9.05

Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörer auf der Besuchergalerie und zu Hause via Livestream! Zunächst möchte ich mich herzlich dafür bedanken, dass wir heute dieses aktuelle und äußerst wichtige Thema im Rahmen der Aktuellen Stunde behandeln und in den Fokus rücken.

Schauen wir uns hier zunächst einmal die Ausgangssituation in unserer Arbeitswelt an: Wir erkennen diverse Trends wie zum Beispiel die Entstehung digitaler Geschäfts­mo­delle und Innovationen, eine fortschreitende Automatisierung und immer weitreichen­dere Globalisierung. Wenn wir uns diesen technologischen Fortschritt anschauen, dann erkennen wir, dass natürlich auch davon auszugehen ist, dass sich Arbeits­ab­läufe und ganze Arbeitsstellen verändern werden und vor allem manuelles Arbeiten zunehmend durch Automatisierung ersetzt wird. Das heißt, als größte Herausforderung der Zukunft gilt definitiv nicht das Ersetzen der Arbeitskraft, sondern die Veränderung und Weiterentwicklung von Tätigkeiten und von Anforderungen.

Es ist diesbezüglich ganz egal, um welche Berufe es sich handelt. Da geht es genauso um die Kellnerin wie um den Bauplaner, da geht es um die Rezeptionistin und viele mehr. Das, was sie alle brauchen können, ist ein gewisses IT-Grundwissen und -Ver­ständnis für den Umgang mit digitalen Tools und Systemen und vor allem auch die menschlichen Kompetenzen, denn ohne den Menschen ist die Digitalisierung definitiv wertlos.

Vor diesem Hintergrund bedarf es natürlich auch einer Reflexion und vor allem einer Weiterentwicklung unseres Bildungssystems. Mit den Maßnahmen unter Bundes­minis­ter Faßmann, allen voran zum Beispiel das Pädagogikpaket, wurde ja auch schon sehr viel erreicht. Jetzt gilt es vor allem, diese konsequente Neuausrichtung fortzusetzen. Ich sehe im Bildungsbereich drei große Kernbereiche und Zukunftsthemen, die sich vom Primärsektor bis in den Tertiärsektor erstrecken. Das sind erstens die Digita­lisierung, zweitens die Finanzierung und drittens die Schulkultur.

Ich beginne gleich mit dem ersten Punkt, mit der Digitalisierung. Fragen wir uns zu­nächst einmal, welche Kompetenzen da zunehmend wichtiger werden! Da momentan alle digitalen Tools ja noch sehr stark textbasiert sind, brauchen unsere Schülerinnen und Schüler vor allem Lese- und Schreibkompetenz. Wenn wir uns da die aktuellen Pisa-Ergebnisse anschauen, dann sehen wir, dass wir definitiv noch Aufholbedarf haben, weil wir derzeit ja noch unter dem OECD-Schnitt liegen. Sprache – ich glaube, da sind wir uns alle definitiv einig – ist vor allem eines: der Schlüssel zum Bildungs­erfolg.

Schauen wir uns an, welche weiteren Kompetenzen zukünftig noch wichtiger werden: Dazu gehören ein gewisses Basiswissen im IT-Bereich, ein gewisses Maß an Wissen über Datenschutz, über Datenverwertung, Problemlösungskompetenz, Kreativität, ana­lytisches und vernetztes Denken. All das sind notwendige Kompetenzen. In diesem Bereich wurden auch schon sehr, sehr viele Maßnahmen gesetzt, ganz egal, ob wir jetzt über das AMS oder die Schulen sprechen.

Wovor ich aber definitiv warnen möchte, ist eine sogenannte Pseudodigitalisierung, in deren Zuge Klassenzimmer wirklich modern ausgestattet werden, und zwar mit moder­nen Smartboards, mit Laptops und so weiter, die dann aber nicht oder nicht zielführend eingesetzt und verwendet werden.

Deshalb denke ich, dass neben der technischen Ausstattung vor allem Weiterbildungs­maßnahmen für unsere Pädagoginnen und Pädagogen notwendig sind. Unsere Päda­goginnen und Pädagogen leisten bereits jetzt hervorragende Arbeit und können unse­ren Kindern entscheidende Kompetenzen mitgeben, wie Medienkompetenz, kreative Lösungskompetenzen, Teamgeist oder digitale Etikette. Sie können auch das Interesse an technischen Berufen wecken, da die Zukunft mit der Ausbildung unserer Kinder beginnt.

Ich komme schon zum zweiten Punkt, und zwar ist das die Finanzierung: Das Bundes­ministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung schafft 3 000 zusätzliche Aus­bildungsplätze im höher qualifizierten Mint- und IT-Bereich. Allein die FHs bekommen dadurch 1 000 neue facheinschlägige Studienplätze dazu, zum Bespiel auch im süd­lichen Niederösterreich, wo für den Bereich Maschinenbau eine neue FH entsteht. – Vielen herzlichen Dank für diese wichtige und richtige Maßnahme.

Die FHs sind nämlich diejenigen, die als Verbindungsglied zwischen Wissenschaft, Ge­sellschaft, Regionen und Wirtschaft dienen. Sie sind für praxis- und anwendungs­orien­tierte Ausbildung zuständig und widmen sich Zukunftsthemen. Sie sind es auch, die schon sehr viele digitale Tools im Unterrichtswesen im Einsatz haben, wie zum Beispiel E-Learning, Virtual Classrooms, Webinare, Augmented Reality, Virtual Reality und vieles mehr.

All diese technischen Kompetenzen und Ausstattungen kosten sehr viel Geld. Um die hervorragende Qualität der Ausbildung an Fachhochschulen weiterhin sicherstellen zu können, sind zwei Dinge notwendig – das sind alte Probleme, die wir schon einmal angesprochen haben, ich möchte sie heute dennoch noch einmal ansprechen –, einer­seits die Erhöhung der Studienplatzfinanzierung und andererseits eine jährliche Index­anpassung.

So wie wir in der Wirtschaft einen war for talents – einen Krieg um die besten Köpfe – haben, haben wir im Bildungsbereich einen war for students – einen sogenannten Kampf um Schüler und Schülerinnen –, und deshalb ist es wichtig und richtig, zunächst einmal Ausbildungsplätze zu schaffen. Als begleitende Maßnahme ist es aber auch sehr wichtig, tatsächlich eine ausreichende Anzahl von qualifizierten Bewerbungen sicherstellen zu können und auch dafür sind Maßnahmen notwendig. Das beginnt definitiv schon dabei, das Interesse für den Mint- und IT-Bereich, für den technischen Bereich bei den Kleinsten zu wecken.

Ich komme jetzt zum dritten und letzten Punkt, das ist die Schulkultur. Durch die neuen Strukturen und Abläufe in der Arbeitswelt ist mehr denn je auch Kommunikations­kom­petenz gefragt. Wir arbeiten künftig in agilen Teams, interdisziplinär, interkulturell, und das erfordert gute, soziale Umgangsformen und auch Offenheit – Offenheit im sozialen Bereich, aber auch im kulturellen Bereich.

Wenn wir uns heutzutage unsere Schüler und Schülerinnen anschauen – ich bin sicherlich gegen Stereotypisierung –, zeigen sich definitiv einige Defizite. Es zeigen sich teilweise Defizite in der Sozialkompetenz, bei Kollaborations- und bei Team­fähig­keit. Das zieht sich durch alle Schulstufen, und deshalb sehe ich es als Gegen­maß­nahme – das klingt vielleicht sehr banal, ist aber dennoch sehr wichtig –, in den Schulen Schulregeln und Hausordnungen einzuführen (Bundesrätin Mühlwerth: Na viel Spaß mit den Grünen!), die tatsächlich konsequent umgesetzt und angewandt werden, sodass wir auch weiterhin ein wertschätzendes und respektvolles Miteinander haben, um einerseits Gewalt, aber andererseits auch psychischen Verletzungen, vor allem im Bereich von Social Media, den Nährboden zu entziehen.

Ein ganz wichtiger Punkt, den wir definitiv nicht vernachlässigen dürfen, ist, dass wir auch die Eltern in die Verantwortung nehmen müssen, denn es kann nicht sein, dass wir die Erziehung nur an Institutionen auslagern. Eltern sind, und das wissen wir alle, Vorbilder für die Kinder, dementsprechend sollten wir als Eltern oder Großeltern unsere Rolle auch wahrnehmen.

Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Schluss und bringe noch einmal ein Fazit: Niemand kann diese Veränderung in der Arbeitswelt im Allein­gang bewältigen, es braucht definitiv eine Zusammenarbeit zwischen allen Akteuren – im Bildungssektor, am Arbeitsmarkt, auch unter Einbindung der Wirtschaft und der Gesellschaft. Digitalisierung wird unsere Lebens- und Arbeitswelt weiterhin verändern, und ich glaube – da sind wir uns alle einig –, dass digitale Tools und Services gewisse Kernkompetenzen vor allem im Dienstleistungsbereich – Hilfsbereitschaft oder Freund­lichkeit – definitiv nicht ersetzen können. Wo wir uns wahrscheinlich auch einig sind, ist, dass die digitale Transformation im Sinne eines Lifelong Learning Offenheit und Veränderungsbereitschaft erfordert.

Zum Schluss erscheint mir Folgendes noch einmal wichtig zu betonen: Setzen wir die Maßnahmen zur konsequenten Weiterentwicklung unseres Bildungssystems fort, zum Wohle unserer Kinder, zum Wohle unserer Zukunft. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

9.15

Präsident Karl Bader: Vielen Dank.

Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Doris Hahn. – Bitte.