14.03

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörer zu Hause vor den Bildschirmen! Vor zwei Wochen verlautbarte der türkische Präsident Erdoğan, die Grenzen für Migranten aus aller Herren Länder in Richtung EU zu öffnen. Wir haben die Tore geöffnet!, war die Botschaft des Präsidenten in Richtung Tausender Personen, die nach Europa strömen wollen.

Griechische Behörden haben nach der türkischen Grenzöffnung innerhalb von zwei Tagen mehr als 24 200 versuchte illegale Grenzübertritte verzeichnet. Die Regierung in Athen verlautbarte, dass sie keine illegalen Grenzübertritte dulden werde und ordnete als Sofortmaßnahme die Aussetzung des Asylrechts an.

Am 5. März 2020 ließ der türkische Innenminister 1 000 Polizisten an die türkische Grenze abkommandieren, um ein Zurückströmen jener Migranten, die bereits die Türkei in Richtung EU verlassen hatten, aber nicht in Griechenland einreisen konnten, zu unterbinden. Darüber hinaus gab die Türkei bekannt, dass sie ihre Landesgrenzen zu Syrien für vermeintliche und tatsächliche Flüchtlinge öffnen werde, sodass diese rasch nach Europa kommen können. Um den Flüchtlingen die Reise nach Europa zu erleichtern, sollen türkische Militärfahrzeuge versucht haben, den EU-Grenzzaun zu Griechenland niederzureißen. Das behaupten einerseits die griechischen Behörden, andererseits veröffentlichten sie aber auch ein Beweisvideo dazu.

Selbst wenn den an den EU-Außengrenzen wartenden Migranten die Einreise in die EU nicht auf legalem Weg gelingt, besteht die Gefahr, dass Tausende Illegale auf Schlepperrouten in die EU einsickern. (Bundesrat Schennach: ... geschlossen?!) Darüber hinaus erscheint es fraglich, ob griechische Sicherheitskräfte dem immer größer wer­denden Druck der sich bewegenden Menschenmengen noch lange standhalten kön­nen.

Trotz dieser für Europa und Österreich äußerst prekären Situation vermag sich die türkis-grüne Bundesregierung nicht zu einer abgestimmten Position durchzuringen. Zu groß sind die ideologischen Unterschiede, zu groß sind die ideologischen Gräben in dieser Bundesregierung. Vizekanzler Werner Kogler und Justizministerin Alma Zadić wollen gerne freiwillig eine große Zahl weiterer Flüchtlinge in Österreich aufnehmen. (Bundesrat Schennach: ... auch!) Die ÖVP gibt vor, dass sie genau das nicht will.

Folgendes sei als Beispiel für die Zerrissenheit in dieser Bundesregierung genannt: Zwei Nationalratsabgeordnete der Grünen nahmen vor wenigen Tagen an einer De­monstration gegen die Flüchtlingspolitik des Bundeskanzlers Sebastian Kurz vor der ÖVP-Parteizentrale teil. Ich kann mich noch ganz gut an die Worte des Kollegen Christoph Steiner erinnern, der gesagt hat: Es wird nicht lange dauern, bis die Linken da draußen gegen die Linken da herinnen demonstrieren. – Ich sage: Es hat nicht einmal zwei Monate gedauert. Das Problem dabei ist aber, dass die Linken von hier herinnen mit den Linken von da draußen gemeinsam demonstriert haben! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Es wäre eigentlich schon fast witzig, wenn es nicht so traurig wäre: Die Regierungs­parteien demonstrieren gegen sich selbst. Die Fassade der ÖVP-Parteizentrale wird mit rohen Eiern beworfen, Ihre Exekutive, Herr Bundesminister, muss Ihre Partei­zen­trale vor Ihrem Koalitionspartner schützen – also das ist aus unserer Sicht wirklich sehr, sehr traurig. (Ruf bei der ÖVP: Zur Sache!) Ein Kundgebungsteilnehmer wurde wegen eines tätlichen Angriffs im Rahmen der Demonstration festgenommen, und die beiden grünen Abgeordneten waren mittendrin. (Ruf bei der FPÖ: Unglaublich!)

Zumindest in der Rhetorik sind vom Herrn Bundeskanzler und von Ihnen klare Worte zu vernehmen – es bleibt jedoch bei diesen Worten, denn Taten haben wir bis jetzt vergeblich gesucht. Wenn das Entsenden von rund 20 Polizisten alles ist, was die Sicherheits- und Europapartei ÖVP zustande bringt, dann ist das angesichts des bevorstehenden Migrantenansturms dieselbe Vogel-Strauß-Politik, wie wir sie bereits 2015 erleben mussten. Der jetzige Bundeskanzler Kurz war 2015 auch Mitglied der damaligen Chaosregierung, von der sich der Österreicher Schutz an unseren Grenzen gewünscht hätte. Sehr geehrter Herr Innenminister, ich selbst bin 2015 als Militär­poli­zist an der Grenze gestanden, ich habe die Chaoszustände in Nickelsdorf, in Spielfeld miterlebt, und ich möchte sie im Jahr 2020 nicht noch einmal miterleben. (Beifall bei der FPÖ.)

Sehr geehrter Herr Bundesminister, wenn Sie glauben, dass die Entsendung von 20 Polizisten dieses Problem lösen wird, dann muss ich Ihnen sagen, das ist nicht einmal ein laues Lüfterl! Das darf ich Ihnen hier an dieser Stelle ins Stammbuch schrei­ben. Dass es auch anders geht, hat der damalige SPÖ-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil unter Beweis gestellt. Er war es, der im November 2016 rund 225 Sol­daten zum Einsatz an die EU-Außengrenze in den serbisch-ungarischen Grenzbereich verabschiedet hat – der Einsatz dauerte bis September 2017. Die Soldaten hatten überwiegend Pionieraufgaben zu erfüllen. Den Einsatz in Ungarn begründete Doskozil damit, dass man nicht nur Forderungen an die Europäische Union stellen könne, sondern auch handeln müsse. Genau dieses Handeln braucht es auch jetzt, und genau dieses Handeln wünschen wir uns von Ihnen, Herr Innenminister! (Beifall bei der FPÖ.)

Die Regierungen in Griechenland und Italien hingegen handeln. Beide Länder haben das Asylrecht temporär ausgesetzt und somit eine unmissverständliche politische Bot­schaft an das Schlepperwesen gesandt. Was hört man hingegen von der türkis-grünen Bundesregierung, was hört man von Ihnen, Herr Bundesminister? – Die Antwort ist einfach: Man hört gar nichts. Irgendwie befindet sich die gesamte Regierungs­mann­schaft bezüglich der Migrationsfrage auf Tauchstation.

Sehr geehrter Herr Bundesminister, ich sage Ihnen an dieser Stelle: Was in Italien und in Griechenland möglich ist, ist auch bei uns in Österreich möglich. Es braucht ein sofortiges Aussetzen des Asylrechts (Beifall bei der FPÖ) und keine einzige Aufnahme eines Asylanten, solange Tausende Migranten an der EU-Außengrenze stehen. (Bun­desrätin Mühlwerth: Richtig!)

Dass Sie und die gesamte türkis-grüne Bundesregierung beim Migrationsthema auf dem falschen Fuß erwischt worden sind, sieht man ja auch an einem anderen Beispiel: Vor wenigen Tagen soll eine geplante Grenzschutzübung von Bundesheer und Polizei­einheiten in Nickelsdorf im Burgenland vom Innenministerium abgesagt worden sein. Diese Absage ist Sinnbild für die Untätigkeit und genau das falsche Signal an die Schlepper und die eigene Bevölkerung. Genau solche Übungen braucht es heute, damit wir klipp und klar unseren Willen zum Schutz der eigenen Landesgrenzen sig­na­lisieren.

Geschätzter Herr Innenminister, auch wenn es vor Ihrer Zeit als Minister gewesen ist, so kann ich Ihnen sagen, dass unter Innenminister Herbert Kickl und Verteidigungs­minister Mario Kunasek im Juni 2018 in Spielfeld eine große Grenzschutzübung abge­halten wurde, bei der von Bundesheer, Polizeieinheiten und Behördenvertretern gemeinsam für das sogenannte Worst-Case-Szenario – einen Grenzsturm – geübt worden ist.

Ich frage Sie: War diese Übung in Ihren Augen wirklich so schlimm? Genau wie jeder Skifahrer, jeder Sportler üben muss, damit er seine Leistung abrufen kann, genauso müssen auch unsere Einsatzeinheiten üben, um für den Ernstfall gerüstet zu sein. Daher fordern wir Freiheitlichen auch die Abhaltung von Großübungen in allen grenz­nahen Bereichen, und ich hoffe, dass wir bei Ihnen in diesen Belangen auf Gehör stoßen können.

Da ich gerade von Spielfeld gesprochen habe: Derzeit stehen rund 160 Soldaten an der grünen Grenze und überwachen sie sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag. Diese Soldaten bekommen aber auch mit, was sich in Griechenland zusammenbraut und was auf sie zukommen könnte. Ich glaube, es gilt daher auch, an dieser Stelle einmal in Richtung dieser Soldaten, die tagtäglich einen großartigen Dienst für unsere Sicherheit leisten, Danke zu sagen. (Beifall bei der FPÖ sowie der BundesrätInnen Novak und Schumann.) Genau sie sind es, die im Ernstfall in der ersten Reihe für unsere Sicherheit stehen.

Was die Soldaten aber auch brauchen, sind nicht nur schöne Worte, sondern mehr Befugnisse, damit sie ihre Arbeit ordentlich erledigen können. Der rechtliche Rahmen würde es auf jeden Fall hergeben, es ist der Behördenauftrag aus Ihrem Innen­minis­terium, der sehr eng – und ja, ich sage: zu eng – gesteckt ist. Es ist Ihr Behör­den­auftrag, dass die gut ausgebildeten Soldaten im Assistenzeinsatz keine Personen­kon­trollen und keine Fahrzeugkontrollen durchführen dürfen. Ich glaube, gerade jetzt braucht es eine Anpassung an die Lebenssituation, an die Lebenswirklichkeit, wir müssen den Soldaten für ihre Fähigkeiten auch die notwendigen rechtlichen Rahmen­bedingungen zugestehen.

Dass unsere türkis-grüne Bundesregierung in der Frage der aktuellen Flüchtlingskrise keine gemeinsame Sprache spricht, kann für sämtliche Grenzorte verheerende Aus­wirkungen haben. Der Bevölkerung sind die verheerenden Bilder aus dem Jahr 2015 nur zu gut in Erinnerung. Ich war selbst beim Grenzsturm in Nickelsdorf dabei, ich war am 21. Oktober und am 26. Oktober dabei, als die Grenze in Spielfeld überrannt wurde: Menschenmassen in den grenznahen Gebieten im Burgenland, in der Steier­mark, in Kärnten, herumirrende Asylanten auf den Straßen und Autobahnen, devas­tierte öffentliche und private Einrichtungen und vieles, vieles mehr. Nicht zu vergessen sind auch die mittel- und langfristigen Folgen der verhängnisvollen Politik der offenen Grenzen aus dem Jahr 2015.

Diese Migrationswelle hatte nicht nur unmittelbare Auswirkungen auf das Sozial-, Bildungs- und Gesundheitswesen unseres Staates, sondern belastet unser Budget nachhaltig und in einem ungeahnten und nicht vorhersehbaren Ausmaß. Sie erfordert den Einsatz von Budgetmitteln, die im Bereich der Landwirtschaft, im Bildungs- und Gesundheitswesen, bei der Sicherheit, bei der Landesverteidigung oder im Infrastruk­turbereich dringend gebraucht würden. Um die Zustände des Jahres 2015 nicht noch einmal erleben zu müssen – ich glaube, die Folgeerscheinungen sind in diesem Land bereits wie der sprichwörtliche Germteig aufgegangen –, haben wir heute eine Dring­liche Anfrage eingebracht.

Ich hoffe auf eine lückenlose Beantwortung durch Sie, Herr Innenminister, und darf abschließend noch einen Entschließungsantrag einbringen: Der Bundesrat wolle be­schließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass alle abschreckenden und präventiven Maßnahmen - -

Präsident Robert Seeber: Es geht nicht, im Rahmen der Begründung einen Ent­schließungsantrag einzubringen; nur im Rahmen der Debatte, aber nicht jetzt. (Bun­desrat Novak: Das ist richtig!) – Später, bitte.

Bundesrat Markus Leinfellner (fortsetzend): Dann werden wir ihn später einbrin­gen. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit! (Beifall bei der FPÖ.)

14.16

Präsident Robert Seeber: Zur Beantwortung hat sich der Herr Bundesminister für Inneres zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.