13.32

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Kanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Bundesregierung! Es ist immer das Schicksal der Grünen, nach den Freiheitlichen reden zu müssen. Die 10 Minuten sind mir zu schade, um jetzt jeden Punkt hier zu widerlegen, deswegen möchte ich doch meine Schwerpunkte in den Vordergrund rücken, und ich glaube, das macht auch Sinn. (Bundesrätin Mühlwerth: Na ja!)

Ich bin heute schon auch ein bisschen stolz und auch sehr glücklich und empfinde das schon auch als einen historischen Moment. (Bundesrat Steiner: Trag es dir in den Kalender ein!) – Ich trage mir das sicher im Kalender ein, Herr Kollege. (Bundesrat Steiner: Mit einem grünen Stift!) Ich habe die Grünen kennengelernt, da war ich 15 Jahre alt, als die Hainburger Au besetzt worden ist. Meine Eltern haben mir damals nicht erlaubt hinzufahren: Da ist es kalt und Winter, das kannst du nicht! Ich durfte nicht. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Die werden schon gewusst haben, warum!)

Das war ein sehr prägendes Erlebnis: 1986, als die Tschernobyl-Katastrophe pas­sierte. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, ich lebte damals in Bad Ischl, das durch den Regen besonders betroffen war – übrigens Kulturhauptstadt 2024 gemein­sam mit dem Ausseer Land.

Einmal war ich mit den Grünen nicht einer Meinung, da durfte ich aber noch nicht wählen, weil ich niederländischer Staatsbürger war. Ich war nämlich immer für den EU-Beitritt. Mittlerweile hat sich da viel getan, was ja auch zeigt, wie sehr Politik auch ein Prozess der Veränderung ist, auch ein Prozess davon ist, dass man Haltungen überprüft, dass sich die Zeit und auch Positionen ändern können.

Als ich begonnen habe, dann als österreichischer Staatsbürger, Politik zu machen und Kandidat für den Wiener Landtag war, hat mich meine erste Aktion, meine erste politische Tat vor die ÖVP-Zentrale geführt, um gegen euch zu protestieren. (Bun­desrat Bader: Wehe! – Heiterkeit bei der ÖVP.) Ulrike Lunacek war damals dabei. Da haben wir zehn Schafe vor die ÖVP-Zentrale gebracht, eines davon war rosa einge­färbt – um gleich darauf hinzuweisen: mit biologisch abwaschbarer Farbe. Wir haben damit darauf hingewiesen, dass 10 Prozent der Wiener Bevölkerung lesbisch oder schwul sind und dementsprechend auch die Politik gestaltet werden sollte.

Na ja und Jahre später, nach vielen Auseinandersetzungen, habe ich mittlerweile auch sehr viele Regierungsverhandlungen erlebt, sowohl auf Wiener Ebene als auch auf Bundesebene. Ich durfte Teil des Verhandlungsteams sein. Ich muss sagen, dass ich das für einen spannenden, für einen neuen Weg und tatsächlich, wie auch Kollege Bader gesagt hat, für einen ganz entscheidenden Fortschritt unserer Demokratie halte, nämlich auch die Art und Weise, wie verhandelt worden ist.

Wir alle haben erlebt, wie die letzten Regierungen funktioniert haben. Als ich erstmals Mitglied dieses Hauses wurde, gab es eine rot-schwarze Regierung. Sie wurde sehr oft Stillstandskoalition genannt. Herr Kollege Bader, Sie haben mir quasi die Worte aus dem Mund genommen: Es war tatsächlich ein Niederverhandeln auf die kleinsten Kompromisse, auf die Minimalkompromisse, und das wurde von der Bevölkerung auch so wahrgenommen.

Danach gab es eine andere Koalition, das, was man allgemeinhin Message Control genannt hat, eine, wo Positionsaustausch schwer möglich war und die dann an Ibiza und an der Korruptionsbereitschaft der freiheitlichen Partei zerschellt ist. Und jetzt haben wir eine ExpertInnenregierung erlebt, die auch etwas Interessantes gezeigt hat, nämlich dass die Aufgeregtheit gar nicht so sehr das ist, was sich Menschen wün­schen. Sie wünschen sich sachliche Arbeit, und das haben wir alle daraus gelernt. Das ist, glaube ich, auch das Besondere, was in diesen Verhandlungen gelungen ist, eben dass wir nicht gesagt haben, wir verhandeln uns nieder zu einem Minimalkompromiss, sondern auch überlegt haben: Was ist eine Win-win-Situation? Wofür wurden zwei Wahlsieger und Wahlsiegerinnen gewählt?

Ich verhehle überhaupt nicht, dass es Kapitel im Regierungsprogramm gibt, die ich, würde ich sie isoliert lesen, so in keinster Weise unterschreiben würde. Aber es geht halt auch um das Gesamtbild, es geht um the big picture. Es geht auch um eine neue Art von Regieren, wo es Unterschiede gibt – wir sind unterschiedliche Parteien –, wo es Unterschiede betreffend die ganze Grundhaltung gibt. Ich glaube, unser Bundes­kongress, wo darüber abgestimmt worden ist, ob wir in diese Regierung gehen, hat ganz klar gezeigt, wie die Grünen funktionieren. Wir sind eine Debatten gewohnte Partei, und wir haben diese Diskussionsbereitschaft und dieses Ringen um Positionen immer als ein demokratisches Grundprinzip wahrgenommen und nicht als: Die streiten schon wieder!

Das ist vielleicht auch etwas, was man lernen kann, was wir alle lernen müssen – Frau Kollegin Zwazl und ich haben heute auch schon darüber diskutiert –, dass Diskussion einfach nicht immer Streit ist, sondern Diskussion ein ganz wichtiger Bestandteil des­sen ist, wie wir uns organisieren, und dass es am Ende des Tages darum geht, Lösungen zu finden. Die Mehrheitsverhältnisse sind so, wie sie sind. In vielen Punkten passieren Dinge, die wir wahrscheinlich anders gestalten würden, würde es eine grüne Absolute geben, so wie auch ihr viele Dinge anders machen würdet, würde es eine Absolute von Türkis geben.

Opposition wäre einfacher. Opposition ist eigentlich eine sehr bequeme Aufgabe, seien wir ehrlich: Man könnte in der ersten Reihe fußfrei sitzen und kritisieren, wie böse die anderen sind. Verantwortung zu übernehmen ist etwas anderes – oder wie es einmal die frühere Vizebürgermeisterin von Wien, Maria Vassilakou, ausgedrückt hat: „Regie­ren ist nichts für Lulus“. Und es macht eben auch einen Unterschied, wer regiert.

Ich möchte hier einige Punkte, die wir erreicht haben und die mir auch wichtig sind, noch einmal betonen. Weil Kunst und Kultur immer als Letzte genannt werden, möchte ich sie jetzt als Erste nennen, auch weil ich mich sehr freue, dass Ulrike Lunacek diese Agenden übernimmt (Bundesrat Steiner: Vor allem mit der Expertise!), und ich selber auch sehr lange in Wien Kulturpolitiker gewesen bin und im Kulturausschuss vertreten war.

Die Kultur des Landes ist eine ganz entscheidende Frage, denn bei Kultur geht es auch sehr viel darum, wie wir überhaupt zusammenleben, da geht es um ganz viele Sachen. Dabei möchte ich dir, Ulrike, alles Gute wünschen, vor allem bei der Neustruk­turierung der Museenlandschaft, die zu verhandeln uns gelungen ist. Im Bereich Medienpolitik, zu dem ich auch verhandeln durfte, haben wir es geschafft, den ORF zu stärken, aber auch klarzustellen, dass das Spiel Private gegen Öffentlich-Rechtliche in einem globalisierten Markt einfach nicht mehr zeitgemäß ist. Es geht vielmehr darum, da österreichische Positionen zu betonen, und dabei ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein ganz entscheidender Bestandteil.

Ich freue mich auch sehr, dass uns – da bin ich auch selber betroffen – für Ein-Personen-Unternehmen und kleine KMUs wirklich sehr Gutes geglückt ist. Ich glaube, die Ein­führung eines Gewinnrücktrages für Einnahmen- und Ausgabenrechner, so wie es das bei den Künstlern und Künstlerinnen gibt, wird vielen KleinunternehmerInnen helfen. Die Ausweitung der steuerlichen Absetzbarkeit von Arbeitszimmern für EPUs ist eine ganz tolle Neuerung, die wir erreicht haben. Das sage ich als Fachgrup­pen­obmann, der Zehntausende solche Unternehmen in der Wiener Wirtschaftskammer vertritt.

Ich möchte unbedingt betonen, dass wir mit Alma Zadić eine Ministerin für den Rechts­staat und für Transparenz haben. Was uns beim Informationsfreiheitsgesetz gelungen ist, kann sich international eindeutig sehen lassen.

Ganz toll finden wir auch, dass es jetzt mehr Kompetenzen für den Rechnungshof gibt, wenn es um Parteifinanzierungen geht. So gesehen – dadurch, dass uns das gelingen konnte – hat Ibiza doch auch irgendwie sein Gutes gehabt. (Bundesrat Steiner: Na, das werden wir erst noch sehen!)

Zum Bereich Soziales möchte ich betonen – das ist jetzt erneut in allen Zeitungen –, dass die Ausbildungs- und Qualitätsoffensive in der Pflege eine der ganz entschei­denden Zukunftsfragen für unser Land ist. Da die Grünen als „Beiwagerl“ zu bezeich­nen, wie es Kollegin Mühlwerth gemacht hat, ist einfach absurd, weil gerade die Frage der Pflege und der Gesundheit – wie etwa auch der Ausbau der Psycho­therapie­plätze – eine ganz entscheidende Frage im Gesundheits- und Sozialbereich ist.

Auf das Gar-nicht-Beiwagerl, das Riesenressort Klimaschutzministerium – ich vergesse immer noch die Abkürzungen; daran werden wir uns alle noch gewöhnen – wird mein Kollege Adi Gross noch detailliert eingehen. Da wird uns noch vieles passieren. (Bundesrat Steiner: Da wird mit euch noch vieles passieren! – Ruf bei der SPÖ: Wird „noch vieles passieren“ – das ist gut!)

Zum Bereich Digitalisierung, zum Bereich Bildung, zum Bereich Wissenschaft: Wir werden die Brennpunktschulen weiter unterstützen. Das halte ich für eine ganz wich­tige Sache. Ich bin sehr glücklich darüber, dass wir im Digitalisierungsbereich – darü­ber bin ich auch ganz besonders froh, weil ich auch da mitverhandeln durfte – den Datenschutz ganz stark betonen konnten und dass wir auch – und das ist für den ländlichen Raum, also gerade für uns im Bundesrat, ja besonders wichtig – den Glasfaserausbau und den 5G-Ausbau vorantreiben wollen.

Was ich auch für wichtig halte – das hat auch mit Transparenz zu tun –, ist, dass wir Open Data als Grundprinzip vereinbaren werden, das heißt open by default, das bedeutet, Daten der Ministerien werden nur dann nicht veröffentlicht, wenn es gute Gründe dafür gibt, sonst müssen sie veröffentlicht werden. Das ist ein Riesenfortschritt für unser Land, und das kann sich wirklich sehen lassen.

Ich wünsche der Bundesregierung alles Gute. Ich wünsche uns auch eine andere Debattenkultur. Ich glaube, es hat sich gezeigt, dass es, auch wenn man oft ganz anderer Meinung ist, wenig Sinn macht, sich in einen Schützengraben einzugraben und aufeinander loszuballern. (Bundesrat Steiner: Wer im Glashaus sitzt! – Bundes­rätin Steiner-Wieser: Nur auf die Freiheitlichen!)

Es wurde noch vor gar nicht langer Zeit davon gesprochen, dass so etwas wie die Dreißigerjahre bevorstehen würden. Dass wir in all unserer Vielfalt jetzt gemeinsam arbeiten, halte ich für einen demokratiepolitischen Quantensprung. In diesem Sinne: Viel Erfolg und uns eine spannende Zeit im Bundesrat! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.44

Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster gelangt Bundesrat Jürgen Schabhüttl zu Wort. – Bitte.