10.10

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher auf der Galerie und via Livestream! Als Bewohnerin einer Grenzregion – ich wohne in Wals-Siezenheim – schätze ich das gute Miteinander von Drent und Herent, wie es bei uns so schön heißt, also konkret zwischen Bayern und Salzburg. Das hat bei uns auch eine lange Tradition: Wir betreiben miteinander Brauchtum, zum Beispiel jetzt im Winter das Aperschnalzen. Es wird auch eine intensive Heiratspolitik miteinander betrieben. (Ruf bei der SPÖ: Mehr wollen wir jetzt eigentlich gar nicht wissen! – Heiterkeit bei BundesrätInnen der SPÖ.) Wir haben auch einen großen wirtschaftlichen Austausch.

Meine Tochter, 2001 geboren, kannte weder Grenzkontrollen, Passkontrollen noch Staus, Blockabfertigungen – bis das Jahr 2015 kam. Da wurde uns schlagartig be­wusst, welche Errungenschaften wir uns in der EU miteinander aufgebaut haben, und diese gilt es weiter auszubauen und zu festigen. Ich bin daher sehr froh über das Thema dieser Aktuellen Stunde, denn die Europäische Union ist aus meiner Sicht eine der größten Errungenschaften des 20. Jahrhunderts. Die Ziele Frieden, Freiheit und Wohlstand haben ja bis heute nichts an Gültigkeit verloren, und die Europäische Union ist damit mehr als ein Staatenbund.

Wir stehen aber heute in Europa – wir haben das schon von den Vorrednerinnen und Vorrednern gehört – vor noch nie da gewesenen Herausforderungen, die wir wirklich nur gemeinsam lösen können: die Beziehungen der USA zum Rest der Welt; China, die größte Wirtschaftsmacht, mit der Expansion im Rahmen der Initiative Seidenstraße. Die Spannungen zwischen Russland und dem Westen sind nicht abgeklungen, und auch die Migrationsursachen und Krisen werden weiterhin bestehen und werden zu weiteren Migrationsströmen führen – das werden wir nur gemeinsam lösen können.

Erstmals kommt es auch zum Austritt eines Mitgliedstaates aus der Union. Der Brexit und seine Auswirkungen werden uns sicherlich in der nächsten Zeit beschäftigen, wir haben auch gestern im EU-Ausschuss sehr intensiv darüber gesprochen. Für uns ist es wichtig, dass ein wirkliches Austrittsabkommen zustande gebracht wird; Herr Bot­schafter Turner ist ja diesbezüglich sehr zuversichtlich. Schauen wir, ob das auch wirk­lich so sein wird. Wir wollen eine längere Übergangsphase, nicht nur bis 31.12.2020, für unsere Wirtschaft. Gerade ich als Vertreterin eines westlichen Bundeslandes muss mich ganz intensiv für die Saisonkontingente ins Zeug legen, nur wenn wir einen ordentlichen Deal haben, werden diese abgedeckt.

Ich bin schon gespannt, was Premierminister Johnson heute in seiner Regierungs­er­klärung, die von der Queen verlesen werden wird, von sich geben wird, welche Über­raschungen kommen werden. Ich habe den Herrn Botschafter gestern gefragt, er konnte auch nicht sagen, was wir da heute erwarten können.

Es ist auch unsere Aufgabe – Kollegin Schumann hat das schon gesagt –, das Erfolgs­modell Europäischer Binnenmarkt in Sachen Digitalisierung voranzutreiben. Wir müssen die besten Rahmenbedingungen schaffen, um eine europäische digitale Wirt­schaft zu sichern. Nur so werden wir es schaffen, dass die Googles, Facebooks und Apples von morgen aus Europa kommen, und das muss unser Ziel sein.

Was mir auch ganz wichtig ist: Subsidiarität darf keine Worthülse sein. Sie muss im Alltag gelebt werden, wie wir es im Bundesrat ja ganz intensiv vorzeigen, denn die EU soll sich wirklich um die großen Probleme kümmern, nicht um die, die wir in den Ländern, Gemeinden und Städten schneller, günstiger und vor allem auch unbüro­kra­tischer lösen können. Unser EU-Ausschuss im Bundesrat nimmt da eine Vorreiterrolle ein – auch das hat uns der Botschafter gestern bestätigt –, wir sind eine der aktivsten Länderkammern in der EU.

Die neue Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, hat nun die Leitlinien – die Frau Ministerin hat schon gesagt, das Arbeitsprogramm wird es im Jänner geben – mit dem schon erwähnten Green Deal vorgestellt. Auch das haben wir gestern im EU-Ausschuss besprochen, und wir werden das auch weiterhin begleiten, damit wir sehen, wie die Umsetzungsmaßnahmen sind.

Ich komme zum Schluss: Die EU ist einer der größten und leistungsfähigsten Wirt­schaftsräume der Gegenwart. Um dieses europäische Wirtschafts- und Lebensmodell für die Zukunft zu bewahren, müssen wir Europa gerade in Zeiten großer Heraus­for­derungen verändern und besser machen. Wie keine andere Partei war die Öster­reichische Volkspartei in Bezug auf den Europäischen Wirtschaftsraum treibende Kraft – beim EU-Beitritt 1995, bei der Euroeinführung und bei der EU-Erweiterung. Auch in Zukunft wollen wir die Europäische Union aktiv mitgestalten und verbessern.

Meine Redezeit ist abgelaufen, aber erlauben Sie mir noch, als Fraktionsführerin dem scheidenden Präsidenten für die so engagierte Vorsitzführung im Bundesrat zu danken: Danke für deine weitreichenden Initiativen, für dein Engagement, für die sehr gute Zusammenarbeit, lieber Karl! Alles Gute! Du wirst ja dann wieder den Frak­tionsvorsitz übernehmen.

Ich bedanke mich auch sehr herzlich bei den Damen und Herren von der Parla­mentsdirektion für die gute Unterstützung von uns allen. Dem kommenden Präsi­denten, Robert Seeber, wünsche ich alles Gute. – Du weißt, deine Fraktion steht hinter dir, damit wir an den guten Weg unseres Präsidenten Bader auch in der Präsident­schaft Seeber anschließen können. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

10.16

Präsident Karl Bader: Vielen herzlichen Dank.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile es ihm.