13.12

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein: Herr Präsident! Werter Bundesrat! Werte Frau Abge­ordnete Schumann! Ich möchte gleich zu Beginn diese Unwahrheiten, die Sie hier erzählen und ausführen, aufs Schärfste zurückweisen. Ja, es geht um die Menschen, das ist vollkommen richtig, aber es geht auch um eine faire Sozialpolitik, um die Hilfe für jene, die wirklich Hilfe brauchen. (Bundesrätin Hahn: Leider nicht für alle!) Es sind keine Almosen. Es geht weder um Missbrauch noch um Sozialtourismus, sondern um eine gerechte und sinnvolle Hilfe für all jene Menschen, die unverschuldet in eine schwierige Lage kommen.

Diese Bundesregierung bekennt sich zum Sozialstaat, bekennt sich selbstverständlich zum sozialen Frieden. Es ist dort Hilfe zu leisten, wo die Menschen sie wirklich nötig haben: bei Menschen, die jahrelang gearbeitet haben und plötzlich vor dem Aus stehen (Bundesrätin Hahn: ...Mindeststandards!); bei Menschen, denen eine Krankheit übel mitgespielt hat und die nun hart um die Zukunft kämpfen; bei Menschen, die wirtschaftlich hingefallen sind. Wir reichen ihnen die Hand, nämlich ganz gezielt jenen, die sie brauchen und auch ergreifen wollen.

Wir tun das nicht, um ein paar vermeintlich milde Gaben zu verteilen und den bedau­erlichen Zustand zu verlängern (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann), nein, wir tun das, um diesen Menschen eine Chance zu geben, nämlich eine Chance für eine bessere Zukunft. Aus diesem Ziel leiten sich unsere drei Schwerpunkte, die ich Ihnen kurz darlegen möchte, ab.

Erstens: Es geht um eine soziale Absicherung und nicht um Almosen. So können zum Beispiel dauerhaft erwerbsunfähigen Personen Leistungen unbefristet gewährt werden. Sie können damit bessergestellt werden als andere Sozialhilfebezieher. Wir werden bedürftige Menschen nicht, wie es sonst manchmal passiert, hintansetzen. Wir werden sie absichern (Bundesrätin Schumann: Und 537 Euro ...!) und ermutigen, ihre Zeit vielleicht auch für Besseres zu nützen, nämlich für Weiterbildung als Grundstein ihrer Zukunft oder für die Suche nach einer Arbeit oder für ihre Freunde und ihre Familie, die sie dringend brauchen.

Zweitens: Positive Anreize stehen dabei sehr im Vordergrund, nicht Sanktionen. Aus diesem Grund wollen wir Menschen, die arbeiten oder bereits jahrelang gearbeitet haben, finanziell besserstellen als andere, die das nicht tun oder getan haben. Miss­brauch kann auch durch zu verschiedene Regeln ohne gemeinsame Basis entstehen. Umso erfreulicher ist es, dass uns erstmals in der Geschichte ein Grundsatzgesetz des Bundes gelingt (Ruf bei der SPÖ: In verschiedenen Varianten!), nach erfolglosen Anläufen in den 1960er-Jahren. Dieses Gesetz harmonisiert nämlich alle wesentlichen Prinzipien in diesem Bereich.

Die Vorteile eines Grundsatzgesetzes liegen auf der Hand. Einerseits schafft das Grundsatzgesetz einen verbindlichen Rahmen für alle Bundesländer, und dort, wo ein Grundsatzgesetz gar keine Vorgaben trifft, können die Länder selbstverständlich völlig frei ihre Regelungen treffen. (Bundesrätin Schumann: Können sie nicht, das ist gedeckelt! Es gibt eine Obergrenze! Das stimmt ja nicht!) Das heißt, es ist ein sicheres Fundament. Andererseits werden die Länder aber auch innerhalb des Rahmens dieses Grundsatzgesetzes Spielräume für ihre sozialpolitischen Schwerpunkte haben, damit nicht zuletzt ihre verfassungsmäßig gewährleisteten Rechte gewahrt bleiben.

Ich glaube, dass bei der Frage, welche Optionen die Länder hier haben, noch etwas Unklarheit herrscht, sonst würden sie nicht solche Unwahrheiten behaupten. (Bundesrätin Schumann: Wir tun keine Unwahrheiten behaupten! Das steht im Gesetz!) Das hat übrigens auch die eine oder andere Stellungnahme gezeigt, die uns im Rahmen eines Begutachtungsverfahrens erreicht hat. Lassen Sie mich die Situation daher anhand von Beispielen erklären!

Das Gesetz sieht neben verbindlichen Vorgaben wie zum Beispiel Höchstgrenzen auch Kannbestimmungen vor, also freie und eigenverantwortlich auszugestaltende Wahl­möglichkeiten für die Bundesländer. Diese Wahlmöglichkeiten gestatten den Ländern gleichzeitig zum Beispiel auch ein Abfedern von Härten oder die Berücksichtigung der Bedürfnisse von ganz besonders schützenswerten Personengruppen. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Das sind zum Beispiel Menschen mit Behinderung und Menschen mit Betreuungspflichten gegenüber Kindern oder pflegenden Angehörigen. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Grimling.)

So haben die Länder beispielsweise folgende Möglichkeiten: Sie können die Decke­lung der Geldleistungen so ausgestalten, dass besonders schutzbedürftige Menschen überhaupt ausgenommen sind. Sie können regional höhere Wohnkosten mit zusätz­lichen Sachleistungen abdecken. Sie können Zuschläge für Alleinerziehende ausbe­zahlen, zum Beispiel beim ersten Kind bis zu 106 Euro. Sie können bei der Versorgung durch Sachleistungen entscheiden, in welcher Form sie diese erbringen wollen, also ob sie Wohnkosten direkt an den Vermieter oder Wohnungen zur Verfügung stellen.

Wir denken auch an jene Menschen, die mit der regulären Sozialhilfe nicht mehr das Auslangen gefunden haben. Für sie haben wir diese Härteklausel verankert. Diese ermöglicht es den Ländern, auch außerordentlichen Unterstützungsbedarf für Lebens­unterhalt und in Bereichen des Wohnens abzudecken. Dass es hier Einzelfallrege­lungen geben kann, war uns sehr, sehr wichtig. Deshalb wird es auch trotz Deckelung der Geldleistung im Mehrpersonenhaushalt möglich sein, zusätzliche Sachleistungen zum Wohnen zu gewähren.

Allein dieser kurze Einblick zeigt, dass das Grundsatzgesetz insgesamt viel mehr Spielräume gewährt, als das Ihre kritischen Stimmen eingestehen wollen.

Der dritte Punkt, Sozialtourismus: Wir alle sind vor allem jenen Menschen in Österreich verpflichtet, die bereits jahrelang Beiträge für Österreich und unser Sozialsystem geleistet haben. (Ruf bei der SPÖ: Sauerei!) Es macht keinen Sinn, durch attraktive Sozialleistungen unser Land für Einwanderer, die womöglich gar nicht arbeiten wollen, attraktiv zu machen. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bun­desrätin Gruber-Pruner: Unterstellung!) Ganz im Gegenteil, es macht Sinn, für leis­tungswillige Menschen attraktiv zu sein, die dann aber in einer Notlage von ihren bisherigen Leistungen und Beiträgen voll profitieren können. Das ist sinnvoll und gerecht, meine Damen und Herren, und für Missbrauch gibt es keinen Platz! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Es kommt für uns nicht infrage, volle Leistungen ohne Wenn und Aber für neu Zuge­wanderte zu gewährleisten. Nach unserem Modell sollen neu zugewanderte Menschen künftig einen stärkeren Beitrag zur Integration in die österreichische Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt leisten. Aus diesen Gründen sollen die vollen Leistungen nur jenen zustehen, die einen notwendigen Beitrag für unser gemeinsames Sozialsystem geleis­tet haben. (Bundesrätin Gruber-Pruner: Sozialer Frieden!) Die reduzierte Leistung schafft den notwendigen Anreiz dafür, die notwendigen Kriterien für einen Arbeits­qualifizierungsbonus zu erfüllen, und natürlich auch dafür, sich ausreichende Deutsch­kenntnisse anzueignen.

Wir haben uns mit der neuen Sozialhilfe und ihren vielen Teilaspekten in den letzten Monaten sehr genau befasst. Es gab ein sechswöchiges Begutachtungsverfahren mit reger Beteiligung – es sind 150 Stellungnahmen eingegangen – und wir haben manchen Punkten noch einen Feinschliff verpasst. So ist zum Beispiel ein Zuschlag für Menschen mit Behinderung jetzt verpflichtend zu gewähren.

Zweitens: Die Angehörigen, die Demenzkranke oder Minderjährige - - (Zwischenrufe der BundesrätInnen Beer und Hahn.) – Ich weiß nicht, was Sie daran stört, dass wir so etwas verpflichtend für Behinderte machen. Wollen Sie die Behinderten nicht besser­stellen? Also ich bin wirklich enttäuscht von Ihrem Verhalten!

Angehörige, die Demenzkranke oder minderjährige Familienmitglieder pflegen, sind nun ebenfalls besser abgesichert. Spenden jeglicher Art sollen nicht angerechnet werden. Darunter fallen neben freiwilligen Geldleistungen auch Sachleistungen, und Zuschüsse für Heizkosten werden weiterhin auch als Geldleistung gewährt werden. (Bundesrätin Grimling: ..., dass man einen Wirbel macht!)

Die Zuschläge für Alleinerziehende und Menschen mit Behinderung sind geregelt, ebenso die Erhöhung und Ausdehnung des Vermögensbeitrages, der längere Schutz von selbst bewohnten eigenen Immobilien; die Schonfrist ist von sechs Monaten auf drei Jahre verlängert worden.

Zusammenfassend: Ich freue mich, dass wir dieses so wichtige Vorhaben gemeinsam mit dem Koalitionspartner auf den Weg bringen konnten, und ich gehe davon aus, dass nun auch die Länder ihren Beitrag zu einer bundesweiten harmonisierten Regelung leisten werden. Es bringt letztendlich Fairness für Staatsbürger, Fairness für Erwerbs­tätige und Hilfe für jene, die wirklich Hilfe brauchen. (Beifall bei der FPÖ und bei Bun­desrätInnen der ÖVP.)

13.21

Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser zu Wort. – Bitte.