18.16

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Und auch einen schönen Gruß an alle Zuschauer vor den Bildschirmen! Wir werden nach dieser Debatte über zwei Gesetzesbeschlüsse abstimmen; ich möchte mich einem davon ein bisschen näher widmen.

Ich möchte Ihnen, den Grünen, für die ja 600 000 Euro im Vergleich zum Budget eigent­lich nichts sind, nur gratulieren. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) 600 000 Euro – ich meine, das muss man sich einmal wirklich vergegenwärtigen: 600 000 Euro, die nicht der Regierung gehören, 600 000 Euro, die eigentlich der Bevöl­kerung gehören und für die diese Regierung als Verwalter eingesetzt worden ist. Wir haben hier im Hohen Haus nicht einmal die Möglichkeit, zu kontrollieren, was mit den 600 000 Euro passiert. Wir haben nicht einmal die Möglichkeit – oder es wird uns keine gegeben –, zu erfahren, wofür dieses Geld verwendet wird. Wer bekommt dieses Geld? – Ich höre immer nur, sobald es von der ÖVP irgendetwas gibt: Das Rote Kreuz ist ja so eine wunderbare Organisation. Es ist also anzunehmen, dass diese Organisation dieses Geld auch bekommen wird. Ich weiß es leider nicht. (Bundesrat Schreuder: Der Samariterbund auch!) Ich weiß es leider nicht, denn es wird von der Regierung nicht preisgegeben. Es ist anscheinend ein furchtbares Geheimnis im Staate Österreich.

Das ist aber nicht das Einzige. Wir haben heute schon im Ausschuss gehört: Was in der Vergangenheit liegt, soll man nicht so besserwisserisch betrachten, denn im Nach­hinein wissen wir immer alles besser. – Es ist aber schon so, dass das, was in der Vergangenheit geschehen ist, eine Beurteilungsgrundlage ist. Jeder Arbeitnehmer und jede Arbeitnehmerin wird von dem, was er oder sie in der Vergangenheit geleistet hat, ein Zeugnis bekommen.

Man sollte sich vielleicht auch einmal bei dieser Regierung anschauen, wie schnell sie wirklich war: Am 19. November, nicht 2020, sondern 2019 – also nicht in die Zukunft blickend, sondern vor Monaten –, geschah dieser Ausbruch in Wuhan. Es war alles nicht so tragisch. Unser Kanzler hat in einem Gespräch im Fernsehen – die Sendung heißt „Beim Feicht“ – noch gesagt: Ah, das ist ganz einfach nur so eine leichte Grippe! Zu dieser Zeit, am 30. Jänner, gab es in Wuhan aber bereits Tote. Wie kann ein Kanzler das so herunterspielen? Wie kann es sein, dass der Kanzler sagt: Masken bringen nichts, wir brauchen keine Masken!?

Wenn ich jetzt so schaue: Einige haben sie schon heruntergenommen, aber die meisten sitzen mit Masken da. Die Bevölkerung läuft mit Masken auf der Straße herum, fährt mit Masken in den öffentlichen Verkehrsmitteln, muss mit Masken in Lokale gehen. Es gibt keine eindeutigen Regelungen, wie man das im Kaffeehaus macht. Um nur kurz zu fragen: Wenn ich in ein Kaffeehaus gehe, muss ich mich da vorher telefonisch anmelden? Bei uns in Wien war es eigentlich üblich, dass man spontan einen Kaffee trinkt, dass man sagt: Gehen wir dorthin, trinken wir einen klei­nen Schwarzen, einen großen Braunen – ganz wurscht, was auch immer! (Bundesrat Rösch: Das sagt dir die App!)

Wir haben hier eigentlich keine Möglichkeit, Einfluss zu nehmen. Es ist zwar fast alles, was von den Oppositionsparteien gekommen ist, mit zweiwöchiger Verzögerung von der Regierung aufgenommen worden, nur das, was wirklich notwendig und dringend war, wurde eigentlich nicht zur Kenntnis genommen. Und dann höre ich: Das haben wir ja alle beschlossen! – Ich weiß nicht, ob mich der Minister hört, anscheinend ist es wichtiger, irgendetwas anderes zu machen. (Bundesrat Steiner: Ja, ja, die ganze Zeit!) Das hat man auch bei den Nationalratssitzungen gesehen: Die gesamte Regierungs­bank schaut aufs Handy, arbeitet mit dem Laptop (Zwischenruf des Bundesrates Rösch), oder mit einem Tablet. (Bundesminister Anschober: Heute nicht!) Ich verstehe es nicht, man wird eigentlich schon in der Jugend daran erinnert, von den Eltern dazu erzogen, dass man seinem Gegenüber zuhört und sich nicht nur hinsetzt und eigentlich nichts macht.

Es kommt jetzt dann die Zeit von noch immer nicht nach Corona, denn es mehren sich die Stimmen, dass es zu einer zweiten Welle kommen wird. Wir haben das in Wuhan gesehen, wo es keine Ansteckungen mehr gegeben hat, dann sind die Auslands­chinesen nach Hause gekommen, und plötzlich war wieder ein Ausbruch da.

Meine Frage lautet jetzt: Was macht die Regierung eigentlich, wenn es zu einem zweiten Ausbruch kommt? Wir haben sehr viel lernen müssen. Haben wir genug Schutzausrüstung? Haben wir Spitäler, die wir frei von Coronapatienten halten kön­nen? Was ist mit den Menschen, die chronisch krank sind, was ist mit den Menschen, die plötzlich erkranken oder eine Behandlung brauchen? Sie haben sich nicht getraut, ins Spital zu gehen, weil sie Angst gehabt haben, sich mit Corona anzustecken. Treffen wir Vorsorge dafür? Wie gehen wir mit unseren Pflegekräften weiter um? Welche Ausbildungsoffensiven haben wir? Muten wir den Menschen, unseren Eltern wieder einen Shutdown zu, schicken wir sie nach Hause, müssen sie von zu Hause aus arbeiten, lassen wir die Kinder wieder nicht in die Schule? Oder gibt es da irgend­welche anderen Möglichkeiten? Wir wissen, dass höchstens elf Kinder in einer Klasse sein sollten – gibt es da Gelder, die zur Verfügung gestellt werden, damit wir eine kleinere Schüleranzahl erreichen? Machen wir so etwas?

Wir würden das tun und einige andere Oppositionsparteien auch, glaube ich. Die Regierung tut aber nichts: Am Anfang geschlafen, am Ende geschlafen! Vielleicht schaffen wir es doch irgendwie, dass wir da etwas zusammenbringen. Es wird immer wieder gesagt, dass es einen nationalen Schulterschluss gibt, und es wird auch immer wieder darauf hingewiesen, dass wird das ja alle gemeinsam beschlossen haben: Wir haben ganz einfach – wie man so schön sagt – die Krot gfressen und haben den Gesetzen zugestimmt, obwohl viele von uns damit nicht einverstanden waren, sich gewünscht hätten, dass noch andere Maßnahmen gesetzt werden, dass das Gesetz verändert wird. Ein nationaler Schulterschluss schaut für die Regierungsparteien so aus: Die ÖVP sagt, wo es langgeht – und ihr alle haltet den Mund und stimmt zu!

Ich stelle mir eine Demokratie anders vor, ein nationaler Schulterschluss schaut für mich so aus: Der ist so zu gestalten, dass in einer solch großen Krise alle Parteien eingebunden werden, dass es mithilfe von Spezialisten unter allen Parteien zu einem Konsens kommt. Was ist dahin gehend passiert? – Nichts! Ich muss sagen, ich war immer ein Freund der Grünen, aber die Grünen sind eine der größten Enttäuschungen in meinem Leben; so wie sich die Grünen verhalten, weiß ich nicht, was ich machen soll. (Heiterkeit und Beifall bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Ich möchte das Thema nicht so sehr strapazieren, denn es wird eh bald wieder eine Sondersitzung einberufen werden, weil die Regierung wieder darauf vergessen wird, dass es den Bundesrat gibt. (Bundesrätin Mühlwerth: Genau!) Es gäbe noch Hunderte Dinge, die man tun müsste und könnte, die aber nicht gemacht werden; wir werden noch viel Gelegenheit haben, darüber zu reden. (Beifall bei der SPÖ.)

18.26

Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Ich begrüße auf der Galerie den ehe­maligen Bundesrat und jetzigen Nationalrat David Stögmüller. Schön, dass du auch wie­der einmal vorbeischaust, lieber David! (Beifall bei BundesrätInnen von Grünen und SPÖ.)

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Horst Schachner. – Ich erteile es Ihnen.