12.49

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr ge­ehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Ja, die Situation auf dem Arbeitsmarkt ist tatsächlich dramatisch. Wir haben derzeit an die 460 000 Arbeitslosen im Land, das sind aktuell rund 9,5 Prozent der Bevölkerung – die Tendenz ist täglich steigend.

Das ist natürlich coronabedingt. Tendenziell ist die Arbeitslosigkeit im Winter höher, ja, es ist aber, vergleichsweise, doch die Rede von circa 91 000 von Arbeitslosigkeit betrof­fenen Personen mehr als im Vorjahr. Das ist der höchste Wert seit 1946 – das zur Grund­lage.

Aktuell haben es verschiedene Personengruppen bei der Jobsuche besonders schwer. Ich denke zum Beispiel an jene Menschen, die nicht besonders gut qualifiziert sind. Das Risiko, arbeitslos zu sein, liegt bei Personen, die maximal Pflichtschulabschluss haben, bei 25 Prozent, bei jenen mit Lehrabschluss bei 12 Prozent und bei jenen mit Hochschul­abschluss bei 5 Prozent. Man sieht da also schon enorme Abstufungen.

Es stehen aber auch junge Menschen, die neu in Unternehmen sind, vor einer beson­deren Herausforderung. Sie sind meistens die Ersten, die dann wieder gehen müssen. Bei den Jungen muss man auch diejenigen erwähnen, die auf Lehrstellensuche sind. Man weiß, dass es in Krisenzeiten wesentlich schwieriger ist, offene Stellen und Lehr­stellensuchende zusammenzubringen, als sozusagen in Normalzeiten.

Noch eine Gruppe ist besonders gefährdet: Das sind die älteren ArbeitnehmerInnen und auch diejenigen, die schon lange auf Jobsuche sind.

In Wien planen wir – oder plant die neue Stadtregierung – die Joboffensive 50plus für ältere Langzeitarbeitslose. Das bedeutet konkret, dass die Stadt Wien und das AMS Wien gemeinsam für ein Jahr einen Teil der Lohn- und Gehaltskosten für diese einge­stellten Personen übernimmt. Das ist eine konkrete Maßnahme, um genau dieser Ziel­gruppe etwas anzubieten.

Zu den arbeitslosen Personen kommen natürlich noch all jene hinzu, die derzeit in Kurz­arbeit sind. Das sind aktuell 276 000 Menschen – meine Kollegin Korinna Schumann hat es vorhin schon erwähnt –, und auch diese haben natürlich Gehaltseinbußen.

Wir wissen, dass es für alle schwierig ist, in einer Krise einen Job zu finden, weil auch die sofort verfügbaren Stellen natürlich deutlich weniger sind. Was es zurzeit bräuchte und braucht, ist Beschäftigung – da gebe ich meiner Vorrednerin völlig recht –, und das gelingt nur mit Beschäftigungsprogrammen, mit Joboffensiven, mit Qualifizierungsmaß­nahmen in wirklich großem Stil.

Dazu, dass hier auch immer wieder eine Arbeitsstiftung ins Spiel gebracht wird: Wir müs­sen beobachten, dass diese bislang noch keinen Erfolg erzielt hat. Vergleichsweise sind aktuell kaum mehr Menschen in Schulungen, als das zuvor der Fall war.

Es braucht aber neben diesen Beschäftigungsprogrammen und der Qualifizierung vor allem die Absicherung all jener Menschen, die gegenwärtig von Arbeitslosigkeit betroffen sind, denn es geht hier um enorme Einkommensverluste samt den damit zusammenhän­genden Existenzängsten. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Vorrednerin Eder hat diese Menschen in den Zusammenhang mit Leistungsfeind­lichkeit gebracht – ich möchte die Gesichter der Menschen sehen, die unverschuldet arbeitslos geworden sind und mit diesen Einkommenseinbußen leben müssen. Hier zu sagen, es wäre leistungsfeindlich, wenn man eine ordentliche Existenzabsicherung ein­führen würde, finde ich zynisch. Ich möchte nicht wissen, wie Sie in einer Situation reagieren, in der Sie von einem Tag auf den anderen nur mehr 55 Prozent Ihres vorigen Gehalts bekommen und bei laufenden Lebenshaltungskosten davon leben müssen. Zu sagen, es wäre leistungsfeindlich, diese Menschen ordentlich abzusichern, das kann ich einfach nicht verstehen. (Beifall bei der SPÖ.)

An dieser Stelle möchte ich noch speziell die Alleinerzieherinnen in unserem Land er­wähnen, in deren Fall es nämlich kein zweites Gehalt gibt, das möglicherweise diese Einkommensverluste ein bisschen abfedern kann. Diese wirklich enorm starken Frauen, die die Situation derzeit allein stemmen müssen, leisten zurzeit Unmenschliches, und das müssen wir uns immer wieder vor Augen führen.

Wir SozialdemokratInnen haben ein Problem damit, dass da immer nur Einmalzahlungen und sozusagen immer wieder ein Bonus angeboten werden. Das ist nicht planbar und das löst das Grundproblem dieser Menschen nicht.

Apropos Einmalzahlungen: Frau Ministerin, wir haben noch eine Kritik an dieser Ein­malzahlung. Diesmal sind diese Einmalzahlungen wieder nicht von der Pfändbarkeit, al­so von der Lohnpfändung, ausgenommen, und das heißt, die Menschen, die wirklich am Abgrund ihrer Existenz stehen und in einer äußerst bedrohlichen Situation sind, haben am Ende wieder nichts von dieser Einmalzahlung, denen bleibt nichts übrig. Das ist eine Kritik, die speziell für diese Zielgruppe gilt, generell aber würden wir uns wünschen, dass dieses Problem dauerhaft und nachhaltig gelöst wird und nicht in Form dieser Einmal­zahlung, denn sie ist auch bürokratisch ein regelrechtes Monster, muss man sagen.

Wir SozialdemokratInnen wissen, dass es notwendig ist, das Arbeitslosengeld grundle­gend anzuheben. Das ist nicht nur für die Betroffenen eine existenzielle Absicherung, sondern es fördert natürlich zudem die Wirtschaft, denn dieses Geld wird ja ausgegeben.

Wir wiederholen uns, aber es ist unsere Grundüberzeugung, dass es die Anhebung der Nettoersatzrate auf 70 Prozent ganz dringend braucht, um eine nachhaltige, menschli­che und vernünftige Maßnahme für diese Menschen zu setzen.

Bei der Gastronomie gelingt es uns auch. Die GastronomInnen bekommen 80 Prozent des Vorjahresumsatzes ersetzt – sinnvollerweise, keine Frage –, bei den Angestellten aber, die arbeitslos werden, reichen 55 Prozent. Man sieht einfach diese Diskrepanz, und da können wir nicht zufrieden sein.

Generell wäre aus unserer Sicht jetzt der Zeitpunkt erreicht, um nachhaltig über eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich nachzudenken. Das würde viele Men­schen in Arbeit bringen und wäre eine nachhaltige, dauerhafte Lösung.

Wir werden – ein bisschen schweren Herzens – aber doch nicht gegen diese Vorlage stimmen und wir werden uns nicht gegen diese Einmalzahlungen stellen, denn jeder Euro ist besser als nichts. Man muss aber dazusagen: Es ist ein Tropfen auf den wirklich glühend heißen Stein. Daher möchten wir dazu noch folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Mag.a Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhöhung der Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung“.

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend dafür Sorge zu tragen, dass allen beim Arbeitsmarktservice als arbeitslos registrierten Personen inklusive Krankengeldbe­zieherInnen, ein „COVID-19-Ausgleich“ in Form eines 30-%igen Zuschlages zu allen Ar­beitslosenversicherungsleistungen (Arbeitslosengeld und Notstandshilfe inklusive der Familienzuschläge) rückwirkend mit 1. April 2020 gewährt wird.“

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Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.58

Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Der von den Bundesräten Mag.a Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betref­fend „Erhöhung der Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung“ ist genügend unter­stützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. – Bitte, Frau Kollegin.