15.43

Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Geschätztes Präsidium! Herr Finanzminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Als das Pflegegeld 1993 erfreulicherweise eingeführt wurde, gab es zu Beginn circa 230 000 Bezieherinnen und Bezieher. Im Mai dieses Jahres waren es bereits 463 000 Bezieherinnen und Bezieher, also ziemlich genau doppelt so viele wie zum Zeitpunkt der Einführung.

Wir wissen aus allen Statistiken, dass sich diese Zahl aufgrund der erfreulichen Tat­sache, dass die Bevölkerung in Österreich durch die gesunde Lebensweise und die gute Luft – und all das, was wir eben haben – entsprechend älter wird, in den nächsten Jahren klarerweise weiter erhöhen wird, wobei das Pflegegeld keine Altersgrenze kennt.

Pflegebedürftige werden ja großteils im Kreise der Familie gepflegt. Daheim statt Heim ist also nicht nur ein Schlagwort, sondern eben auch eine sehr wichtige und lebendige Form der Betreuung, damit sich die Personen zu Hause besonders wohlfühlen können. Ich möchte das auch anhand eines persönlichen Beispiels kurz darstellen.

Ihr wisst, ich habe es schon einmal gesagt, ich komme aus der größten Stadt Öster­reichs, aus Graz, denn Wien ist ja immerhin auch ein Bundesland und nebenbei eine Stadt. Von unseren 300 000 Einwohnerinnen und Einwohnern, die wir haben, sind laut gestrigem Stand 29 Personen über 100 Jahre – in diesem Fall kann man es schon sagen – alt. Wir haben also eine große Anzahl alter Menschen. Diese Personen werden von Bürgermeister Siegfried Nagl persönlich besucht und ich bin als Senioren­obmann auch mit dabei.

Wir hatten die Möglichkeit, mit dem einzigen Herrn, der das Alter von 100 Jahren über­schritten hat, sonst sind es nur Damen, nicht nur Small Talk zu führen, sondern wir haben ihn natürlich auch gefragt, wie er sich persönlich fühlt, wie er sein Umfeld sieht und so weiter. Dieser geistig und auch körperlich noch sehr lebendige 102-Jährige hat gesagt: Schauen Sie, es ist halt so, mein Bua ist jetzt 83, der ist eigentlich auch noch ganz gut beieinander, das Dirndl ist 79 – ich verwende die Worte, die er gebraucht hat, das ist keine Geringschätzung meinerseits –, und die schauen halt mitunter auch, dass es mir gut geht.

Auf die Frage nach der Pflegegeldeinstufung sagte er: Ja, ich habe auch ein paar Stufen, ich weiß jetzt nicht genau, wie viele, ich müsste nachschauen, aber der Bua weiß das viel besser, der hat ja auch schon die Stufe 1. Die weitere Konversation ergab natürlich auch das eine wie das andere, ich habe gefragt, wie es bei den Enkerln ausschaut, und er hat gesagt: Ja die sind um die 60, aber die sind noch ganz frisch und sind noch im Berufsleben und denken bei Weitem noch nicht an Pflegegeld. – Ich möchte mit diesem Beispiel zeigen und mitteilen, wie wichtig es ist, dass dieses Pflegegeld so eingesetzt wird, dass es wirklich Nutzen bringt.

Die jährliche Inflationsanpassung des Pflegegeldes – und jetzt zum Thema – ist ein wichtiges Signal der Wertschätzung für die zu pflegenden Menschen und deren Angehörige. Es ist nach der höheren Mindestpension ein weiterer Schritt zur Entlas­tung der älteren Generation und wurde immerhin – und das ist ein wesentlicher Punkt – von der Regierung unter Bundeskanzler Sebastian Kurz initiiert. Das gesetzte Ziel war damals wie auch heute, die Mehraufwendungen durch den erhöhten Pflegebedarf – es entsteht natürlich ein größerer Pflegebedarf – zu decken und damit ein möglichst selbstständiges Leben und Disponieren über das eigene Lebensumfeld zu gewähr­leisten. Beim Aspekt des Pflegegeldes ist also durchaus der Grundsatz der Entschei­dungsfreiheit für den Pflegebedürftigen ganz stark im Vordergrund.

Faktum ist, dass seit der Einführung des Pflegegeldes natürlich auch in vielen anderen Bereichen in die Pflege investiert wurde. Gemeinden, Sozialhilfeverbände, Länder und auch der Bund haben in vielen Bereichen investiert, um Pflegeleistungen vermehrt anzubieten. Es wurden nicht nur stationäre Einrichtungen, sondern zum Beispiel auch alternative Wohnformen und auch die mobilen Dienste auf die Beine gestellt. Wie gesagt – noch einmal –: Daheim statt Heim steht im Vordergrund, aber alle anderen Möglichkeiten, die es ja nicht überall so gibt, sind da gegeben.

Die österreichische Situation im Pflegebereich lässt sich sehr gut mit der in der Bun­desrepublik Deutschland vergleichen, dort gibt es nämlich eine ähnliche Demografie, eine ähnliche soziale und familiäre Struktur sowie auch eine stark alternde, aber frische Bevölkerung. In Deutschland wurde auch ein Pflegesystem eingeführt, allerdings nicht mit sieben Stufen, wie wir sie haben, sondern mit fünf. Bei uns ist es bekannterweise so, dass man in der ersten Stufe 157 Euro erhält, das geht hinauf bis zur siebenten Stufe, wo es immerhin fast 1 700 Euro pro Monat gibt.

In Deutschland ist es, wie gesagt, anders. Es gibt fünf Pflegestufen, wobei in der ersten Stufe kein Geld ausbezahlt wird, dafür bekommt man eine halbjährliche Pflege­bera­tung. Das kostet natürlich auch etwas, aber es gibt keine monetäre Weiterleitung. Bei der fünften Stufe, also bei der höchsten Stufe, bekommt man in Deutschland 901 Euro. Was in Deutschland noch anders ist: Dort beziehen nur 2,6 Prozent der Bevölkerung, also dieser immerhin 80 Millionen Einwohner, Pflegegeld. In Österreich sind es doppelt so viele, nämlich 5,2 Prozent. Das zeigt, dass sich Österreich mit diesem Pflege­geld­system weltweit messen kann und wir auf jeden Fall zu jenen gehören, die für die Pflegebedürftigen am meisten finanzielle Mittel in die Hand nehmen und für die Selbst­versorgung, für die Eigenverantwortung Pflegegeld gewähren.

Das soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir trotzdem an einem umfassenden Pflegekonzept weiterarbeiten müssen, denn ein Pflaster heilt noch keine Wunden. Das Pflegegeld ist die eine Sache, ich möchte aber auch noch kurz die weiteren Punkte anschneiden, die wesentlich für die weitere Bearbeitung dieses wichtigen Themas Pflege sind. Wie gesagt: Pflege hat nichts mit dem Alter zu tun; wir alle wissen, dass auch bereits jüngere und junge Menschen pflegebedürftig sind.

Die umfassende Pflege ist ein großes Bild mit Mosaiksteinen. Das eine ist, wie bereits gesagt, das Pflegegeld, andererseits geht es auch um die pflegenden Angehörigen. Wie können diese mit Pflegekarenz, mit Krankenversicherung, mit Pensions­versiche­rung, mit Pflegeteilzeit und dergleichen unterstützt werden? Es geht vor allem darum, wie wir in Zukunft all diese wichtigen Übergangsformen, auch die Übergangspflege optimieren. Es ist ein Gebot der Stunde, das Pflegesystem weiterzuentwickeln, um die pflegebedürftigen Menschen und ihre betreuenden Angehörigen nachhaltig zu unter­stützen.

Der erste Schritt ist, dass wir das Angebot und das Bewusstsein für Präventiv­maß­nahmen ausbauen und gleichzeitig – wie bereits angesprochen – die Pflege zu Hause, in Pflegeheimen und in ambulanten und teilstationären Einrichtungen mittel- und lang­fristig sichern. Wir wissen – ihr wisst es auf alle Fälle auch –, dass wir jährlich immerhin 2,6 Milliarden Euro an Pflegegeld ausbezahlen, diese Zahl wird, wie gesagt, auch wei­terhin steigen.

Ich möchte abschließend nur stichwortartig die wesentlichen Punkte erwähnen, die in Zukunft sehr wichtig sein werden. Das sind zum Beispiel Pflegekarenz, Mitver­siche­rung in der Krankenversicherung und Pensionsversicherung sowie stärkere Berück­sichtigung von Demenz im System des Pflegegeldes.

Wir als Volkspartei wollen den Menschen ein Altern in Würde ermöglichen und ihnen das Versprechen geben, dass sie auch im Alter ein würdevolles Leben führen können. Das hat sich diese Generation auch besonders verdient. Dafür müssen wir, glaube ich, gemeinsam alle Anstrengungen unternehmen. Bemühen wir uns gemeinsam für die ältere Generation! Ein wesentlicher Punkt dabei ist eben das Pflegegeld, das dement­sprechend erhöht wurde, aber auch andere wichtige Pflegemaßnahmen sind zu set­zen.

In diesem Sinne: Danke für die Aufmerksamkeit. Ich bitte um die Unterstützung des Antrages. (Beifall bei der ÖVP sowie bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

15.52

Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Kahofer. Ich erteile ich dieses.