9.13

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Geschätzte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Beteiligung, Begegnung, Befähigung, habe ich gelesen, sind die Schlüsselwörter der neuen EU-Jugendstrategie. – Das ist natürlich großartig, denn es steckt in jedem einzelnen Begriff sehr viel drin, das man für Österreich gut aufgreifen könnte.

Noch etwas gefällt mir: Jugendpolitik ist Querschnittsmaterie – meine Vorrednerin hat es schon erwähnt –, alle Ressorts und Themenbereiche betreffen an irgendeiner Stelle auch die jungen Menschen, spätestens dann, wenn es um Zukunftsfragen geht. Dass ein Jugendressort die anderen Ministerien braucht und da eine koordinierende Rolle innehat, liegt auf der Hand, und gut, dass es hier ein Commitment zu geben scheint und da ressortübergreifend gearbeitet werden soll.

Und noch ein drittes Lob: Jugendbeteiligung wurde in den letzten Jahren in Öster­reich – auch maßgeblich durch die Bundesjugendvertretung, aber in Zusammenarbeit mit der Jugendabteilung – umgesetzt, und da wurde durchaus viel in neue Beteili­gungsformate investiert, da wurden Dialogforen abgehalten, es wurde eine Landkarte zu Mitbestimmungsprozessen erstellt und vieles mehr.

Man kann sehr deutlich sehen, dass es sehr, sehr viele engagierte MitarbeiterInnen im Ministerium, aber auch in den Landesjugendreferaten, vor allem auch vor Ort in der offenen und in der verbandlichen Kinder- und Jugendarbeit gibt, die permanent ver­suchen, ihre Angebote nach den Bedürfnissen und Wünschen der jungen Menschen auszurichten – das wechselt, das haben wir auch schon gehört, da gilt es immer wieder neue Dinge auszuprobieren –, und die das Ziel haben, diese jungen Menschen zu ermutigen und zu befähigen, ihren Weg zu gehen. Darauf können wir stolz sein, darauf kann diese Szene stolz sein, da haben wir in Österreich wirklich ein tolles Potenzial.

Vielleicht ein Best-Practice-Beispiel aus meinem Bundesland, dem Bundesland Wien, zum Thema Beteiligung: Derzeit läuft gerade ein Projekt, das sich Werkstadt Junges Wien nennt. Das ist das größte Beteiligungsprojekt, das diese Republik jemals gese­hen hat. Es haben bislang – und der Prozess ist noch nicht abgeschlossen – 10 000 Kin­der und Jugendliche daran teilgenommen und innerhalb von drei Monaten über tausend Gruppierungen, das heißt über tausend Schulklassen, Kindergartengruppen, Jugend­zentren, verbandliche Organisationen, und alle haben sich Gedanken gemacht: Wie wollen wir diese Stadt noch verbessern? Wie kann sie noch kinder- und jugend­freundlicher werden?

All diese Ergebnisse werden gesammelt und werden den Magistratsabteilungen zur weiteren Bearbeitung zugespielt. Es soll eine Kinder- und Jugendstrategie für diese Stadt entstehen und darauf sind wir zu Recht, denke ich, sehr, sehr stolz, und das kann ein Beispiel für viele andere Bundesländer sein. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Ecker.)

Im Ministerratsvortrag zur Jugendstrategie lese ich den Satz: „Vorrangiges Ziel der österreichischen Jugendpolitik sind das Wohlergehen der Jugend und die Sicherung der Zukunftschancen.“ – Da stellt sich jetzt natürlich die Frage: Was genau ist damit gemeint, wann kommen die entsprechenden Maßnahmen und wie ernst wird das auch betrieben? Ich habe nämlich vor allem mit jungen Menschen zu tun, die nicht das Glück haben, dass ihnen von Haus aus alle Türen offen stehen, die nicht die soziale Kompetenz mitbekommen haben, sich in Beteiligungsprojekten zu engagieren, und die vor allem mit existenziellen Sorgen konfrontiert sind, die ihnen zu viel Energie rauben, um sich gestalterisch und beteiligend in die Gesellschaft einbringen zu können. Das ist natürlich furchtbar schade, weil die Beteiligung ja nur eine der drei Säulen der Kinder- und Jugendrechtskonvention ist, und diese Konvention gilt ja bekanntlich bis 18 Jahre, also auch für Jugendliche.

Es gibt eben neben dieser Beteiligung auch noch die Säule des Schutzes und die Säule der Versorgung von jungen Menschen. In diesem Zusammenhang, Frau Minis­terin, läuten in unserer Republik momentan schon die Alarmglocken, denn seit Ihrem Regierungsantritt passieren Dinge, die eben genau für diese Jugendlichen, von denen ich spreche, die Sorgen vergrößern und ihre Zukunftschancen verringern. Das muss ich hier ansprechen, denn man kann nicht die Beteiligung loben und von einer Jugend­strategie reden, wenn gleichzeitig die existenziellen Bedürfnisse für diese jungen Menschen so prekär werden.

Ich denke dabei beispielsweise an die Reduktion der überbetrieblichen Lehrwerkstätten genau für diese Jugendlichen, die Infragestellung der Jugendvertrauensräte als eine Beteiligungsmöglichkeit genau für diese jungen Menschen, die Abschiebung von Jugendlichen in Lehre, in Mangelberufen – da wird der Protest zum Glück auch aus Ihren Reihen immer unüberhörbarer –, die Kürzung der Mindestsicherung, die auch junge Menschen trifft und ihnen Teilhabe verunmöglicht. Und für den Fall, dass wir heute möglicherweise wieder hören, dass der Familienbonus ein Erfolg ist: Genau diese Jugendlichen, von denen ich spreche, und ihre Familien profitieren davon nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich weiß schon, nicht alle diese Themen betreffen primär Ihr Ressort, Frau Ministerin, aber Sie haben es selbst im Ministerratsvortrag richtig gesagt: Jugendpolitik ist eine Querschnittsmaterie!, und ich würde mir von einer Jugendministerin erwarten, dass sie sich schützend vor alle Jugendlichen stellt und stopp sagt, wenn deren Lebenssituation verschlechtert wird.

Für die Zielgruppe, für die Sie Politik machen, mag das alles fein sein – man fördert eine Elite –, aber für alle anderen bringt das keine Verbesserung. Im Gegenteil!

Sie haben sich vorgenommen, mit jedem Ressort ein Jugendziel zu definieren, und auf der Grundlage meiner bisherigen Kritik hätte ich ein paar Vorschläge, wie solche Ziele ausschauen könnten:

Wir bräuchten ganz dringend eine Jugendstrategie zur Bekämpfung der Jugendarmut – mit dem Sozialministerium.

Wir bräuchten ganz dringend eine Jugendstrategie zur Chancengleichheit im Bildungs­system – mit dem Bildungsministerium.

Wir bräuchten ganz dringend eine Jugendstrategie zur beherzten Bekanntmachung und Umsetzung der Kinderrechte in Österreich – mit dem Bundeskanzleramt.

Wir bräuchten dringend eine Jugendstrategie zur Verkehrssicherheit junger Men­schen – mit dem Verkehrsministerium.

Wir bräuchten eine Jugendstrategie zur Absicherung und Integration von Flüchtlings­kindern – mit dem Innenministerium.

Wir bräuchten eine Kinder- und Jugendstrategie zur Sicherung der Lebensgrundlage für alle Menschen und zum Stopp des Klimawandels – mit dem Nachhaltig­keits­ministerium. (Bundesrat Steiner: Da sieht man, was wir alles aufzuholen haben!)

Und so könnte das für jedes Ministerium, in dem wir in diesem Bereich Ziele brauchen, weitergehen. Impulse dafür könnten vom Familien- und Jugendministerium ausgehen. Eine Jugendministerin könnte hierzu Akzente setzen, die tatsächlich allen Jugend­lichen zugutekommen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

9.20

Präsident Ingo Appé: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Rosa Ecker. Ich erteile ihr dieses.