11.07

Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Mein Kol­lege hat jetzt etwas angesprochen: Wir sind nicht gegen die Bauern, das möchten wir gleich einmal klipp und klar sagen, wir sind aber für gerechte Verteilung – so schaut näm­lich die Wahrheit aus –, denn diese ist jetzt nicht gerecht. (Bundesrat Preineder:  ... mi­nus sollen die Bauern dann mehr zahlen!)

Trotzdem, der Grüne Bericht ist die jährliche Standortbestimmung für die wirtschaft­liche Entwicklung in der Land- und Forstwirtschaft. Der Grüne Bericht 2019 zeigt auf, wie groß der Anteil der öffentlichen Gelder am landwirtschaftlichen Einkommen ist. Im Jahr 2018 waren dies laut dem Bericht im Durchschnitt 68 Prozent. Dies zeigt eindeutig, wie wichtig die Mittel von Bund, Land und Europäischer Union für unsere Land- und Forstwirtschaft sind.

Besonders wichtig sind in Österreich die Fördermittel für die sogenannte erste Säule der gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union. Da ist die betroffene Fläche des landwirtschaftlichen Betriebes ausschlaggebend, und es ergibt sich eine Ungleich­heit zwischen großen und kleinen Betrieben. „Im Maßnahmenjahr 2018 wurden [...] 1,39 Milliarden Euro an flächenbezogenen Zahlungen [...] ausbezahlt. [...] Während 31 Prozent der Betriebe im unteren Förderbereich“ – das heißt bis 5 000 Euro – „im Durchschnitt nur 2.422 Euro je Betrieb erhielten und einen Förderanteil von nur 6 % hatten, lukrierten 1,8 % der Betriebe im oberen Förderbereich“ – das heißt über 50 000 Euro – „11 % aller Fördermittel und im Durchschnitt 79.965 Euro je Betrieb. In den Genuss von jeweils über 100.000 Euro flächenbezogenen Direktzahlungen kamen 280 Betriebe, die zusammen 48,6 Mill. Euro“ – das sind im Durchschnitt 173 613 Euro je Betrieb – „erhielten. Weitere 359 Millionen Euro wurden für die übrigen Maßnahmen im Rahmen des Programms für die ländliche Entwicklung aufgewendet.“

Die Frage der Verteilungsgerechtigkeit der Agrarfördermittel muss deshalb bei den Verhandlungen auf europäischer Ebene eine starke Rolle spielen. Klein- und Mittel­be­triebe, Bergbauernbetriebe und Nebenerwerbsbetriebe müssen gestärkt werden, Über­för­derungen müssen ein Ende haben.

Ich komme aus der Steiermark, aus der Nähe von Graz, und ich kann Ihnen sagen: Dort gab es Bauernbetriebe, die Milch produziert haben. Schauen wir, welchen Milch­preis sie jetzt bekommen! Da darf man sich nicht wundern, wenn diese bäuerlichen Betriebe alle zusperren können, denn bei 35 Cent für 1 Liter Milch, für den wir im Geschäft 1,20 Euro bezahlen, brauchen wir, glaube ich, nicht lange herumzu­dis­kutieren! (Beifall bei der SPÖ.)

Agrarfördermittel sind Mittel, die durch die Steuerzahlerin und den Steuerzahler finan­ziert werden. Die Erwartungen der Gesellschaft an die landwirtschaftlichen Betriebe ändern sich ständig. Die Sorgen rund um die Veränderung unseres Klimas sind groß, und der Wunsch nach Lebensmitteln, die möglichst ohne Pestizide und ohne Über­düngung unserer Böden hergestellt werden, steigt. Es gibt Glyphosat, und es gibt zu Glyphosat glasklare Beschlüsse des Bundesrates und des Nationalrates, aber auf Regierungsebene scheint es niemanden zu berühren. Dieses Thema wird einfach totgeschwiegen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich kann euch nur sagen, im Regierungsprogramm ist das Wort Glyphosat nicht einmal erwähnt. Die Bundesregierung wurde noch vor Weihnachten mit dem Beschluss des Nationalrates aufgefordert, da sofort tätig zu werden. Die Öffentlichkeit muss rätseln, ob die Notifizierung eingeleitet wurde. Und warum? – Ja, weil die ÖVP dagegen ge­stimmt hat. Frau Bundesministerin, sagen Sie uns bitte: Was haben Sie seither gemacht, damit dieser umweltschädliche Stoff in Österreich endlich verboten wird? (Beifall bei der SPÖ.)

Auch der Wunsch nach mehr Tierwohl aller Nutztiere in der Landwirtschaft wird immer häufiger geäußert.

Unsere Kinder und Kindeskinder sollen eine Welt vorfinden, in der sie gut und gesund leben können. In Österreich ist besonders den Vorreitern der biologischen Produktion zu danken, die zu einem Umdenkprozess beigetragen haben und auch die Erwartungs­haltung der Gesellschaft gegenüber konventionell wirtschaftenden Betrieben verändert haben.

Wir müssen aber auch darauf achten, dass unser Trinkwasser in seiner besonders guten Qualität erhalten bleibt. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Wenn wir weiterhin gutes Trinkwasser haben wollen, müssen wir schauen, dass sowohl der Einsatz von Pestiziden als auch die Ausbringung von Düngemitteln in einem verträglichen Maß erfolgen. Das Land Steiermark hat vorgezeigt, wie durch konsequenten Grundwasser­schutz die Qualität gehoben werden kann.

Ich darf daher folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Horst Schachner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „mehr Nach­haltigkeit und Verteilungsgerechtigkeit in der kommenden Periode der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU“

Der Bundesrat möge beschließen:

„Die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, wird aufgefordert, sich bei den Verhandlungen für die rechtlichen Grundlagen der nächsten Periode der Gemeinsamen Agrarpolitik dafür einzusetzen,

1. dass flächenbezogene Zahlungen vor allem kleineren, mittleren und Nebenerwerbs­betrieben zugutekommen und daher eine wirksame verpflichtende Kappung der EU-Direktzahlungen für Großbetriebe, die Einführung einer starken Degression der Direkt­zahlungen bei Großbetrieben und eine Ausweitung der Umverteilungsprämie umge­setzt werden,

2. dass, falls das Zwei-Säulen-Modell weitergeführt wird, es zumindest zu einer Ver­schiebung der Budgetmittel von Säule 1 auf Säule 2 in einem größeren Ausmaß kommt, da der Rückgang der Agrarbetriebe EU-weit im zuletzt veröffentlichten 10-Jahres-Zeitraum bei 27% liegt,

3. dass wirksame und messbare Nachhaltigkeitskriterien inklusive Kriterien für den Klimaschutz als Voraussetzung für die Abrufbarkeit von EU-Fördermitteln definiert werden mit dem Ziel, Klimaschutz und Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft zu stärken,

4. dass nur jene Betriebe Agrarfördermittel erhalten, die sich zu einer messbaren Reduktion chemisch-synthetischer Pestizide verpflichten,

5. dass Agrarfördermittel, die im Rahmen eines Umweltprogrammes abrufbar sind, nur dann beansprucht werden dürfen, wenn auf den Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden verzichtet wird,

6. dass Betriebe, die auf die Fütterung mit gentechnisch veränderten Futtermitteln verzichten, besonders gefördert werden,

7. dass die Sozialen Dienstleistungen im Maßnahmenprogrammeine viel stärkere finanzielle Berücksichtigung finden,

8. dass Bergbauernbetriebe der Kategorien 3 und 4, also mit hoher und höchster Erschwernis bei der Förderung noch stärker als bisher berücksichtigt werden,

9. dass in der EU generell die Unterstützung und Förderung der Betriebe in den Berggebieten verstärkt wird,

10. dass die Biolandwirtschaft mit dem Ziel mittelfristig 50% Biolandwirtschaft in Österreich zu erreichen in einem noch stärkeren Ausmaß als bisher bei Förder­maß­nahmen berücksichtigt wird,

11. dass die Arbeitsplatzschaffung im Ländlichen Raum auf Grund der Tatsache, dass laufend Höfe zusperren, im Rahmen der Förderprogramme zumindest im Verhältnis zum Prozentsatz der Abwanderung berücksichtigt wird,

12. dass die Verwendung der standardisierten Arbeitszeit anstatt des Flächenbezuges der Direktzahlungen der 1. Säule der GAP neben Nachhaltigkeits- bzw. Klimaschutz­kriterien als Basis für die Zahlungen der 1. Säule herangezogen werden kann und in Österreich herangezogen wird.“

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Sehr geehrte Damen und Herren, danke für die Aufmerksamkeit und Glück auf! (Beifall bei der SPÖ.)

11.15

Vizepräsident Michael Wanner: Der von den Bundesräten Horst Schachner, Kolle­ginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „mehr Nachhaltig­keit und Verteilungsgerechtigkeit in der kommenden Periode der Gemeinsamen Agrar­politik der EU“ ist genügend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Michael Bernard. Ich erteile es ihm.