuständige Polizeieinheit bei dieser illegalen Razzia, bei der eine andere Polizeieinheit gestürmt wurde, zum Einsatz kam. Sehr praktisch! Der freiheitliche Gemeinderat entwendet bei dieser Hausdurchsuchung die Ermittlungsakte über Sellners Kontakte zu den Freiheitlichen. Sehr praktisch! Und das in Österreich!

Die Leiterin des Extremismusreferats war zu keinem einzigen Zeitpunkt Beschuldigte im sogenannten BVT-Verfahren. Trotzdem wurde ihr Büro durchsucht, alle ihre Unter­lagen wurden durchwühlt. Sie gilt als besonders engagierte Ermittlerin im Bereich Rechts­extremismus. Sie war es, die einen besorgniserregenden Bericht über den sogenann­ten Kongress der Verteidiger Europas schrieb. Wie wir mittlerweile alle wissen, hat an diesem Kongress der damalige Generalsekretär der FPÖ und jetzige Innenminister teil­genommen. In seiner Rede bezeichnete er das einschlägige Publikum dort als Gleich­gesinnte – als Gleichgesinnte! Er sprach wörtlich von einem Publikum, wie es ihm ge­falle. (Bundesrat Schennach: Oh!) Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes beobachtete diese Veranstaltung mit großer Sorge und beurteilte sie als rechtsextrem. Nicht umsonst wurde dieser Kongress auch vom Verfassungsschutz be­obachtet. (Bundesrätin Mühlwerth: Aber eben nicht verboten!)

Was bedeutet das also? – Jene Behörde, die dafür da ist, uns alle vor extremistischen Tätern zu schützen – egal ob von rechts oder von links, Extremismus ist immer abzu­lehnen –, wurde im Zuge einer rechtswidrigen, illegalen Hausdurchsuchung durch­sucht, die von einem Parteifreund geleitet wurde, über den diese Behörde bis vor Kur­zem noch Berichte verfasst hat. Alle Ermittlungsunterlagen über alte Lieder singende und trällernde, zerfurchte Burschenschafter und Rechtsextreme und so weiter und so weiter hat dieser Parteifreund mitgenommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt aber noch einen anderen Aspekt, der im Zu­sammenhang mit dem BVT und der momentanen Situation Österreichs für uns alle von großem Interesse sein muss. In den vergangenen Tagen haben wir leider erfahren, wie groß die Isolation des BVT, des österreichischen Geheimdienstes, und damit Öster­reichs im Netzwerk der international befreundeten Partnerdienste ist. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist genauso falsch!) Der Kollege findet das wieder witzig. Der nieder­ländische Geheimdienst stellte die Zusammenarbeit mit dem österreichischen Geheim­dienst ein. Unsere österreichischen Geheimdienste sind vom sogenannten Berner Club ausgeschlossen. Die anderen befreundeten Geheimdienste misstrauen unserer öster­reichischen Bundesregierung, und die Sicherheit von Österreich leidet darunter – und die Kollegen finden das allesamt witzig. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller. – Widerspruch bei der FPÖ.)

Aufgrund der Nähe der Freiheitlichen Partei zu Putin und dessen Partei steht Öster­reich in diesem Bereich international völlig isoliert da.

Wenn es erst jetzt, scheinbar ganz zufällig, 32 Hausdurchsuchungen mit einem Jahr Verzögerung ohne auch nur eine einzige Festnahme, dafür aber mit großer, ganz groß angelegter medialer Berichterstattung und Begleitung gegeben hat, dann kann ich hier nur eines feststellen: Es gibt keine Zufälle! Und ich kann nur eines fragen: Für wie naiv und ahnungslos haltet ihr die Österreicherinnen und Österreicher, dass ihr glaubt, dass das nicht durchschaut wird? Diese Hausdurchsuchungen waren nichts anderes als ein Schmierentheater und weiteres Ablenkungsmanöver.

Die Sorge um Österreichs politische Ausrichtung wird auch international zur Sprache gebracht. Es waren Ihre Parteifreunde aus Deutschland und England, die sich zuletzt geäußert haben. Es war ein konservativer Politiker, der sagte: Mit Faschisten treffe ich mich nicht! – Und recht hat er! (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

Doch es geht nicht nur um das Innenministerium. Die personelle Verflechtung mit den Identitären besteht auch in vielen anderen Ressorts, die von Politikern der Freiheitli­chen Partei geleitet werden, auch in vielen freiheitlichen Landesgruppen. Unser Vize­präsident war heute mit vielen Steirerinnen und Steirern am Rathausplatz, die Steier­mark präsentiert sich derzeit in der Bundeshauptstadt. Die Freiheitliche Partei in der Steiermark hat im gegenständlichen Zusammenhang jedoch keine gute Präsentation, sondern einen sehr, sehr negativen Stellenwert.

Da gibt es einen freiheitlichen Vizebürgermeister in Graz, der zweitgrößten Stadt Ös­terreichs. Der meinte bis vor Kurzem noch: Bei den Identitären mitzutun steht nicht im Widerspruch zu unserem Parteistatut. – Euer Vizebürgermeister! Er stellt damit ganz klar seine Begeisterung für diese rechtsextreme Truppe zur Schau. Nur äußerst wider­willig und nur nach ganz, ganz großem medialen und politischen Druck distanziert er sich viel zu spät davon, um den drohenden Koalitionsbruch zu verhindern. Wer’s glaubt, wird selig! Vermutlich war ihm dann zu guter Letzt das Gehalt als Vizebürger­meister doch wichtiger als seine rechtsextremen Freunde.

Die Liste lässt sich noch fortsetzen: Büroräume werden an Rechtsextreme vermietet. Da wird lustig und flott eine rechtsextreme Zeitschrift von einem freiheitlichen Gemein­derat betrieben. Da marschierte der Dritte Landtagspräsident Gerhard Kurzmann frisch und fröhlich bei einer Demo der Identitären und Rechtsextremen mit. Da gibt es Iden­titäre, die für die Freiheitlichen bei Wahlen mitarbeiten und als Wahlhelfer fungieren. – Da helfen eure zu spät erfolgten Abgrenzungsankündigungen überhaupt nicht, die Verflechtungen bestehen bereits. Man hat sich eine rechtsextreme Braut angelacht, jetzt möchte man sie verstecken und rasch loswerden, aber die Verwandtschaft hat sich schon vermischt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Freiheitlichen Partei, ich frage Sie: Wie wollen Sie bei dem Mixgetränk Spezi das Cola vom Fanta trennen? Das wird Ihnen nicht gelingen! (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

Mit der Anhäufung von direkten Kontakten und zu engen Verbindungen ist nicht nur, aber auch die FPÖ Steiermark im Vergleich zu allen anderen Landesgruppen extrem negativ aufgefallen. Da machen sich sogar schon viele ehemalige steirische Spitzen­funktionäre der Freiheitlichen Partei große Sorgen: Vor knapp 30 Jahren habe ich ver­sucht, der steirischen FPÖ eine andere, liberalere Richtung zu geben, und bin geschei­tert; dass es ideologisch so schlimm ist und wird, hätte ich mir damals nicht träumen lassen. – So der ehemalige freiheitliche Klubobmann und Dritte Landtagspräsident Ludwig Rader; der wird Ihnen wohl ein Begriff sein.

Während sich viele ehemalige freiheitliche Spitzenfunktionäre große Sorgen über die blaubraune Vermischung in der Steiermark machen, geht der jetzige Landesobmann und Minister Kunasek im Schützenpanzer auf Tauchstation und schweigt dazu – kein einziges Wort zu diesen Machenschaften in der FPÖ Steiermark! Mehr noch: Als ob dies nicht schon genug wäre, machte er für die Identitären und Rechtsextremen das Tor zu unserem österreichischen Bundesheer auf. Erst als dies öffentlich und dem Koalitionspartner zu heiß wurde, hat er im Eilverfahren die Aufhebung des sogenann­ten Sperrvermerks für Identitäre wieder rückgängig gemacht. Es gibt viele weitere Bei­spiele in Landesgruppen, etwa Kollegen Landbauer in Niederösterreich; ich könnte das noch lange weiter fortsetzen.

Ein Teil unserer Anfrage widmet sich dem Problem, wie mit Bediensteten in den Res­sorts, insbesondere in den Kabinetten, umgegangen wird und Identitäre dort ausge­schlossen werden können. Wir erwarten uns klare Antworten, Herr Bundeskanzler. Der Präsident des Nationalrates, Wolfgang Sobotka, hat auf dieses Problem bereits re­agiert und klargestellt, dass da für Parlamentsbedienstete eine ganz klare Trennlinie gezogen werden wird. Dies erwarten wir auch von der Bundesregierung in ihrer Ge­samtheit und in all ihren Kabinetten.

Als würde diese besorgniserregende Entwicklung im Inland und für die Sicherheit Ös­terreichs nicht schon längst reichen, müssen wir auch im Rahmen der Europawahl Ak­tivitäten der Freiheitlichen Partei feststellen, die im selben Ausmaß besorgniserregend sind. Schon seit längerer Zeit versucht der freiheitliche Spitzenkandidat bei den Euro­pawahlen, Harald Vilimsky, Allianzen zur Schaffung einer rechten Fraktion im Europa­parlament herzustellen. (Bundesrätin Mühlwerth: Na und? – Bundesrat Steiner: Gott sei Dank!) Um welche Parteien handelt es sich dabei? – Es sind jedenfalls Parteien, mit denen ich und wir Sozialdemokraten keinerlei politische Kontakte haben möchten. (Bundesrätin Mühlwerth: Erstaunlich, erstaunlich!) Es handelt sich um die AfD (Bun­desrätin Mühlwerth: Genau!), es handelt sich um die Lega (Bundesrat Samt: Richtig!), es handelt sich um den Front National (Bundesrat Samt: Richtig!) und um weit rechts­extremere Parteien aus dem Norden Europas wie die Wahren Finnen und die Schwe­dendemokraten. – Liebe FPÖ, im Vergleich dazu, wie rechtsextrem eure Wunsch­partner sind, seid ihr geradezu Teddybären, zumindest die meisten von euch! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Mir graut davor (Bundesrätin Mühlwerth: Mir auch!), wenn ich mir vorstellen muss, dass die Hälfte der österreichischen Bundesregierung eine Politik ver­tritt, die diese Parteien anstreben, nämlich eine Schwächung bis hin zur Zerstörung der Europäischen Union. (Bundesrat Steiner: Jetzt reicht’s aber!) Dazu kommen noch das Infragestellen von Grund- und Menschenrechten und eine latente Ausländerfeindlich­keit.

Herr Bundeskanzler! Diese Entwicklung ist untragbar und schadet dem internationalen Ansehen Österreichs massiv. Wundern Sie sich dann nicht und tun Sie nicht über­rascht: Wie kann es das geben? Mein Koalitionspartner kooperiert mit Rechtsextremen und steckt mit gewaltbereiten Gruppen unter einer Decke. Wie kann es das nur geben? Wie konnte ich das nur übersehen? – Sie konnten es nicht sehen, weil Sie Ihre Augen verschlossen und bewusst weggesehen haben. Machen Sie jetzt Ihre Augen auf, Herr Bundeskanzler! Schwächen Sie die dargestellten Sachverhalte nicht bloß als Teil des Wahlkampfgetöses ab! Bei solchen Bündnissen, die ja für die Zukunft geschlossen werden, stellt sich vielmehr schon die Frage, ob Sie als Bundeskanzler die politische Entwicklung der einen Hälfte Ihrer Bundesregierung in eine solche rechtsextreme Polit­haltung einfach so zur Kenntnis nehmen wollen und dazu schweigen können. (Bun­desrat Steiner: Rechtsextrem ist die Bundesregierung?!)

Herr Bundeskanzler, die Republik Österreich, der Sie vorstehen, basiert auf einem Ver­sprechen: Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg! Nie wieder vergessen, dass alle Menschen – egal, welche Hautfarbe, welche Religion und welches Geschlecht – die­selben Rechte haben und gleich viel wert sind. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundes­rätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

Herr Bundeskanzler, ich hoffe, dass Sie Ihre Verantwortung wahrnehmen, ich hoffe, dass Sie wissen, was Sie tun. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

16.17

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zur Beantwortung der Anfrage hat sich der Herr Bundeskanzler zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.