14.12

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Sie unsere Debatte vor den Fernsehgeräten oder via Livestream mitverfolgen! Digitalisierung als „Impfstoff der Wirtschaft“ und damit verbun­den „die Chancen aus der Krise nutzen“ ist das Thema unserer Aktuellen Stunde. Ange­sichts der widerwärtigen, feigen und hinterhältigen Vorkommnisse am vergangenen Montagabend in unserer Bundeshauptstadt Wien, angesichts einer weltweiten Covid-19-Pandemie, die unsere Gesundheit beeinträchtigt, die unsere Lebensgrundlagen bedroht, mag es für manche verwunderlich erscheinen, eine Aktuelle Stunde zum Thema Digita­lisierung durchzuführen.

Ich glaube allerdings, dass es ein gut gewähltes Thema auch in Zeiten wie diesen ist, weil wir nicht im Entweder-oder Diskussionen führen und Maßnahmen treffen sollten, sondern im Sowohl-als-auch. Wir wollen sowohl als auch den Angriffen auf unsere Le­bensart, auf unsere freie Demokratie, auf unsere Werte trotzen. Ich sage das auch na­mens der Fraktion der Österreichischen Volkspartei und unseres Fraktionsvorsitzenden Karl Bader: Hier werden wir nicht weichen, hier werden wir nicht zurückweichen, für diese Werte, für diese Lebensgrundlagen, für diese freie Demokratie wollen wir gemein­sam eintreten.

Genauso ist es wichtig, die Pandemie zu meistern. Wir müssen offenkundig mit neuen Kulturtechniken leben lernen, was das Abstandhalten betrifft, was das Tragen von Mas­ken betrifft, was die Desinfektion betrifft, und wir werden weiter dafür kämpfen müssen, unsere Wirtschaft am Laufen zu halten und damit auch Arbeitsplätze und unsere Lebens­grundlagen gemeinsam zu sichern.

Es ist aber nicht nur wichtig, im Krisenmodus Probleme zu lösen, sondern es ist, glaube ich, auch an der Zeit – und so ist dieses Thema besonders gut gewählt –, sich mit der Konjunktur und mit möglichen impulsgebenden Maßnahmen für unsere Konjunktur aus­einanderzusetzen. Dazu zählen nun einmal Forschung und Entwicklung, die universitä­ren Forschungseinrichtungen genauso wie die außeruniversitären Forschungseinrich­tungen, die angewandten Forschungseinrichtungen in unseren Unternehmungen, die dann zu jenen Formen der Innovation führen, die wiederum auch beschäftigungswirk­sam sein sollen.

Digitalisierung ist ein solches Thema der Innovation. Der gesellschaftliche Wandel in diesen Bereichen ist massiv im Gange, und es ist aus meiner Sicht daher richtig und wichtig gewesen, dass die österreichische Bundesregierung insgesamt und die Frau Bundesministerin als oberste Chefin des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Maßnahmen eingeleitet haben, um der Pandemie zu trotzen. Ich er­wähne in diesem Zusammenhang den Fixkostenzuschuss, ich erwähne den Härtefall­fonds, ich verweise auf die Kurzarbeitsregelungen, auf den Umsatzersatz von 80 Pro­zent in der Gastronomie im Rahmen der europäischen Spielregeln oder auch auf die Investitionsprämie. Ich habe gerade in Vorbereitung dieser Aktuellen Stunde noch ein­mal nachgesehen: Es ist schon bemerkenswert, dass jeder fünfte Fall aus dieser Inves­titionsprämie heraus ein Vorhaben von Unternehmungen ist, die sich mit Digitalisierung auseinandersetzen. So gesehen ist es wichtig und richtig gewesen, diese Maßnahmen zu setzen.

Es ist eine Form der offensiven Politik, bei der Digitalisierung den Wandel nicht nur zu begleiten, sondern den gesellschaftlichen Wandel und den Wandel in unseren Unterneh­mungen auch zu gestalten und zur Transformation unserer Wirtschaft entsprechend auch Maßnahmen einzuleiten.

War die industrielle Revolution – ob man von 1.0, 2.0, 3.0 spricht – und die Entwicklung der Wirtschaft und der Industrie in den vergangenen Jahrhunderten noch eine sehr ana­loge, so ist sie aktuell eine der vierten Generation und damit eine, bei der die Digitalisie­rung in alle Bereiche des wirtschaftlichen Lebens, in alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens Eingang findet. John Naisbitt als einer der Trendforscher des 20. Jahrhunderts hat einmal in einem seiner Bücher geschrieben, dass das 21. Jahrhundert „Möglichma­cher“ erfordert. Ich sehe in der Digitalisierung und in Maßnahmen des Wirtschaftsres­sorts diese Möglichmacherfunktion, indem wir nämlich den Blick in die Zukunft schärfen und einen Blick darauf haben, wo sich die Wirtschaft weiterentwickeln kann und insbe­sondere wo wir seitens der Politik unterstützen können, damit die Wirtschaft Arbeitsplät­ze absichern und – wenn geht – neue Arbeitsplätze schaffen kann. Das wird eine nicht ganz einfache Aufgabe, denn überall dort, wo es Chancen gibt, sind auch Risiken damit verbunden.

Es werden sich auch manche traditionellen Ökonomien, sofern es nicht bereits im Gange ist, in den nächsten Jahren ganz massiv ändern. Everett Rogers, der Vater der amerika­nischen Innovationsforschung, hat einmal gemeint, dass (englisch aussprechend) In­novation Invention plus Implementation wäre, also Innovation, Erneuerung etwas mit der Erfindungskraft, dem Schöpfergeist zu tun haben, aber auch mit der Implementation, das heißt mit der Umsetzung des Erdachten und Erforschten. Da kann die Digitalisierung uns, glaube ich, sehr, sehr dienlich sein.

Auch die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen hat jüngst im Europäischen Parlament in ihrer Rede zur Lage der Union dem Thema der Digitalisie­rung und der Entwicklung unserer Ökonomien und der Entwicklung der Wirtschaftsräu­me einen ganz besonderen Stellenwert eingeräumt und – was mich als Ländervertreter sehr gefreut hat – auch darauf hingewiesen, dass in der Digitalisierung auch für die länd­lichen Räume ganz besondere Chancen, aber natürlich auch Risiken bestehen.

Wir haben uns im gestrigen EU-Ausschuss mit dem Thema der Digitalisierung aus dem Blickpunkt der Bildung beschäftigt und wir werden uns ja heute im Rahmen der Agenda der Tagesordnung ebenfalls mit diesem Thema auseinandersetzen. Jedenfalls bin ich einer, der sich über Jahre mit der Wirtschaft auseinandergesetzt hat. Ich war immer ein großer Fan von Joseph Schumpeter – eine der Größen der österreichischen National­ökonomie –, der darauf hingewiesen hat, dass Innovation insbesondere aus einem kreativen Akt der Zerstörung entsteht. Zu seiner Zeit war eher gemeint, dass sich die Unternehmungen neu erfinden müssen, um aus der Erfindung neuer Produkte und neuer Dienstleistungen heraus neue Kraft zu entwickeln und damit wachsen zu können. Leider, sage ich dazu, ist diese Zerstörung mittlerweile in vielen Bereichen fremdbestimmt. Die Pandemie, die wir alle spüren, hat sich in eine Richtung entwickelt, die uns alle mit Sorge in die Zukunft blicken lässt. Nichtsdestotrotz stecken überall dort, wo es eine Krise gibt, auch Zukunft und Chancen drinnen – diese sollten wir entsprechend nutzen.

Ich bin der Frau Bundesministerin sehr dankbar dafür, dass sie in ihren Überlegungen zum Thema Digitalisierung der Bildung und insbesondere der Lehre einen breiten Raum einräumt, auch Fragen der Cybersecurity und der künstlichen Intelligenz sind genannt. Vor allem sollen digitale Kompetenzen in alle Berufsbilder integriert werden. Das ist gut, richtig und wichtig, und dafür ein herzliches Dankeschön, Frau Bundesministerin! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nicht nur die österreichische Bundesregierung, auch die österreichischen Bundesländer nehmen sich des Themas Digitalisierung intensiv an. Mein Heimatbundesland, die Steiermark, tut es auch seit vielen Jahren – wir sind nicht umsonst als Europäische Unternehmerregion ausgezeichnet worden. Wir setzen sehr intensiv auf das Thema Hardware – die ja eine Voraussetzung für die Digitalisierung ist ‑, auf die Breitbrandinfrastruktur, die Chancen für die ländlichen Räume eröffnet. Ich ver­weise auch auf Initiativen wie Silicon Alps oder Silicon Austria Labs: Initiativen, die der Wirtschaft Impulse in eine ganz besondere Richtung geben sollen. Als eine Region, die stark mit dem Automobil verbunden ist, ist für uns natürlich die Teststrecke für autono­mes Fahren wichtig – das Thema setzt aber auch voraus, dass es die entsprechende Infrastruktur gibt, damit die Industrie und die Wirtschaft auch abseits der Antriebsstränge entsprechende Technologien entwickeln können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Digitalisierung birgt Chancen und Risiken. Jedes gute Unternehmen bereitet sich durch Swot-Analysen – also Stärken-, Schwä­chen-, Chancen- und Risikenanalysen – auf die Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft vor. Mir erscheint es wichtig, dass Derartiges auch das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort im Auge hat. Wenn ich die Einschätzung der Experten richtig lese, könnte durch verstärkte Digitalisierung ein Beschäftigungsplus von etwa 0,4 Prozent pro Jahr stimuliert werden, was jährlich bis zu 20 000 zusätzliche Ar­beitsplätze bedeuten würde. Das ist ein lohnenswerter Ansatz, den wir gemeinsam ver­folgen sollten. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

14.23

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.