14.02

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Mitglieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Hummer von der ÖVP! (Rufe: Himmer!) – Himmer, Entschuldigung! Ihr kabarettistischer Beitrag vorhin war wirklich sehr erheiternd. Auch wir haben darüber gelacht. Bei Ihnen merkt man, welche Auswirkungen es hat, wenn die schwarz-grüne Bundesregierung die Theater und sons­tigen öffentlichen Veranstaltungsorte sperrt. Bei Ihnen hat das schon die Auswirkung, dass Sie hier im Plenum am Rednerpult Kabarett spielen. Aber es freut mich, dass Sie immerhin den freiheitlichen Klubobmann Herbert Kickl lobend erwähnt haben und seine Werte schätzen. Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Himmer.)

Wir haben über 500 000 Arbeitslose, über 400 000 Menschen in Kurzarbeit – erschrecken­de Zahlen. Verantwortlich dafür ist nicht nur Corona allein, sondern auch die hilflose Politik – die Murkspolitik, sage ich immer – dieser schwarz-grünen Bundesregierung. Mit Minister Kocher bekommt Österreich nun zwar einen Arbeitsminister, welcher ein anerkannter Experte in der Wissenschaft ist, in diesem Bereich einen internationalen Ruf hat – er wird in den Medien sogar schon als Krisenmanager für die Regierung bezeichnet –, jedoch ist das alles viel zu kopflastig gesteuert. Wir Salzburger würden sagen: blitz­gscheit, aber knallhart und empathielos. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ.) Es ist wenig Herz dabei. Das mag zwar in der Wissenschaft durchaus gewünscht und erforderlich sein, ist aber bei einem Arbeitsminister dennoch fehl am Platz.

Von einem Arbeitsminister erwartet man sich nicht nur, dass er mit Zahlen und Sta­tistiken arbeitet, analysiert und bewertet, sondern dass er auch mit Herzblut und Empa­thie für die Menschen in diesem Land arbeitet. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist auch zu wenig, wenn Sie so wie Ihre Vorgängerin von einer regionalen Ge­schäfts­stelle zur anderen fahren und Fotos für die Presse machen. Einfühlungsvermögen ist gefragt, und genau das traue ich Ihnen noch nicht zu. Skeptisch machen uns Frei­heitliche auf jeden Fall Ihre medialen Äußerungen, und das schon seit längerer Zeit. Allein das, was ich in den letzten ein bis zwei Jahren von Ihnen lesen oder hören durfte, lässt mich daran zweifeln, ob Sie wirklich die richtige herzvolle Besetzung für diese Position sind.

Ich denke daran, dass Sie die Pensionskürzungen nicht kritisieren. Sie möchten das Pensionsantrittsalter hinaufschrauben. Sie haben zwar vorhin die Kurzarbeit etwas positiver dargestellt, haben aber dennoch gewarnt, dass es zu hohe Anreize für die Konsumation der Kurzarbeit gibt. Sie plädieren, ob offen oder weniger offen, für die Sonntagsarbeit – das ist ein No-Go! Da werden wir Freiheitlichen nie dabei sein. Lassen Sie den Familien ihren Sonntag! (Beifall bei der FPÖ.)

Sie lehnen die Erhöhung des Arbeitslosengeldes für coronageschädigte Menschen auf 70 Prozent ab, Sie lehnen eine Aufstockung der AMS-Mittel ab und Sie lehnen die Hacklerregelung ab. Sie gehören aber genau jener schwarz-grünen Bundesregierung an, welche zwar die Hacklerregelung abgeschafft hat, sich aber im selben Aufwasch 210 Millionen Euro für PR, Werbung und Marketing gegönnt hat. Dabei hätte die Hacklerregelung nur 30 Millionen bis 40 Millionen Euro gekostet.

Auch der Frühstarterbonus ist ja eigentlich eine Augenauswischerei, denn die Menschen bekommen bis zu 60 Euro, aber 300 Euro nehmen wir ihnen. Das ist ein Minusgeschäft!

Den Vogel abgeschossen hat aber gestern Vizekanzler Kogler – er ist schon ein bisschen müde, kommt mir vor. (Heiterkeit des Bundesrates Steiner.) Die Grünen waren mitver­antwortlich dafür, dass die Hacklerregelung abgeschafft wurde, und Vizekanzler Kogler stand gestern im Nationalrat – ich habe geglaubt, ich höre nicht richtig – und beendete seine Rede allen Ernstes mit folgendem Satz:

„Wir haben auch wieder Chancen, schon in diesem Jahr. Die nächsten Jahre werden mit Sicherheit Comebackjahre für die österreichische Wirtschaft und für die Arbeitsplätze. In diesem Sinn: Ärmel aufkrempeln, weitertun [...] und etwas hackeln!“

Ich wiederhole: „Ärmel aufkrempeln, weitertun [...] und etwas hackeln!“ – Geht’s noch, Herr Vizekanzler? Das ist Zynismus! Dieser Satz, den Sie gestern im Plenum hier an dieser Stelle gesagt haben, ist Zynismus pur und ein Schlag ins Gesicht für jeden Men­schen, der 45 Jahre in diesem Land hart gearbeitet hat, 45 Jahre Steuern gezahlt hat, 45 Jahre Abgaben gezahlt hat. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Und nach diesen 45 Jah­ren werden diese Menschen jetzt behandelt, als wären sie Bittsteller. – Nein, im Gegen­teil! Diese Menschen haben sich als Nettozahler ihre Pension selbst verdient, selbst erarbeitet und haben es sich verdient, nach 45 Jahren abschlagsfrei in Pension zu gehen! (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Es ist das typische Sittenbild. Diese schwarz-grüne Bundesregierung agiert derart abge­hoben und arrogant, dass es auf keine Kuhhaut mehr passt. Alle konstruktiven Vor­schläge der Freiheitlichen oder der anderen Oppositionsparteien wurden vom Tisch gefegt und abgeschmettert. Ich nehme Sie beim Wort, Herr Minister Kocher, vor 5 bis 10 Minuten haben Sie gesagt, dass Sie ernst nehmen möchten, was die Opposition einfließen lässt.

Aber genau diese Vorschläge, die zur Linderung dieser hohen Arbeitslosigkeit, dieser Wirtschaftskrise etwas beigetragen hätten, die etwas dazu beigetragen hätten, die Situation zu verbessern, werden von Schwarz-Grün abgeschmettert. Dafür tingelt ihr von einer Pressekonferenz zur anderen und es ist reine Showpolitik.

Herr Minister Kocher, bitte lassen Sie sich nicht von diesen Starallüren von Kanzler Kurz und Co anstecken! Erste Ansätze haben wir schon vor ein paar Tagen gesehen, bevor Sie in die Plenarsitzungen von Nationalrat und Bundesrat gegangen sind, haben Sie schon die ersten Pressekonferenzen gegeben. Lassen Sie sich bitte nicht von diesen Starallüren anstecken, sondern kümmern Sie sich mit Herz und Verstand um Ihre eigenen, ureigensten Aufgaben als Arbeitsminister – es sind nicht wenige!

Ich gehe nun auf ein paar Punkte ein, die Sie gerne ändern möchten. Sie haben die Langzeitarbeitslosen erwähnt und haben gesagt, Sie möchten die Probleme angehen. Da würde ich Ihnen empfehlen, zu veranlassen, dass diese verstaubten Ausdrücke Langzeitarbeitslose und Langzeitbeschäftigungslose entstaubt, entwirrt, entknotet werden, dass da kein Unterschied mehr gemacht wird, sondern dass das zu einem Begriff gemacht wird. Das ist verstaubt.

Die Mitarbeiter des AMS hätten durch den § 10, wenn jemand, sagen wir, die Arbeit verweigert, vereitelt oder ablehnt, Sanktionsmöglichkeiten – aber den Mitarbeitern wer­den da oft von der Dienstgeberseite, sprich vom Ministerium, Prügel zwischen die Beine geworfen. Geben Sie den Mitarbeitern des AMS mehr Kompetenz in die Hand, damit könnte man vielleicht auch dazu beitragen, die Situation etwas zu verbessern!

Joboffensive, Fachkräfteausbildung: Schauen Sie sich bitte die Zahlen an, wie viele Menschen es sich nicht leisten können, eine Facharbeiterausbildung zu machen! Die dauert über die Aqua-Stiftung, an die ich da denke, immerhin zwei bis drei Jahre, ausbezahlt wird die Höhe des Arbeitslosengeldes. Das kann sich kein Familienvater leisten. Das kann sich vielleicht ein junger Bursch oder ein junges Mädchen leisten, die noch daheim bei den Eltern wohnen, aber sicherlich niemand, der zu Hause eine Familie ernähren muss. Mit der strikten Weigerung, das Arbeitslosengeld zu erhöhen, werden wir diesen Menschen auch weiterhin keine Chance geben können, sich weiterzu­qualifizieren.

Sie haben den Neustartbonus angesprochen. Das ist eigentlich ein bisschen ein Etiket­tenschwindel, weil es diesen Neustartbonus mit der Eingliederungsbeihilfe im Grunde schon zuvor gegeben hat – und diese Eingliederungsbeihilfe ist halt ein bisschen umbe­nannt worden und heißt inzwischen Neustartbonus. Boni gibt es bei der Regierung derzeit übrigens viele. Wir haben den Neustartbonus, wir haben den Frühstarterbonus, wir haben den Lehrlingsbonus – ja, im Prinzip (Bundesrat Seeber: Kinderbonus, Kinder­bonus!) sind diese Boni ein Tropfen auf den heißen Stein. (Vizekanzler Kogler: Kinder­bonus!) Horchen Sie auf die Opposition (Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler), horchen Sie auch auf uns Freiheitliche! Da könnte man sich leicht noch viel herausholen, was besser wäre. (Beifall bei der FPÖ.)

Als Lektüreempfehlung würde ich Ihnen ganz dringend eine Studie aus den Dreißi­gerjahren ans Herz legen, und zwar „Die Arbeitslosen von Marienthal.“ Schauen Sie sich den Film an oder lesen Sie das Buch dazu! Es ist wirklich erschreckend, wenn man das sieht, vielleicht haben Sie dann mehr Verständnis dafür, wie es Menschen geht, die länger als drei Monate arbeitslos sind. Schauen Sie sich diese Studie an, lesen Sie das Buch dazu: „Die Arbeitslosen von Marienthal.“

Ja, Herr Minister Kocher, es muss endlich wieder Substanz in die österreichische Politik kommen: eine Politik der Wärme und keine Politik der sozialen Kälte, eine Politik mit Zuversicht und keine Politik, welche mit Angst und Schrecken agiert, eine Politik mit Vertrauen in die Menschen und keine Politik der Unterdrückung der Menschen.

Ein weiterer Punkt: Sie haben vorhin die Taskforce angesprochen. Ich halte es wirklich für einen Wahnsinn, dass Sie die Jugendagenden abgeben. Man beklagt, dass die Jugendarbeitslosigkeit so hoch ist, hat extra dafür eine Taskforce eingerichtet, und nun geben Sie als Arbeitsminister diese Agenden ab. Das ist der falsche Weg, das ist das falsche Signal, und ich finde das echt schwach. (Beifall bei der FPÖ.)

Dabei wäre es eigentlich ganz einfach, ich habe es letztes oder vorletztes Mal schon angesprochen: Wenn Sie nicht permanent das Pensionsalter hinaufschrauben würden und die Menschen nicht immer länger arbeiten müssten, dann wären die Arbeitsstellen früher frei und die jungen Menschen könnten auf diese Stellen nachrücken. Dieser Wirt­schaftskreislauf hat viele, viele Jahrzehnte gut funktioniert und hat sich bewährt. Darüber habe ich übrigens mit einem Kollegen von Ihnen gesprochen, mit Prof. Aubele in Inns­bruck, das ist schon ein paar Jahre her – gut, er hört nicht zu, der Herr Minister –, auch Prof. Aubele in Innsbruck hat dies so gesehen.

An den Bundeskanzler gerichtet: Tja, der Hauptverantwortliche für die ganze Wirtschafts­krise ist eigentlich der Bundeskanzler. (Bundesrat Bader: Natürlich!) Er zieht die Fäden im Hintergrund (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Der hat ja ...!), schickt seine Minister aus, die alles, was er sich hat einfallen lassen, ausbaden müssen, und kommt mir vor wie ein Dirigent: Kurz, der Dirigent, welcher sein Orchester, sprich die Regierungs­mitglieder, herumdirigiert und wie Marionetten auf der politischen Bühne herumjagt.

Dabei gehört Kurz, Kanzler Kurz, Herr Kurz, in die Verantwortung genommen. (Zwi­schenruf bei der ÖVP.) Kanzler Kurz gehört da ganz kräftig in die Verantwortung genom­men, weil es die Menschen draußen ausbaden. Das jüngste Beispiel ist die Verlän­gerung der Schulschließungen, und es ist Politik ohne Gespür, die da gemacht wird. Anscheinend habt ihr die Bodenhaftung verloren, ihr wisst nicht mehr, wie es den Menschen da draußen geht. Diese Schulschließungen sind ein Wahnsinn, sie sind wirklich ein Wahnsinn! (Zwischenruf bei der ÖVP.) Sie nehmen einer ganzen Generation bereits das zweite Schuljahr und nehmen Tausenden von Schülern die Chance auf eine gute Ausbildung. (Bundesrat Köck: ... sind wir in Österreich!)

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Frau Bundesrätin, Ihre Redezeit von 10 Minu­ten ist bereits ausgeschöpft. Kommen Sie bitte zum Schlusssatz. (Bundesrat Steiner: Es gibt keine Redezeitbeschränkung!)

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (fortsetzend): Frau Präsidentin, vielen herzlichen Dank. Es ist mir bewusst, dass in der Präsidiale so etwas besprochen wurde. (Zwischen­ruf bei der ÖVP.) Laut der Geschäftsordnung des Bundesrates gibt es eine solche Redezeitbeschränkung im Bundesrat nicht. (Neuerlicher Zwischenruf bei der ÖVP.) Das ist mir klar, und ich möchte keine Usancen brechen, aber mir ist das Thema schon wichtig, sodass ich meine Rede jetzt zu Ende bringen werde. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Ohne Gespür für die Menschen wird da Politik gemacht (Bundesrat Schennach: ... Redezeit!), und ich habe es vorhin schon gesagt: Sie nehmen der Jugend, dieser Generation bereits das zweite Schuljahr. Tausenden Schülern wird die Chance auf eine gute Ausbildung genommen, und es werden Ausbildungslücken bleiben, obwohl die Lehrerschaft – Hut ab! – da wirklich vorbildlich mitarbeitet und sich bemüht, aber der ordentliche Präsenzunterricht in den Schulen ist durch nichts zu ersetzen.

Sie belasten durch die Nichtöffnung der Schulen die Familien. Ich habe E-Mails bekom­men, ich habe Anrufe bekommen. Erst gestern am Abend hat mich eine Mutter ver­zweifelt angerufen und hat gesagt: Ich kann nicht mehr. – Diese Mutter hat drei Kinder an drei verschiedenen Schulen und einen Computer zu Hause und sie ist teilzeitbe­schäftigt. Ihr wächst alles über den Kopf und sie nimmt zum Einschlafen am Abend eine Schlaftablette, damit sie in der Nacht zumindest ein paar Stunden durchschlafen kann, so weit ist sie mittlerweile schon. Sie ist aber kein Einzelfall, ich habe Hunderte solcher Nachrichten erhalten.

Wenn wir so weitermachen – ich habe auch das schon einmal gesagt –, dann werden wir von der Coronapandemie und der Wirtschaftskrise über eine Insolvenzwelle in eine psychische Pandemie steuern. Die Menschen haben von dieser Politik die Nase ge­strichen voll und können nicht mehr.

Abschließend noch einmal an Minister Kocher: Ich appelliere an Sie als Arbeitsminister, und ich fordere Sie auch auf: Machen Sie alles, was in Ihrer Macht steht, dass die Schulen wieder geöffnet werden! (Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.) Sie wissen genau, eine gute Ausbildung ist die beste Chance, dass man nicht in die Arbeitslosigkeit abrutscht. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Geben Sie den jungen Menschen diese Chance – und Sie haben es vorhin selbst gesagt: Qualifikation als Chance –, setzen Sie sich in dieser Bundesregierung dafür ein, dass die Schulen aufgesperrt werden! Lassen Sie nicht eine ganze Generation verhungern, geben Sie ihnen eine Chance für die Zukunft! – Recht herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

14.18

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ingo Appé. Ich erteile dieses. – Bitte, Herr Bundesrat.