10.02

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr ge­ehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! In meiner Kindergruppe sind aktuell zwei Mädchen, die gerade die neunte Schul­stufe absolviert haben und auf Lehrstellensuche sind – leider haben beide keinen so privilegierten familiären Hintergrund, wie wir es heute schon gehört haben –, die eine möchte Konditorin werden, die andere Tischlerin. Sie haben unzählige Bewerbungen geschrieben, sie haben wenige Antworten bekommen und leider nur Absagen. (Bundes­rat Rösch: Das ist die Realität!) Überall dort, wo es möglicherweise einen Hoffnungs­schimmer gab, wurde er durch Corona zunichte gemacht. Keine Tischlerei, keine Kondi­torei traut sich drüber, jetzt einen Lehrling aufzunehmen.

In der letzten Woche ist es zum Glück gelungen, für eine der beiden eine Perspektive zu eröffnen, und zwar konnten wir sie bei Jugend am Werk in einer überbetrieblichen Lehr­werkstätte in Wien unterbringen. Das Mädchen und seine Mutter sind unglaublich er­leichtert. Das gibt Hoffnung, das gibt eine Perspektive. (Beifall bei der SPÖ.) Sie wissen aber auch, dass es ein extremer Glücksfall war.

Das andere Mädchen, das Konditorin werden will, hat aktuell keine Ahnung, was mit ihr im September sein wird. Das ist sehr, sehr belastend.

Kollege Lackner, jetzt kann ich Ihnen gleich eine gute Nachricht bringen: Die Stadt Wien hat vergangene Woche die Zahl der Lehrstellen verdoppelt. Das gibt wirklich große Hoffnung für viele, viele Jugendliche in Wien. Die Stadt Wien hat erkannt, dass wir uns keine „Generation unsicher“ leisten können. Wir müssen Perspektiven statt Planlosigkeit vermitteln. Das gelingt uns dadurch zumindest für einige Tausend Jugendliche. Ich den­ke mir: Was in Wien gelungen ist, sollte österreichweit gelingen und sollte im öffentlichen Dienst insgesamt, auch beim Bund, möglich sein. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bun­desrates Lackner. – Bundesrat Schennach: Wien agiert und braucht keine Taskforce!)

Ich möchte alle Bundesländer und auch die Bundesregierung bitten, das nachzumachen, was in Wien vorgemacht wurde, denn die Jugendarbeitslosigkeit und diese Perspekti­venlosigkeit müssen nicht sein. Es ist allein eine politische Entscheidung, ob da investiert wird und die richtigen Maßnahmen getroffen werden.

Die Alternative zur Arbeitslosigkeit ist – ich denke, darin sind wir uns einig –, junge Men­schen in Ausbildung zu bringen, aber das muss jetzt passieren. Es sind noch sechs Wochen, bis der September beginnt. Eine Taskforce, die jetzt beginnt, sich Gedanken zu machen (Bundesrat Schennach: Ist lächerlich!), löst in mir Unbehagen aus, und ich empfinde Ungeduld und denke mir: Die Zeit drängt.

In sechs Wochen Tausende Jugendliche in Ausbildung zu bringen, das ist ein logisti­scher Kraftakt – das weiß ich. Da müssen jetzt die Maßnahmen gesetzt werden, und es muss jetzt die Logistik übernommen werden. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schen­nach: Diese Taskforce ist lächerlich!) Es darf kein Tag mehr vergehen, an dem man sich nur Gedanken macht, sondern man muss ins Handeln kommen. Ich denke, da drängt die Zeit extrem.

Ich möchte noch ein Wort zu den Perspektiven für junge Menschen verlieren: Das eine ist, Lehrstellen und Ausbildungsplätze zu finden, das andere ist die materielle und die existenzielle Absicherung von einzelnen Menschen und auch Familien, weil das ganz viel mit Perspektive, mit Mut und mit Hoffnung, die Sie heute angesprochen haben, zu tun hat.

Da gibt es nicht erst seit der Coronakrise Handlungsbedarf. Es gab schon vor der Co­ronakrise 300 000 Kinder und Jugendliche, die unter der Armutsgrenze leben mussten. Wir wissen, was das für die Bildung, für die Arbeitsmarktchancen, für die Gesundheit, für die Sozialkontakte bedeutet.

Wir haben in den letzten zwei Wochen zwei Studien kennenlernen müssen, in denen beschrieben wurde, welche Auswirkungen diese Perspektivenlosigkeit auf die Psyche dieser jungen Menschen hat. Wir wissen, was das in den Familien auslöst. Wir wissen, dass die Gewaltstatistik enorm steigende Zahlen aufweist. Die Frauenhäuser sind quasi voll, die Hotlines gehen vor Meldungen über. Das ist ein so großer, nachhaltiger Scha­den, wenn eine Generation heranwächst, die mit Angst belastet ist und deren Psyche enorm leidet, dass wir ihn uns als Gesellschaft nicht leisten können. Wir können uns keine kranke neue Generation leisten. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Ministerin, Sie haben in diesem Fall das Glück, Arbeits- und Jugendministerin zu sein und beides in der Hand zu haben. Es ist Ihre Entscheidung, ob man jetzt in die Gänge kommt und ob diese Generation eine Perspektive bekommt oder verloren geht. Bitte kommen wir in die Gänge! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

10.07

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. – Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.