11.40

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Geschätzte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuse­her zu Hause! Frau Ministerin, ich stehe hier als eine stolze, unsteuerbare Frau, und ich wünsche Ihnen und Ihren ParteikollegInnen: Bleiben wir, bleiben Sie – Zitat – „nervige Weiber“! (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Frau Familienministerin! Familien, die in finanzielle Not geraten sind, sollen mit dieser Gesetzesvorlage, die heute vorliegt, eine finanzielle Zuwendung bekommen. Da müssen wir und werden wir als sozialdemokratische Fraktion mitstimmen, weil es zumindest ein Schritt ist, aber, Frau Ministerin, diese Vorgehensweise, diese Maßnahmen verkennen die Realität armutsbetroffener Familien. Sie gehen an der Lebenssituation der Betroffe­nen vorbei, denn Armut kann man nicht mit einmaligen Förderungen, Armut kann man nicht mit einer Förderung für, in dem Fall, drei Monate bekämpfen, wenn eine Pandemie schon über ein Jahr, mittlerweile 13 Monate, andauert. (Beifall bei der SPÖ.)

Armut kann man auch nicht mit einer Einmalzahlung von 200 Euro bekämpfen, wenn nicht absehbar ist, wie lange diese Armut andauert. Das ist keine echte Bekämpfung von Armut, das ist ein Beruhigen eines schlechten Gewissens diesen Familien gegenüber, das sind Almosen – so klar muss man das hier auch sagen.

Für viele Familien dauert die Kurzarbeit nämlich nun schon viele Monate, und das be­deutet auch empfindliche Einbußen beim Einkommen. Das geht sich mittlerweile mit den Reserven, die man möglicherweise angespart hat, nicht mehr aus.

In vielen Familien ist zumindest ein Elternteil arbeitslos geworden und hat damit die Hälfte des monatlichen Einkommens nicht mehr zur Verfügung, und dies bei laufenden Kosten. Wie, bitte, soll man damit über die Runden kommen?

Anstatt hier eine existenzielle Grundabsicherung zu schaffen, wie beispielsweise eine echte Arbeitsstiftung ins Leben zu rufen oder endlich das Arbeitslosengeld auf zumindest 70 Prozent zu erhöhen (Beifall bei der SPÖ) oder den Familienbonus für wirklich alle Kinder auszuzahlen, macht man wieder einmal eine einmalige Überweisung. Wie soll man, wenn man alle heiligen Zeiten einmal ein Almosen bekommt, planen? Wie soll man damit nachhaltig eine Perspektive entwickeln? – Ich kann mir das so nicht vorstellen.

Weil Sie wahrscheinlich in Kürze sagen werden, man kann beim Familienhärtefonds ansuchen, muss ich Ihnen sagen: Die Hälfte der Familien in Österreich weiß weder, dass es diese Möglichkeit gibt, noch haben diese Familien die Kapazitäten, so einen Antrag auch tatsächlich zu stellen. Eine aktuelle Befragung der Volkshilfe unter 100 armutsbe­troffenen Familien hat ergeben, dass 49 Prozent der Befragten diesen Fonds bis jetzt noch nicht kennen.

Noch ein Weiteres dazu: Wer letztes Jahr schon einmal einen Antrag für drei Monate gestellt hat, kann keinen Antrag mehr stellen. Bei mittlerweile, wie gesagt, 13 Monaten Pandemie ist eine Unterstützung für drei Monate in dieser Gesamtzeit wirklich nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Und noch ein Drittes: Nicht einmal alle Familien sind prinzipiell anspruchsberechtigt, bei­spielsweise geringfügig Beschäftigte. Also nicht einmal jede Familie, die wollte, könnte dort ansuchen. Da schauen einfach zu viele Menschen mittlerweile durch die Finger.

Frau Ministerin! Im Regierungsübereinkommen wird groß angekündigt – darüber haben wir uns auch sehr gefreut –, dass es einen Nationalen Aktionsplan zur Armutsbekämp­fung geben wird, was damals eine gute Idee war und in der aktuellen Situation wichtiger denn je wäre. Nur: Wie ist diesbezüglich der Stand der Dinge? Wurde schon mit der Erarbeitung begonnen? Gibt es erste Ergebnisse? – Eine parlamentarische Anfrage von mir genau zu diesem Thema zeigt, dass dieser Prozess noch nicht einmal gestartet wurde, und ich frage mich: Worauf wird da gewartet? Die Armut steigt und steigt täglich, und man kann bei so einem Prozess nicht bis nach der Pandemie warten. Jetzt braucht es diesen Nationalen Aktionsplan zur Armutsbekämpfung!

Noch einmal zurück zum Familienhärtefonds, denn ich könnte mir vorstellen, dass jene Einrichtungen, nämlich die Familienberatungsstellen, genau diese Familien dabei unter­stützen könnten, so einen Antrag zu stellen, diese Information zu bekommen und viel­leicht auch diesen Antrag miteinander auszufüllen.

Man kann sich vorstellen, dass die Familienberatungsstellen gerade jetzt enormen Zu­lauf haben, enorm gefordert sind und dadurch natürlich auch überlastet sind, denn die Ressourcen sind nicht gestiegen. Es gibt nicht mehr Honorar, es gibt nicht mehr Budget, aber der Bedarf der Familien steigt. Daher brauchen diese Familienberatungsstellen ganz akut, ganz schnell mehr Ressourcen, um diesen Mehraufwand abdecken zu kön­nen. Es wurde berechnet, 18 Millionen Euro würden genügen, um das Angebot entspre­chend ausbauen zu können. Ich denke, das müsste jetzt drin sein, weil dadurch genau diese Lücke geschlossen werden könnte und diese Familien zu ihren Möglichkeiten kom­men könnten.

Ich möchte auch noch ganz besonders auf die AlleinerzieherInnen Bezug nehmen. Wir reden da von 167 000 Personen, vor allem Frauen, über 90 Prozent davon Frauen. Ak­tuell stellt sich für sie die Situation so dar, dass natürlich auch die Unterhaltszahler oft in Kurzarbeit sind, oft arbeitslos geworden sind, und angesichts der Arbeitsmarktsituation wird sich das auch so schnell nicht ändern. Das heißt, auch da bräuchte es eine dau­erhafte, nachhaltige Absicherung dieser Mütter mit ihren Kindern. Deshalb fordern wir schon lange statt dem Unterhaltsvorschuss eine echte Unterhaltsgarantie, weil auch das eine existenzielle Absicherung dieser Frauen bedeuten würde und sie sich – wir sind jetzt am Ende des Monats – nicht Sorgen machen müssten, wie sie diese letzten Tage, bis das neue Gehalt eintrifft, über die Runden bringen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin! Jetzt kommt die Oster­zeit, wir sind in der Karwoche. Es ist eigentlich die Zeit, wo man sich über die Schulferien freut, vielleicht sogar darüber, dass Elternteile, Eltern Urlaub haben, dass der Frühling kommt, dass man Familie besuchen darf. All das, was positiv wäre, fällt heuer für die meisten Familien aus. Das – so ehrlich muss man sein – ist auch der fehlenden Impfstra­tegie und dem folgenschwer schlechten Impfmanagement dieser Bundesregierung ge­schuldet. Dass sich Menschen gerade jetzt am Ende des Monats noch zusätzlich um ihre materielle Existenz Sorgen machen müssen, das könnte man verhindern, wenn man es ehrlich wollte. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.48

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Marlies Steiner-Wieser. Ich erteile ihr dieses. – Bitte.