21.58

Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf vielleicht kurz zu einigen Punkten, die in den Debattenbeiträgen genannt worden sind, aber auch zu den Vor­lagen, die heute diskutiert werden, Stellung nehmen.

Zu Beginn zu einem Überblick über das 38-Milliarden-Euro-Hilfspaket, das die Bun­desregierung geschnürt hat, damit Österreich besser durch die Krise kommt, und dazu, wie diesbezüglich der Auszahlungsstand ist: Ich finde diese Zahlen sehr, sehr wichtig, weil sie aus meiner Sicht eindrucksvoll belegen, wie viel Geld schon geflossen ist und wie sehr schon geholfen werden konnte, und vieles wird da noch kommen.

Zunächst einmal sind bisher insgesamt 18 Milliarden Euro von diesen 38 Milliarden Euro an Liquidität zur Verfügung gestellt worden – 18 Milliarden Euro, bei Weitem keine Kleinigkeit, aber auch noch nicht alles, was aus dem 38-Milliarden-Euro-Fonds kommen wird.

Ein wichtiges Instrument, das schon angesprochen worden ist, sind die Steuer­stundun­gen. Es ist völlig richtig, das ist ein Aufschub, wenn man so will, aber wir werden auch noch weitere Konjunkturpakete entwickeln, und da werden wir überlegen, in welche Richtung wir mit den Steuerstundungen weitermachen werden. Generell sind durch diese Stundungen, die sehr, sehr schnell abgewickelt worden sind, bisher ja insgesamt 4,8 Milliarden Euro mehr an Liquidität in den Unternehmen verblieben. Hinsichtlich Garantien und Haftungen sind mittlerweile 3 Milliarden Euro an solchen Garantien und Haftungen von Bundesseite übernommen worden.

Was das Soforthilfepaket betrifft  also dort, wo direkt Cash geflossen ist: in den Be­reichen Pflege, 24-Stunden-Betreuung, Beschaffung von medizinischer Ausrüstung sowie Forschung und klinische Studien –, sind bisher in Summe 850 Millionen Euro geflossen.

Bei der Coronakurzarbeit, die ja eines der wichtigsten Instrumente zur Bekämpfung der Symptome der Krise ist, haben wir mittlerweile auf 10 Milliarden Euro aufgestockt. Mittlerweile sind über eine Million Menschen in Kurzarbeit. Wir haben zu Beginn mit den Sozialpartnern ausverhandelt, dass die Coronakurzarbeit aus einem Topf von maximal 400 Millionen Euro gespeist wird 400 Millionen! –, damals war auch die Gewerkschaft mit diesem Ergebnis hochzufrieden. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Wir waren alle der Überzeugung, dass das das richtige Mittel ist. 400 Mil­lionen Euro wurden zum damaligen Zeitpunkt von allen Seiten als ausreichend be­trachtet. (Bundesrätin Schumann: Nein!)

Mittlerweile stehen wir bei 10 Milliarden Euro. Niemand hätte vorhersehen können, wie groß der Bedarf wirklich ist, aber wir haben gesagt, wir wollen dort, wo es notwendig ist, ausreichend helfen, denn gerade, wenn es um die Fixkosten, um die Lebens­haltungskosten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geht, darf der Staat in einer solchen Krise nicht zurückstehen, das muss man ernst nehmen und auch ausreichend helfen.

Wir haben darüber hinaus bei allen Produkten, die wir aufgelegt haben, bei allen Maß­nahmen, die gesetzt worden sind, immer auf die Rückmeldungen dahin gehend, wie es vielleicht ein bisschen besser gehen könnte, gehört, die auch aus Ihren Reihen gekom­men sind. Wir haben die Kurzarbeit immer wieder nachgebessert, wir haben aber auch beim Härtefallfonds, bei dem es um den unmittelbaren Ausgleich für persönliche Bedürfnisse von Kleinstunternehmen und EPUs gegangen ist, mehrmals nachge­bessert.

Ursprünglich war 1 Milliarde Euro geplant, wir haben auf 2 Milliarden Euro aufgestockt. Wir haben die Kriterien für die zweite Phase, in der man ja bis zu 6 000 Euro bean­tragen kann, sehr, sehr weit aufgemacht, damit Flexibilität möglichst für alle, die dies brauchen, da ist. Wir haben den dreimonatigen Betrachtungszeitraum auf ein halbes Jahr ausgeweitet. Wir haben auch Jungunternehmer hineingenommen, die seit dem Jahr 2018 gegründet haben. Wir haben eine Mindestförderhöhe einbezogen, weil wir gesehen haben, dass es Kleinstunternehmen gibt, die in den letzten drei Jahren keinen Gewinn gemacht haben  drei Jahre in Folge keinen Gewinn!  und jetzt trotzdem Geld bekommen sollen, weil wir gesagt haben: Wenn jemand selbstständig tätig war, dann muss er wohl von irgendetwas gelebt haben und dann ist er auch anspruchsberechtigt, dann soll zumindest eine Auszahlung in der Mindesthöhe von 500 Euro erfolgen.

Es gibt den Coronahilfsfonds, die 15 Milliarden Euro, aus dem einerseits die Zuschüs­se erfolgen werden – dafür werden die Richtlinien gerade ausgearbeitet –, aber ande­rerseits auch die Kredithaftungsübernahmen getätigt werden.

Wir haben in den letzten zwei Monaten im Finanzministerium eine wahre Odyssee, was Bankenregulierung betrifft, durchgemacht. Wir haben uns ganz zu Beginn der Krise angeschaut, ob es schon irgendwo in Europa Maßnahmen gibt, die im Zusam­menhang mit der Bekämpfung der Krise sinnvoll sind, und haben gesehen: Ha, die Schweiz macht ein zu 100 Prozent garantiertes Kreditprodukt! Da kann man 400 000 Schwei­zer Franken kriegen (Bundesrätin Zwazl: 800!)  oder bis zu 800 000 , und der Staat übernimmt die volle Haftung. Wir haben gesagt: Super, das machen wir auch! – Wir sind dann draufgekommen, wir dürfen das gar nicht, weil das nach euro­päischem Beihilfenrecht nicht erlaubt ist; dann haben wir bei der Europäischen Kom­mission angesucht, das machen zu dürfen. Es hat geheißen: Nein, das ist nicht erlaubt!

Gut, dann haben wir uns darangemacht, zu versuchen, andere Kreditprodukte zu bauen: 90 Prozent, 80 Prozent, mit den verschiedensten Kriterien. An dem Tag, als wir präsentiert haben, dass wir fertig sind und das jetzt beantragt werden kann, hat die Kommission gesagt: Na, jetzt sind die 100-Prozent-Garantien bis zu einem gewissen Grad doch möglich!

Was haben wir gemacht?  Wir haben uns übers Wochenende gleich hingesetzt und versucht, das nachzubauen. Das muss natürlich alles wieder gemacht werden, es braucht wieder Verhandlungen und so weiter. Wir haben das innerhalb einer Woche aufgestellt und dann eine weitere Woche gebraucht, bis die Kommission uns genehmigt hat, das aufzulegen  eine weitere Woche.

Wir haben dann gesehen, die Banken vergeben doch nicht so schnell, wie wir das gerne gehabt hätten. Ich habe mir gedacht, mit 100 Prozent Garantie gibt es kein Risiko mehr, das wird ja alles schnell funktionieren. Es hat nicht funktioniert. Warum?  Weil in den letzten Jahren nach der Finanz- und Wirtschaftskrise, zum Teil auch zu Recht, sehr, sehr hohe bürokratische Hürden für den Bankensektor aufgebaut worden sind, Basel I, II, III, IV  ich weiß nicht, wie viele noch , damit eben die Banken keine zu hohen Risiken mehr nehmen, und jeder einzelne Bankbedienstete in der Filiale ist in den letzten Jahren geschult worden, ja kein Risiko zu nehmen.

Jetzt haben wir gesagt: Ihr müsst jetzt aber schneller machen und das rascher prüfen, denn die Unternehmer brauchen jetzt Hilfe! – Die haben gesagt: Es gibt das Bank­wesengesetz, es gibt Basel, es gibt all das, daran müssen wir uns halten! Wie soll das denn gehen?  Dann haben wir noch einmal eine Runde gedreht: auf der europäischen Ebene, mit der EZB, mit der österreichischen Finanzmarktaufsicht. Wir haben darum gebeten, uns zu sagen, wo man die Richtlinien der Europäischen Union so interpretieren kann, dass man möglichst flexibel jenes System erreicht, das auch die Schweizer haben.

Wir haben dann in nächtelangen Verhandlungen eine Beschleunigung möglich ge­macht, indem wir gesagt haben: Die Garantiebedingungen, die von der europäischen Seite definiert sind, braucht jetzt nicht mehr die Bank zu prüfen, sondern der Unter­nehmer bestätigt eidesstattlich, dass diese in seinem Unternehmen gegeben sind. Das heißt, die Bank braucht das gar nicht mehr zu prüfen, sondern der Unternehmer be­stätigt mit Unterschrift und eidesstattlich, dass das passt, und dann prüft es die Finanz im Nachhinein. Das heißt, der gesamte Prüfschritt bei der Bank fällt weg.

Das Bankwesengesetz sieht bei jeder Kreditvergabe intensive Bonitätsprüfungen vor und verlangt für die nächsten Monate Businessplanrechnungen, Umsatzrentabilität und so weiter. Da haben wir gesagt: Bitte, kein Unternehmer kann jetzt sagen, was in den nächsten Monaten reinkommen wird! – Die Banken haben gesagt: Nach dem Bank­wesengesetz müssen wir das aber prüfen! – Wir haben dann zur FMA gesagt: Bitte, könnt ihr nicht schauen, dass man vielleicht bei bestehenden Kreditkunden, die ja ohnehin schon ein Kreditkonto bei der Hausbank haben, diese Bonitätsprüfung zumin­dest nur formal schnell abhandeln kann?, denn die Bank kennt den Unternehmer ja, die wird ja wohl wissen, ob er noch einen Kredit kriegen kann oder nicht. Jetzt haben wir das auch beschleunigt und diese Bonitätsprüfung in vollem Umfang ist nur mehr bei Neukunden notwendig. Die Vorausplanungen haben wir sowieso abgeschafft.

Bei all diesen Schritten muss man mit jeder einzelnen Institution verhandeln, mit den staatlichen Behörden, die nicht einmal der Regierung angehören, sondern unabhängig sind, mit den europäischen Behörden, mit den Banken, mit der OeNB. Jetzt haben wir das geschafft, und mittlerweile sind im Zusammenhang mit diesen 100-Prozent-Garantien über 3 000 Kredite beantragt worden.

Ich erzähle das nur deswegen, weil wir sehr intensiv darauf hören, was uns von der Unternehmerschaft gesagt wird, wo es irgendwie hakt, und wir versuchen dann, herauszufinden: Sind es einzelne Fälle, bei denen man sich jeden einzelnen an­schauen muss, oder gibt es irgendwo ein strukturelles Problem und man muss einfach in der Umsetzung nachbessern? – Das ist eigentlich seit zwei Monaten unser Tages­ablauf: eine Idee haben, wie man helfen kann, versuchen, diese umzusetzen, schauen, was man an der Umsetzung verbessern kann. Ich gehe davon aus, das wird jetzt noch einige Monate lang so gehen, weil die Krise wohl auch noch einige Monate lang dauern wird.

Ich bin aber froh, dass es in vielen Bereichen auch Verständnis dafür gibt, dass wir immer wieder nachbessern und auch die Behörden da stark unter Druck sind. Ein großes Danke an die Finanzbehörden, auch an die Wirtschaftskammer für die rasche Abwicklung des Hilfsfonds, und an alle, die in dieser Krise auch im staatlichen Apparat wirklich Großartiges leisten. Das ist wirklich beeindruckend, dafür ein großes Danke von dieser Seite. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Es ist schon angesprochen worden, in diesem Paket gibt es zahlreiche weitere Maß­nahmen wie zum Beispiel die Umsatzsteuerbefreiung von Masken oder eine Änderung in der Bundesabgabenordnung, sodass Zahlungserleichterungen bei Gutschriften steu­erlicher Natur auch direkt fließen können. Wir haben auch sichergestellt, dass pen­sionierte Ärzte, die zurückkommen, keine steuerlichen Nachteile erleiden, und wir werden im Zusammenhang mit dem Geld, das vergeben worden ist, im Nachhinein natürlich alles prüfen.

Die Finanz bekommt die Möglichkeit, hinsichtlich des vergebenen Geldes auch auf Richtigkeit zu prüfen, denn jetzt ist zwar Geschwindigkeit notwendig, das ist völlig richtig, jetzt gibt es so viel Kulanz wie möglich, aber wir müssen auch sicherstellen, dass es nicht die Möglichkeit für strukturellen Missbrauch von Steuergeld gibt – des­wegen auch die klare Strafandrohung, wenn da jemand Missbrauch begeht. Es braucht da keine Kriegsgewinnler zu geben – das will ich auch sagen. Niemand hat Ver­ständnis dafür, wenn jetzt in der Krise jemand versucht, sich auf Kosten der Allge­meinheit zu bereichern; daher die klare Kontrolle durch die Finanz, die im Nachhinein möglich sein wird und sein muss, und die auch kommen wird  das darf ich hier auch allen ins Stammbuch schreiben.

Abschließend: Vielen Dank für die gute Zusammenarbeit in diesen nicht immer ein­fachen Zeiten, auch mit dem Bundesrat. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der FPÖ.)

22.09

Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Doris Hahn. – Frau Bundesrätin, ich erteile Ihnen das Wort.