17.12

Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (SPÖ, Burgenland): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Werte Kolleginnen und Kollegen! Was mir gleich zu Beginn aufgefallen ist: Herr Kollege Lackner fordert Verbesserungen der Arbeitsbedingungen ein – die Grünen klatschen. Als meine Fraktion das einforderte, kam gar nichts – also das mutet etwas seltsam an. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Rösch.)

Wir haben es gehört und wir wissen es, es ist uns bewusst, dass durch die Covid-19-Krise die ErntearbeiterInnenthematik, eigentlich ist es eine -problematik, verstärkt aufge­poppt ist. Die Landwirtschaft und die Menschen, die in der Landwirtschaft tätig sind, pro­duzieren wertvolle Güter, nämlich unsere Lebensmittel. Deshalb möchte ich hier beileibe nicht – es wird uns ständig vorgeworfen, und das weise ich von uns – ein Bauernbashing betreiben, absolut nicht, vielmehr fordere ich die türkis-grüne Bundesregierung auf, ihre Verantwortung wahrzunehmen und endlich auch entsprechende Arbeitsbedingungen und eine leistungsgerechte Entlohnung – und das gebe ich Ihnen in Großbuchstaben mit – für die Erntearbeiterinnen und Erntearbeiter umzusetzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wissen, dass gerade diese Arbeitsverhältnisse prekäre Arbeitsverhältnisse sind. Auf­grund der Coronakrise konnten die Erntearbeiterinnen und Erntearbeiter nicht wie ge­wohnt aus dem benachbarten Ausland anreisen, um in der Landwirtschaft dafür zu sor­gen, dass in den Geschäften das frische Gemüse und Obst zur Verfügung steht.

Wir haben auch vielfach gehört, dass es bei uns zwar viele Leute gab, die sich für diese Arbeit interessiert haben, aber es hat sich dann auch gezeigt, dass diese Leute für diese Arbeit nicht geeignet waren. Ich habe auch selber mit Landwirtinnen und Landwirten gesprochen, auch mit unserem Referenten in der Burgenländischen Landesregierung, und ich habe erfahren, dass man es aufgrund der prekären Bedingungen einfach ver­absäumt hat, dafür zu sorgen, dass auch die inländischen Arbeitnehmerinnen und Ar­beitnehmer, die diese Arbeit gerne verrichten würden, das tun können, und für die Attrak­tivierung dieser Arbeit hat man auch nicht gesorgt.

Nur ganz wenige waren auch beruflich vorbelastet; viele kamen aus der Gastronomie oder aus dem Handel. Und wenn es Leute aus dem Baugewerbe waren, dann, hat mir ein Landwirt gesagt, wäre es gar nicht möglich gewesen, diesen den Betrag zu bezahlen, den zu bekommen sie gewohnt sind. Wenn man sich die Kollektivverträge anschaut, sieht man: Die Entlohnung liegt bei unter 1 500 Euro. Mit dem Lebensmitteleinzelhandel sind fixe Preise ausgehandelt, und es gibt die starke Konkurrenz aus dem Ausland, das haben wir auch schon gehört. Dort wird einfach billiger produziert, aber da muss man sich auch anschauen, warum das wohl so ist. Die Qualität, die Herstellung, der Pestizid­einsatz, die geringeren Gehälter – all das muss bedacht werden.

Natürlich kann man ins Treffen führen, dass das eine oder andere verabsäumt wurde – wie ich bereits gesagt habe, hat man es verabsäumt, das geeignete Personal für die Erntearbeiten quasi auszubilden. Die geringe Entlohnung und die sehr schwere körper­liche Arbeit, die auch nicht an einem 8-Stunden-Tag machbar ist und auch nicht zu Freitagmittag endet, ist einfach etwas, was sehr herausfordernd ist, denn wenn Spargel oder Erdbeeren reif sind, dann müssen die einfach vom Feld in die Geschäfte gebracht werden, damit man sie auch zur Verfügung hat.

Der Tenor aus meinen Gesprächen mit Leuten aus der Landwirtschaft – und auch aus sozialdemokratischer, also aus zutiefst menschlicher Sicht – ist immer wieder, es braucht da endlich einen gerechten Mindestlohn. Sie haben gerade angesprochen, dass die Konsumentinnen und Konsumenten günstig einkaufen wollen; wenn ein gerechter Mindestlohn bezahlt wird, dann werden auch die Konsumentinnen und Konsumenten andere Preise bezahlen können und wollen.

Im Endeffekt geht es darum – lassen Sie mich das noch einmal sagen –, dass jede Erntearbeiterin, jeder Erntearbeiter einen gerechten Lohn erhält. Und noch einmal – das rufe ich Ihnen nochmals in Großbuchstaben zu –: Es geht darum, dass diese gute Arbeit, und in diesem Fall ist es eine sehr schwere körperliche Arbeit, gerecht entlohnt wird – egal, woher jemand kommt, und egal, wo jemand lebt. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Steiner-Wieser und Lackner.)

Die Verantwortung, dass die gerechte Entlohnung jetzt ausschließlich auf die Landwirtin­nen und Landwirte abgewälzt wird, ist einfach zu kurz gedacht. Natürlich greift auch das Argument, dass die Preisgestaltung des Handels schon auch ein Faktor ist, der dazu beiträgt. Ich habe mir erzählen lassen, dass die Landwirtinnen und Landwirte für einen Bund Radieschen 30 Cent bekommen; im Handel wird er um 1,29 Euro, 1,39 Euro wei­terverkauft, also die Marge für den Handel ist da schon groß. Aber weil die Grünen auf den Handel so losgegangen sind: Reden Sie mit Ihren türkisen Kollegen, die haben gute Kontakte zu den Unternehmen! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Schumann: Sehr gute Kontakte!)

Jetzt haben wir von der Sozialdemokratie uns überlegt: Wie können wir da Lösungen anbieten? Wie wäre es, wenn man sich Förderungen bedient und diese Förderungen für die Entwicklung des ländlichen Raumes unter sozialen Aspekten gewährt? So unterstüt­zen Sie die Landwirtinnen und Landwirte, so stützen Sie die Produkte und so wird es auch möglich, den Erntearbeiterinnen und Erntearbeitern einen gerechten Lohn zu be­zahlen. Nicht nur die Umwelt spielt eine wichtige Rolle in der Landwirtschaft, sondern bitte auch der Faktor Mensch. (Beifall bei der SPÖ.) Dem muss ganz einfach Rechnung getragen werden, indem es für unsere Landwirtinnen und Landwirte, die dabei helfen, den Erntearbeiterinnen und Erntearbeitern auch einen gerechten Lohn zu bezahlen, fi­nanzielle Hilfe gibt.

Da können wir auf die Gemeinsame Agrarpolitik der EU setzen. Der mit Abstand größte Teil der finanziellen Fördermittel wird immer noch für Flächenprämien bezahlt. Daran sind aber keine Maßnahmen geknüpft, um zum Beispiel Soziales zu fördern. Diese Flä­chenförderung führt zu ungerechter Verteilung, so vergibt man Chancen für wirkliche Lösungen. Halten wir nicht an der Flächenförderung fest, sondern fördern wir die Betrie­be, die die ökologischen und vor allem auch sozialen Kriterien einhalten und umsetzen! Das schafft gute Arbeitsplätze und gerechte Einkommen, belebt die Branche und sichert die Landwirtschaft für die Zukunft. Wir brauchen nämlich nicht nur landwirtschaftliche Nachhaltigkeit, sondern auch soziale Nachhaltigkeit.

Mir ist schon klar, dass das jetzt nicht Ihr Ressort ist, aber bitte reden Sie mit Ihrer Amts­kollegin! (Bundesrat Bader: ... Sie, die die Anfrage ...!) Sie hat es in der Hand, wie sie diese Fördergelder verteilt. Die EU-Fördergelder - - (Bundesrat Bader: Außerdem ist es eh schon - -!) – Wir können dann gerne nachher noch reden. (Bundesrat Bader: Es steht eh schon in der APA, was du sagst!) – Na ja, gerechter Lohn für alle Branchen, ob das jetzt Landwirte sind, Leute im Handel sind, das ist komplett wurscht, das fordern wir überall. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Bader: Es steht schon in der APA!)

Die EU-Fördergelder, die im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU zur Verfü­gung stehen, stehen auf zwei Säulen. Die erste Säule sind die sogenannten Direktzah­lungen, und der Erhalt dieser Fördermittel hängt vom Flächenbesitz ab.

In der zweiten Säule sind dann die Gelder, die innerhalb des Programms für die ländliche Entwicklung, also des kofinanzierten Eler-Fonds, zur Verfügung stehen. Das sind jährlich insgesamt circa 2 Milliarden Euro durch die Förderung der EU und die nationale Kofi­nanzierung.

In Österreich gibt es auf nationaler Ebene für die 1,1 Milliarden Euro der zweiten Säule keine gesetzliche Beschlussfassung, die Landwirtschaftsministerin entscheidet über die Gewichtung der Maßnahmen allein. 2013 ist es der SPÖ gelungen, der ÖVP als dama­ligem Regierungspartner abzuringen, erstmals die im Rechtsrahmen der GAP enthalte­ne Möglichkeit zu nutzen, diese EU-Fördergelder auch für Investitionen in soziale Dienst­leistungen zu verwenden. (Ruf bei der FPÖ: Richtig!) Bis dato wurden aber nur 3 Prozent der Mittel des Programms für die ländliche Entwicklung für diese Maßnahmen gewidmet, möglich wären aber 25 Prozent, die man in diese sozialen Dienste investieren könnte.

Leider hat die ÖVP im Mai 2019 im Nationalrat die Forderung, dass für Investitionen in soziale Dienste oder Mobilitätsinfrastruktur deutlich mehr EU-Mittel des Eler gewidmet werden, abgelehnt. Auch hier im Bundesrat fand diese wichtige Aufforderung leider keine Mehrheit.

Ich fasse zusammen: Die Landwirtschaft leistet einen großen gesamtgesellschaftlichen Beitrag. Hauptaugenmerk legen wir dabei auf die Produktion hochwertiger, nachhaltig hergestellter Produkte. Das Tierwohl wird Gott sei Dank großgeschrieben. Wir haben eine Trendwende in Richtung umwelt- und klimafreundliche Landwirtschaft. Eine nach­haltige Landwirtschaft verzichtet auf Pestizide und bedient sich organischer Dünger. Das ist ein extrem großer Beitrag, den diese Branche für ein gutes Leben leistet. Das rechnen wir hoch an und das möchten wir immer wieder betonen. (Beifall bei der SPÖ.)

Uns geht es darum, die Landwirtschaft und die dort tätigen Menschen zu stärken und zu unterstützen, und das sind eben nicht nur die Landwirtinnen und Landwirte, sondern auch die landwirtschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Heute haben wir auch schon gelesen, dass die AK und der ÖGB fordern, dass, wenn keine fairen Bedingungen herrschen, auch keine Agrarförderungen mehr ausbezahlt werden sollen. – Das finde ich gut.

Und während sich jetzt die beteiligten Player wie die Gewerkschaften und die NGOs, Aktivistinnen und Aktivisten, die gesetzlichen Interessenvertretungen der in der Land­wirtschaft Beschäftigten und natürlich auch die landwirtschaftlichen Betriebe, die sich genau an die gesetzlichen Bestimmungen halten oder sie mitunter sogar übererfüllen, selbst faire Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft wünschen und sich dafür einset­zen, scheint das ausgerechnet der österreichischen Bundesregierung – mit grüner Betei­ligung – kein großes Anliegen zu sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich, aus dem Blaufränkischland kommend, kenne vor allem sehr viele Winzerinnen und Winzer, bei denen diese Erntearbeiterinnen und Erntearbeiter auch Familienanschluss haben, also wie Familienmitglieder behandelt werden. Schwarze Schafe gibt es überall; mir persönlich ist in dem Fall bei uns diesbezüglich nichts bekannt. (Bundesrat Steiner: Schwarze Schafe, das ist diskriminierend gegenüber den weißen! – Heiterkeit bei der FPÖ.) – Wie bitte? (Bundesrat Steiner: Schwarze Schafe!)

Besinnen Sie sich bitte endlich wieder auf Ihre christlich-sozialen Werte! Und nur so als Denkanstoß – vielleicht können Ihre grünen Partnerinnen und Partner da positiv auf Sie einwirken –: Ich fordere Sie auf: Setzen Sie jene politischen Initiativen und Maßnahmen, derer es bedarf, dass auch im Bereich der Erntearbeiterinnen und Erntearbeiter men­schenwürdige Bedingungen herrschen und es gerechte Entlohnung gibt! Gute Arbeit soll auch gut, also gerecht, entlohnt werden. Schwerste körperliche Arbeit, die konzentriert gemacht werden muss, muss etwas wert sein.

Daher stelle ich folgenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verbes­serungen im Bereich der Erntearbeit“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Ju­gend wird aufgefordert, umgehend die erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen zu erarbeiten, um wirksame Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeits- und Wohnsituation der in der Erntearbeit Beschäftigten vorzunehmen und die Kontrolltätigkeiten in diesem Bereich stark zu intensivieren.“

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Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

17.24

Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Der von den Bundesräten Korinna Schu­mann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Ver­besserungen im Bereich der Erntearbeit“ ist genügend unterstützt und steht demnach in Verhandlung.

Als nächster Redner ist Bundesrat Martin Preineder zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Kollege.