9.02

Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher und Zuhörer zu Hause via Livestream! Ich habe für Sie gleich zu Beginn eine gute und eine schlechte Nachricht. Üblicherweise macht es Sinn, mit der schlech­­ten zu beginnen: Das Coronavirus wird unser Leben leider auch noch im Schul­jahr 2020/2021 prägen, mit allen pädagogischen, psychologischen und organisatori­schen Herausforderungen, die für ein solch komplexes System wie unser Schulsystem zu erwarten sind – mit mehr als 5 000 Standorten, rund 1,1 Millionen Schülerinnen und Schülern und 120 000 Lehrkräften. Da liegt es natürlich auf der Hand, dass im Detail immer wieder vor Ort entschieden werden muss, wie die Coronazeit am besten bewältigt werden kann.

Nun zur guten Nachricht: Mit dem Schulstart Anfang September ist für viele Kinder und Jugendliche wieder ein Stück Normalität in den Alltag zurückgekehrt. Die meisten von ihnen haben sich auf den Schulbeginn auch wieder so richtig gefreut. Der Großteil hat beim Distancelearning neue Kompetenzen erworben, die auch in Zukunft sehr hilfreich sein werden.

Schauen wir uns nun die aktuelle Situation an: Die Sommerschulen sind erfolgreich abgeschlossen und das Feedback war in allen Bundesländern ein durchaus positives; meine Kollegin, Frau Ringer, wird noch genauer darauf eingehen. Man muss aber auch ehrlicherweise sagen, dass durch diese Ausnahmesituation im letzten Semester bei manchen Schülern und Schülerinnen Lernlücken größer geworden sind und Ängste und Unsicherheiten dazugekommen sind. Deshalb war es uns jetzt in den ersten Schul­wochen besonders wichtig, den Schülern und Schülerinnen das Gefühl von Sicherheit und Halt zu vermitteln und den Wiedereinstieg in den Unterricht umsichtig zu begleiten, allem voran mit einer transparenten und klar geregelten Kommunikation und Information, da es hier immer wieder unzählige Fragen gegeben hat.

Um einige Fragen zu nennen, Fragen, die zum Beispiel vor allem von Frauen gekommen sind: Wer hilft mir, wenn ich meinen gesamten Urlaub aufgebraucht habe und jetzt mein krankes Kind zu Hause betreue? – Es freut mich, dass wir die Verlängerung der Son­derbetreuungszeit von bis zu drei Wochen bei Fortzahlung des Entgeltes beschlossen haben. Oder: Wer hilft mir, wenn ich mich nicht mehr raussehe und psychologische Unterstützung brauche? – Dazu ist zu sagen, dass jedes Bundesland eine schul­psycho­logische Beratungsstelle hat, mit einem kostenlosen Service, das es in mehreren Sprachen gibt. Und neu ist auch, das wissen vielleicht viele von uns nicht, dass es seit dem Schulstart auch eine Coronaschulhotline gibt. Dorthin können sich Schüler, Eltern, Lehrer wenden, wenn es um schulische Fragen geht.

Ich komme nun zu unseren Pädagogen und Pädagoginnen: Diese sind in den letzten Monaten sehr, sehr oft an ihre Kapazitätsgrenzen gekommen und haben dennoch Flexibilität, Durchhaltevermögen und Optimismus gezeigt und somit für unsere Gesell­schaft Wertvolles geleistet. Sie sind schließlich die Schlüsselarbeitskräfte im Bildungs­system. Dafür ein herzliches Dankeschön! (Allgemeiner Beifall.)

Daher brauchen unsere Pädagoginnen und Pädagogen auch weiterhin Unterstützung. Es ist mir wichtig, einige Unterstützungsmaßnahmen, die seitens des Bundesminis­teriums gekommen sind, hervorzuheben. Seit Sommer gibt es beispielsweise die Online-Fort- und Weiterbildungsinitiative Distance Learning Massive Open Online Course. Diese kann orts- und zeitunabhängig und im eigenen Tempo absolviert werden, auch als Ergänzung zu den Angeboten der Pädagogischen Hochschule. Eine weitere Initiative ist Hashtag Weiterlernen, bei der sich Eltern und Lehrer und Lehrerinnen Informationen und Hilfsmaterialien zukommen lassen können.

In diesem Zusammenhang möchte ich zum Beispiel auch die digitalen Buddies nennen, wo wir zum Beispiel pensionierte Lehrer und Lehrerinnen, Mentoren, Mentorinnen als Ansprechpartner für schulische und sonstige Herausforderungen in der aktuellen Situ­ation haben.

In einem Punkt sind wir uns wahrscheinlich alle einig: dass es keine großflächigen Schließungen von Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen geben soll. Daher brauchen wir diese Coronaampel quasi auch als Stufenplan in der regionalen Covid-19-Bekämpfung zur Verhinderung eines Lockdowns des gesamten Bildungssystems und damit es bei lokalen Ausbrüchen zu möglichst kleinräumigen Eingriffen in unser Bil­dungssystem kommt. Es kommt zu verschärften Vorsichtsmaßnahmen nur in jenen Regionen, wo dies aufgrund der Infektionslage auch tatsächlich notwendig ist, während für Bildungseinrichtungen in anderen Gebieten weitgehend Normalität herrscht.

Bei Orange beispielsweise gibt es ja auch die schulautonome Option, dass in der Sekundarstufe 2 ein flexibles Schichtmodell angewendet werden kann, da sich gezeigt hat, dass speziell diese Schüler und Schülerinnen in der Lage sind, Lerninhalte schon selbstständig zu erarbeiten, zu vertiefen, und die Betreuungsnachfrage ist hier auch nachrangig.

Es hat sich auch gezeigt, dass die Schüler und Schülerinnen ab der Sekundarstufe 2 ein sehr viel höheres Ausmaß an externen Sozialkontakten haben und so auch zur Be­schleunigung der Verbreitung der Infektionen beitragen können. Deshalb appelliere ich hier auch an die Eigenverantwortung, dass trotz der Pflege der sozialen Kontakte, was gut und richtig ist, Abstands- und Hygienerichtlinien eingehalten werden. Ich bitte dies­bezüglich auch die Eltern, mitzuhelfen, und auch die Pädagogen mit häufigem Lüften, vor allem mit richtigem Lüften.

So unangenehm Krisen auch sein können, Krisen bieten auch immer Chancen, da sie uns einerseits aus dem Alltag herausreißen, aber auch eine neue Sicht auf die Dinge erfordern, wie zum Beispiel Paul Romer, ein amerikanischer Ökonom und Nobel­preis­träger, einst gesagt hat: „A crisis is a terrible thing to waste“. Eine Chance, die genutzt wurde, ist der verstärkte Einsatz neuer Informations- und Kommunikationstechnologie.

Die Digitalisierung umfasst ja heute schon so ziemlich jeden Lebensbereich; sie ist die größte Veränderung des Wirtschaftens, des Arbeitens, der Kommunikation. Unser Zu­sammenleben wird sich dadurch zwangsläufig grundlegend verändern, und das stellt insbesondere ja auch unser Bildungssystem vor sehr große Herausforderungen, von den fachlichen Inhalten bis zur Art und Weise des Wissenserwerbs und der Wissens­vermittlung. Dabei zeigt sich, dass weniger das Erlernen einzelner Fakten im Vorder­grund steht, sondern vor allem das Verständnis für große Strukturen, für Zusammen­hänge, Kritikfähigkeit und Interpretation.

In dieser Digitalisierung liegt enormes Potenzial für unser Bildungswesen. Klar ist auch, dass sich das Bildungswesen diesen Veränderungen umfassend stellen muss, daher hat das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung einen Masterplan für Digitalisierung herausgegeben und davon abgeleitet einen Acht-Punkte-Plan. (Zwischen­ruf der Bundesrätin Hahn.) Ich möchte davon einige wenige Punkte herausgreifen, die ich als sehr wichtig erachte, wie zum Beispiel die Ausrichtung der Eduthek auf die Lehrpläne oder das Gütesiegel Lern-Apps, den Ausbau der schulischen Basis IT-Infra­struktur in Bundesschulen oder auch die Zurverfügungstellung von digitalen Endgeräten für Schüler und Schülerinnen ab der fünften Schulstufe. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)

Die Digitalisierung ist nicht nur eine Notmaßnahme, sondern sie ist unsere Zukunft, eine Chance, organisatorische Verwaltungsabläufe und pädagogisch-didaktische Zugänge zu modernisieren. Die Digitalisierung können und sollten wir auch nicht aufhalten, son­dern diesen Prozess aktiv mitgestalten – nicht nur Pädagogen und Pädagoginnen, sondern auch wir als Eltern, Großeltern oder weitere Bezugspersonen.

Zum Abschluss ist es mir noch wichtig zu betonen, dass die Schule in dieser Zeit einen unverzichtbaren Beitrag zum Funktionieren unserer Gesellschaft und damit auch einen wichtigen Beitrag zur erfolgreichen Bewältigung der Pandemie leistet. Die Coronakrise hat zwar nicht viele positive Dinge bewirkt, aber ans Licht gebracht, dass es in unserer Gesellschaft einen hohen Grad an Solidarität gibt, wie die vielen Initiativen zur Nach­barschaftshilfe auch im Bildungsbereich gezeigt haben.

Eines traue ich mich mit Sicherheit zu sagen: Die Zukunft bleibt ungewiss. Die Zukunft ist für uns alle ein Lernprozess, nämlich zu lernen, mit Ungewissheit umzugehen. Bleiben Sie gesund! – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

9.12

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Doris Hahn. – Bitte, Frau Bundesrätin.