14.40

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Herr Minister! Ich werde mich diesem für uns sehr wichtigen The­ma aus meiner Perspektive, aus der Perspektive, die Kollege Schennach zuvor so ele­gant als die Zwergenperspektive beschrieben hat, widmen. (Bundesrat Schennach: Garten! Garten!) – Nein, Zwergenperspektive. Ich werde diese Zwergenperspektive auch verwenden, um die Interessen der von Kollegen Schennach wiederum so elegant bezeichneten Gartenzwergerepublik Österreich ein bisschen zu berücksichtigen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich glaube, wir sind hier immer noch im österreichischen Bundesrat, das ist immer noch eine Vertretung der österreichischen Bundesländer und keine PR-Organisation der Eu­ropäischen Kommission, des Europäischen Parlaments oder ähnlicher transnationaler Institutionen, und deshalb glaube ich auch – das ist zumindest meine Sicht der Dinge; ich weiß, dass es manche mittlerweile anders sehen –, dass die Interessen der von uns vertretenen Länder und ihrer Bevölkerung hier zur Diskussion stehen.

Geht man jetzt an diesen Eigenmittelbeschluss des Rates heran, so gibt es da einige Besonderheiten: Ich kann mich noch sehr gut erinnern – und einige von Ihnen können das auch –, wie der Brexit im Jahr 2016 Realität geworden ist. Da hat der damalige Au­ßenminister Schüssel (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder) – der damalige Au­ßenminister Kurz; entschuldigen Sie! (Bundesrat Spanring: Ist eh dasselbe!) – gesagt, es darf auf keinen Fall der Ausfall an Mitteln – das sind immerhin plus/minus 10 Mil­liarden Euro netto oder 17 Milliarden Euro brutto – dadurch ausgeglichen werden, dass die einzelnen Mitgliedsländer verstärkt zur Kasse gebeten werden, sondern die EU, die 65 Millionen Einwohner, 15 Prozent ihrer Bevölkerung ungefähr, verloren hat, wird ihre Institutionen und ihre Ausgaben entsprechend zu reduzieren haben. Das würde ja jeder­mann, ob er jetzt in der Gartenzwergerepublik Österreich sitzt oder nicht, als vernünftig ansehen. Ich habe mich über die Aussagen des Außenministers gefreut. Auch der Herr Finanzminister – ich habe ein bisschen nachgelesen – hat noch in einem EU-Ausschuss am 15.5.2018, bei dem er anwesend war, gesagt, es geht nicht darum, die Institutionen oder ihr Wachstum zu fördern, sondern etwas für die Menschen zu tun. Deswegen sind die Vorschläge der Kommission für den Finanzhaushalt 2021 bis 2027 völlig unakzep­tabel.

Was ist jetzt herausgekommen? – Der letzte langjährige Finanzrahmenbeschluss war der Ratsbeschluss vom 26.5.2014. Da gab es eine sogenannte Gesamteigenmittelober­grenze von 1,23 Prozent des Gesamtbruttonationaleinkommens der Staaten. Im jetzigen Beschluss wurde diese Grenze einmal auf 1,40 beziehungsweise, wenn man den Ver­pflichtungsrahmen nimmt, auf 1,46 Prozent, damit um happige 20 Prozent, erhöht. Das heißt, es wurden nicht nur die 15 Prozent Ausfall durch den Brexit nicht eingespart, sondern den Ländern aufdividiert, und dazu gleich noch 5 Prozent Körberlgeld. Das ist für ein Nettobeitragsland wie Österreich, das nach diesen neuen Zahlen ungefähr 3,8 Milliarden Euro im Jahr einzahlen und einen noch unklaren Betrag zurückbekommen wird – der wird, Sie (in Richtung Bundesminister Blümel) werden es wissen, vielleicht schon besser geschätzt 1,8 Milliarden Euro betragen; das heißt, unser Nettobeitrag wird sich in den nächsten Jahren irgendwo bei 2 Milliarden Euro einpendeln –, auch wenn es ein Gartenzwergeland ist, ein unerfreuliches Ergebnis.

Das ist aber noch lange nicht alles. Das Nächste ist der sogenannte Sanierungsfonds, Wiederaufbaufonds oder Next-Generation-EU-Fonds, wie er genannt wird: happige 750 Milliarden Euro, die die EU – unter Anführungszeichen – „zur Verfügung stellt“, sprich – so sagt es der Text – in Vorgriff auf ihren Haushalt auf dem Kapitalmarkt aufneh­men wird. Die EU wird sich also 750 Milliarden Euro ausborgen und das wird mit den Einnahmen der Haushalte der Jahre 2021 bis 2027 und in der Folge auch der weiteren Haushalte besichert.

Na ja, jetzt könnte man ja sagen: Na gut, das kostet uns ja nichts. Die EU nimmt das auf und besichert es mit ihrem Haushalt. – Nur haben alle aufgenommenen Mittel die unan­genehme Nebenwirkung, dass man sie irgendwann zurückzahlen wird müssen. Das trifft auch auf diese 750 Milliarden Euro zu.

Jetzt kann man davon ausgehen: Na ja, die 750 Milliarden Euro werden hergeborgt, wer­den wieder zurückgezahlt; das wird sich irgendwie ausgehen. – Das ist aber in diesem Fall völlig ausgeschlossen, weil ja im Beschluss selbst drinnen steht, dass von diesen 750 Milliarden Euro bis zu 390 Milliarden Euro als Zuschüsse, sprich Geschenke, verteilt werden und nur maximal 360 Milliarden Euro als Kredite. Also 390 Milliarden Euro sind einmal verschenkt, die sind weg, die wird man zurückzahlen müssen.

Jetzt kann man sagen: Es ist ja nicht unser Problem, wie die EU das zurückzahlt. – Das kann man sagen, sollte man aber nicht sagen, weil es natürlich sehr wohl unser Problem ist. Es steht ja schon drinnen: Die EU wird sich bemühen, durchzusetzen, dass sie zu­sätzliche Eigenmittelquellen, sprich zusätzliche Steuern bekommt. Wo werden diese Steuern eingehoben? – Wohl nicht am Place Schuman, in der Europäischen Kommis­sion, sondern in den Mitgliedstaaten. Das heißt, wenn es neue Steuern gibt, werden das die Mitgliedstaaten zahlen.

Wenn es keine neuen EU-Steuern gibt, dann werden es die Mitgliedstaaten natürlich erst recht zahlen. Da gibt es nämlich eine weitere versteckte Klausel drinnen, dass man diese 1,4 beziehungsweise 1,46 Prozent noch einmal um bis zu 0,6 Prozent, sprich auf 2 Prozent plus, erhöhen kann, wenn solche neuen Steuern nicht oder nicht in ausrei­chendem Umfang erhoben oder eingenommen werden können. Da sind wir schon bei 2 Prozent des Bruttonationaleinkommens. Für Österreich ist das ein happiger Betrag, da sind wir irgendwo jenseits der 4,5 Milliarden Euro.

Damit ist es aber noch immer nicht aus, denn wenn einzelne Mitgliedstaaten ihren Ver­pflichtungen – nicht aus den Geschenken, aber aus den Darlehen, die sie bekommen, oder aus den zusätzlich abgerufenen Geldern im Rahmen dieser 0,6 Prozent des BNE – nicht nachkommen, sind die anderen Länder verpflichtet, diese Ausfälle auszugleichen. Das heißt, es können dann weitere Nachschüsse von den solventen oder zahlungswilli­gen Ländern eingehoben werden, die sogar über diese 0,6 Prozent hinausgehen.

Da Österreich ja nicht nur ein Gartenzwergestaat ist, wie Kollege Schennach meint (Zwi­schenruf der Bundesrätin Schumann), sondern auch eine recht solvente und gesunde Volkswirtschaft, ist zu erwarten, dass wir eher nicht bei denen sein werden, die ihre Ver­pflichtungen nicht oder nicht vollständig erfüllen, sondern bei denen, die auch hierfür zahlen.

Das heißt, mit diesem Paket öffnen wir ein Tor für gewaltige Haftungen und Zahlungen zum Schaden der Republik Österreich. Wir bewegen uns da weit außerhalb des Verfas­sungsrahmens, den die Verträge über die Arbeitsweise der Europäischen Union vulgo EU-Verfassung – sage ich untechnisch – vorgeben, die ja all das ausdrücklich untersa­gen.

Jetzt könnte man sagen, das Geld, das da verschenkt wird, kommt ja Österreich zugute, und diese Argumentation werden wir vielleicht nicht von Kollegen Schennach allein, son­dern auch vom Ministerium hören: Das ist ja für ganz Europa und für Österreich eine Riesenchance, weil Österreich ja nach bisherigen Schätzungen 3 Milliarden Euro – man­che Schätzungen sagen sogar: bis zu 3,17 Milliarden Euro – von der EU kriegt. – Das klingt ja nett, nur: Rechnen wir einmal kurz! Ich will jetzt nicht zu sehr an den Zahlen kleben, aber wir müssen Bedacht auf die Zahlen nehmen, wenn wir die Interessen unserer Bürger wahrnehmen. Wir haften da also für einen Betrag, der vulgo 15 Milliarden Euro ausmacht. Das ist unser Anteil an diesen 750 Milliarden Euro, ohne dass man Aus­fälle von anderen hereinnimmt, sondern wenn alle brav zahlen. Von diesen 15 Milliarden Euro sind knapp 60 Prozent Geschenke. Diese Geschenke wird man also irgendwann bezahlen müssen, durch Steuern oder durch nachträgliche Zuschüsse. Na ja, plus/minus 60 Prozent von 15 Milliarden Euro sind 8 Milliarden Euro.

Wenn man ein Paket hat, bei dem man im besten Fall – wenn nämlich alle ihren Ver­bindlichkeiten nachkommen und alle alles zahlen – 8 Milliarden Euro durch direkte Steu­ern oder Nachschüsse zahlen muss und dafür 3 oder 3,17 Milliarden Euro geschenkt bekommt, wahrt man da die Interessen unserer Bürger? Wahrt man da die Interessen der Bundesländer, die wir vertreten? Wahrt man da die Interessen? – Ja, werden einzel­ne sagen, weil es völlig egal ist, wie viel unsere Leute zahlen; wichtig sind der europäi­sche Gedanke, die Stärke der EU und die europäische Solidarität.

Ich habe nachgeschaut, welche Proargumente es gibt – es werden vielleicht eh einige kommen. Eines der besten Proargumente ist: Jeder Euro, der in Europa ausgegeben wird, egal wo, kommt Österreich zugute, weil eine starke EU ein starkes Österreich be­deutet. – Na ja, jeder Zuhörer möge seine eigenen Schlüsse aus dieser Argumentation ziehen.

Weil all das, was da geschieht, natürlich der direkteste Weg in eine Schuldenunion ist, den man sich vorstellen kann – wenngleich das unseren Bürgern in unredlicher Weise verschwiegen wird und wenngleich er verschiedenste Tarntitel verfolgt –, bringe ich fol­genden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Öster­reich darf nicht Teil einer Schuldenunion werden“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert den Beitritt zu einer Schuldenunion in Verbin­dung mit dem EU-Wiederaufbaufonds (NGEU) auf EU-Ebene abzulehnen und ein klares Bekenntnis für die finanzielle Unabhängigkeit Österreichs und gegen die Vergemein­schaftung von Schulden abzugeben sowie die dadurch freigewordenen budgetären Mit­tel insbesondere für die Stützung und Förderung der österreichischen KMU zu verwen­den, damit diese Arbeitsplätze sichern und schaffen.“

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Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

14.51

Präsident Mag. Christian Buchmann: Der von den Bundesräten Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Österreich darf nicht Teil einer Schuldenunion werden“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Mattersberger. – Bitte, Frau Kollegin.