22.39

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Unterhaltungswert der bisherigen Redebeiträge war vielleicht einer Fa­schingssitzung entsprechend, aber sie waren auf einem Niveau, dem ich eigentlich nicht folgen möchte. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin mir bei Kollegen Kornhäusl zeitweise wie in einer Sprechstunde mit zwei Patien­ten, der FPÖ und der SPÖ, vorgekommen, und ich bin gespannt, was deine Kollegen in der Steiermark morgen sagen werden, wenn sie diesen Redebeitrag vielleicht später im Internet nachverfolgen werden. Ich bin sehr gespannt. Du bist Mediziner, und ich habe mir von dir zu dieser Debatte eigentlich ein bisschen mehr Inhalt als Zynismus erwartet. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Ich glaube, dass das Thema zu ernst ist, um sich hier darüber lustig zu machen. Nur weil der Antrag von der FPÖ kommt und von der SPÖ unterstützt wird, ist er nicht blöd oder irgendwie populistisch, nicht verantwortungslos, sondern eher verantwortungsvoll. Ich glaube, ich komme darauf noch näher zu sprechen.

Lieber Kollege Kornhäusl, du kannst mich dann jederzeit unterbrechen, wenn ich einen Blödsinn sagen sollte oder das nicht den Tatsachen entspricht, was ich jetzt versuche, etwas niederschwellig mitzuteilen, nämlich wie es derzeit mit den Intensivbetten aus­schaut. Ich hoffe, ihr versetzt euch in die Lage eines Intensivpatienten, der zurzeit an Covid erkrankt ist und der heutigen Debatte gefolgt ist. Ich glaube, dann beschleicht einen ein Gefühl, das einen nicht sehr heiter stimmt.

Covid-19-Patienten belasten das Gesundheitssystem in mehrfacher Hinsicht. Schwer Erkrankte belegen Intensivbetten bis zu vier Mal länger als andere Patienten und sind noch dazu viel pflegeintensiver. Laut dem Intensivmediziner Eiko Meister ist in den letzten 20 Jahren die Zahl der Betten im stationären Bereich um 15 bis 20 Prozent gesunken.

Als Vizepräsident der steirischen Ärztekammer – du wirst ihn kennen – bezeichnete er es als „beschämend“, dass in Österreich als einem der reichsten Länder Europas „der Intensivbereich dem Sparstift zum Opfer gefallen ist“ und wir dafür „jetzt die Rechnung präsentiert“ bekommen.

In Österreich gibt es derzeit insgesamt 2 031 Intensivbetten. Davon sind mit heutigem Tag 434 mit Covid-Erkrankten auf Intensivstationen belegt. Heute stehen österreichweit noch 564 Intensivbetten für den gesamten medizinischen Bereich zur Verfügung.

Wie funktioniert in Covid-Zeiten die Planung der Auslastung auf einer Intensivstation? – Schon sehr früh, bei 15 bis 30 Prozent zusätzlicher Belegung durch Covid-Patienten, werden Maßnahmen gegen Personalengpässe gesetzt, das heißt: Urlaubssperren, keine Überstunden, und das seit 15 Monaten. Wenn das für das Personal gerecht und aus eurer Sicht oder aus Sicht eines Arztes aus der Steiermark okay ist, dann Danke.

Schaut man sich (eine Zeitungsseite in die Höhe haltend) diese Tabelle an: Bei der Auslastung gibt es derzeit ein Bundesland, das diese 15-Prozent-Marke unterschreitet, und das ist Kärnten. Alle anderen Bundesländer haben diese 15-Prozent-Marke bereits überschritten. Das heißt, dass dort das Personal massiv gefordert ist. Wenn ihr mir jetzt erzählt, dass es nicht notwendig ist, an dieser Schraube zu drehen, damit wir das Krankenhauspersonal entlasten, dann verstehe ich die Welt nicht mehr. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Da geht es nicht darum, dass man mehr schafft, dass mehr Leute krank werden können, son­dern darum, das Personal, das tagtäglich wunderbare Arbeit verrichtet und über­mensch­liche Leistung erbringt, zu entlasten und da Hilfe zu bieten. Das ist, glaube ich, die Kernproblematik des Ganzen und nicht irgendwelche Lächerlichkeiten.

Schauen wir aber weiter! Wie schaut es denn bei der 30-prozentigen Belegung aus? – Dann erfolgt die Priorisierung der Patienten. Das heißt, dass nicht notwendige OPs verschoben werden, dass die Gesundheit auf die lange Bank geschoben wird und eine massive Schädigung der Volksgesundheit eintritt. Auch über dieser Marke liegen zurzeit bereits drei Bundesländer. Also auch da besteht massiver Handlungsbedarf.

Ich hoffe, dass irgendwie verständlich ist, dass es nicht um Populismus geht, sondern darum, dass das Personal entlastet werden kann, dass wieder Zustände einkehren, die ein normales Arbeiten auch auf den Intensivstationen ermöglichen (Beifall bei SPÖ und FPÖ), und dass auch die Patienten behandelt werden können, die jetzt dringend einer Behandlung bedürfen.

Bei 50 Prozent Belegung – in diese Situation sind wir ja Gott sei Dank noch nicht ge­kommen – entsteht die sogenannte kritische Entscheidungssituation, die Triage, die dauernd als Damoklesschwert über uns geschwebt ist, als Teufel an die Wand gemalt worden ist. Das wurde bis jetzt Gott sei Dank noch nicht erreicht, und wir hoffen, dass das auch zukünftig nicht der Fall sein wird.

Dass Intensivbetten generell rar gesät sind, liegt besonders daran, dass sie eine be­sondere Ressource sind, sie kosten im Durchschnitt 1 600 Euro am Tag. Liegt die durch­schnittliche Liegedauer im Normalfall bei sieben bis neun Tagen, beträgt sie bei Covid-19-Patienten rund 20 Tage. Wird noch die Ecmo-Therapie notwendig, reden wir von einer Belegungsdauer von 29 Tagen. Diese extrakorporale Membranoxygenierung, eine Art künstliche Lunge, wird bei Patienten mit akutem Lungenversagen zur Anwendung gebracht. Um dabei einen besseren Therapieerfolg zu erlangen, ist es notwendig, den Patienten öfters in Bauchlage zu wenden. Bei den zahlreichen Kathetern und den meist sedierten Patienten ist das sehr aufwendig und zeitintensiv, und auf der Intensivstation ist dazu auch mehr Personal notwendig.

Dazu kommt, dass die ÄrztInnen und Pfleger nur in Ganzkörperschutzanzügen zum Pa­tienten dürfen. Eine Pflegekraft ist immer beim Patienten. Dies erfordert noch zusätzliche Personaleinsätze für diverse Zuarbeiten. Das medizinische Personal ist zwar geimpft – damit entfällt für das Krankenhauspersonal wenigstens die Angst, selbst zu erkranken –, aber der Arbeitsaufwand bleibt noch immer der gleiche.

Das Pflegepersonal leistet seit einem Jahr Übermenschliches und dies in bewunderns­werter Arbeit. Das sollte auch dementsprechend honoriert werden, und da meine ich nicht durch Applaus, sondern durch Euro. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.) Auch diesen Inhalt kann man in diesem Antrag erkennen, wenn man ihn ganz genau verinnerlicht.

Klar ist auch, dass das benötigte Personal nicht von heute auf morgen aus dem Boden gestampft werden kann und dieser Prozess sicher einen Zeitraum von mindestens drei Jahren in Anspruch nimmt. Daher finden wir den Antrag der FPÖ sehr sinnvoll und verantwortungsbewusst und nicht verantwortungslos und unterstützen diesen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

22.48

Präsident Mag. Christian Buchmann: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Günter Kovacs. – Bitte, Herr Bundesrat.