09.18.48

Landeshauptmann von Tirol Günther Platter: Sehr geehrter Herr Präsident des Bundesrates, lieber Peter Raggl! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich darf auch Landtagspräsidentin Sonja Ledl‑Rossmann begrüßen. Vor viereinhalb Jahren war sie Präsidentin des Bundesrates, und unter ihrer Vorsitzführung wurde Bundespräsident Van der Bellen angelobt. Es war eine ganz besondere Angelegenheit, diese Angelobung von Tirolerin zu Tiroler.

Ich freue mich, dass ich heute hier sein kann. Es ist ja nicht das erste Mal, dass ich im Bundesrat auftrete. Als ich Verteidigungsminister beziehungsweise Innenminister war, haben wir hier einige Debatten geführt – Eurofighter und so weiter –, an die sich manche noch erinnern werden. Heute gebe ich zum dritten Mal als Vorsitzender der Landes­hauptleutekonferenz hier im Bundesrat eine kurze Erklärung ab.

Die, die dabei waren, haben ja gestern gesehen: Wenn wir solch ein besonderes Ereig­nis begehen wie die Übernahme des Vorsitzes im Bundesrat, so wird das feierlich gemacht, mit einem landesüblichen Empfang. Manche haben schon Angst bekommen, aber da braucht man keine Angst zu haben, das ist immer wieder eine friedliche Absicht. Am 1. Juli, als Hermann Schützenhöfer den Vorsitz der Landeshauptleutekonferenz an mich übergeben hat, war es ebenfalls so.

Ich möchte Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer ausdrücklich für seine Arbeit danken. Ich bin jetzt über 13 Jahre Landeshauptmann, aber eine so intensive Vorsitz­führung mit so vielen Themen hat es noch nie gegeben, und er hat das aus meiner Sicht sehr gut gemacht. Und ich möchte auch dir, lieber Christian Buchmann, Herr Bundesrat, noch einmal für die gute Zusammenarbeit danken. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Geschätzter Präsident, lieber Peter! Du hast das Thema ländlicher Raum, Regionen gewählt. Ich werde dir meine vollste Unterstützung geben – zum Schluss meines State­ments hier werde ich dazu noch etwas sagen.

Zunächst aber zum föderalen System: Das föderale System ist unverzichtbar. Gerade in der Pandemie hat man das jetzt gesehen. Wenn ich auf die Pandemie zu sprechen komme, so muss ich sagen, dass diese schon die größte Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg ist. Wir hatten nie mit einer solch schwierigen Situation zu tun, und – meine Damen und Herren, Sie wissen es – Tirol war ganz besonders und sehr früh betroffen. Wir waren diejenigen, die schon die Wintersaison beenden mussten, die anderen haben dann nachgezogen. Wir haben viele Maßnahmen gesetzt, auch in dem Wissen, dass man diese Pandemie nicht genau einschätzen kann. Auch war es so, dass die Expertinnen und Experten immer unterschiedliche Positionen eingenommen haben.

Es war das eine schwierige Zeit, eine schwierige Zeit für die gesamte Bevölkerung, eine schwierige Zeit in den verschiedensten Bereichen bis hin zu den Vereinen, aber auch eine schwierige Zeit für die Politik. Es ist nicht so angenehm, den Menschen zu sagen, sie sollen daheim bleiben, eine Ausgangssperre einhalten, Masken tragen, Abstand halten. Es war eine schwierige Situation, aber ich meine, dass wir das in Österreich eigentlich ganz gut über die Bühne gebracht haben; insbesondere wenn man auch die Medienberichte aus dem Ausland hört.

Es geht darum, dass wir Menschenleben schützen müssen – das ist unsere Verant­wortung –, und es geht auch darum, dass wir Menschenleben retten müssen. Das geht nur in einem guten Zusammenspiel zwischen der Bundesregierung und den Bundes­ländern. Jetzt gerade findet eine Taskforcesitzung statt, in der man sich darüber unter­hält, ob zusätzliche Maßnahmen notwendig sind oder nicht. Dieses Zusammenspiel ist notwendig, und ich fordere ein, dass die Bundesregierung auch die Stimmen der Bun­desländer hört, dass man gemeinsam Maßnahmen beschließt und ergreift, und dann kommt das föderale System ganz besonders zum Ausdruck. Die Umsetzung aller Maß­nahmen funktioniert nicht auf Bundesebene, sondern auf Länderebene und insbeson­dere in den Gemeinden. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Ich möchte mich bei den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern in Österreich, bei den Gemeinderätinnen und Gemeinderäten, beim medizinischen Personal, bei den Ehren­amtlichen – ohne Ehrenamtliche wäre es niemals machbar, eine solche Pandemie zu bewältigen – herzlich bedanken, auch beim Bundesrat für die Zustimmung in den vielen Bereichen. Ich meine, dass gerade in einer solch schwierigen Angelegenheit die Bun­desrätinnen und Bundesräte eine besondere Nähe zu den Menschen haben, das Gespür dafür haben, was die Leute wollen und was nicht. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Während meiner Vorsitzführung in der Landeshauptleutekonferenz wird uns die Pande­mie aber weiterhin intensiv beschäftigen. Das Virus ist nicht weg, das müssen wir alle wissen, das wird uns beschäftigen – wir sehen jetzt, dass die Inzidenzzahl schon wieder langsam etwas hinaufgeht. Es ist aber ganz entscheidend, dass wir nicht überreagieren, denn nicht nur die Inzidenz ist entscheidend, entscheidend ist die Hospitalisierung, wie viele Menschen in den Krankenhäusern und insbesondere in den Intensivbereichen be­handelt werden müssen.

Der Schlüssel ist die Impfung. Ich freue mich darüber, dass wir in Tirol jetzt an über 57 Prozent der Gesamtbevölkerung die Impfung vorgenommen haben – wenn man nur die Impfbaren zählt, so sind es jetzt schon über 64 Prozent. Wir müssen die Bevölkerung sensibilisieren, damit sich die Menschen impfen lassen. Die politische Arbeit ist die Zurverfügungstellung des Impfstoffes, und jetzt geht es um die Eigenverantwortung der Bevölkerung, der Österreicherinnen und Österreicher, dass sie sich impfen lassen. Wer geimpft ist, wird kein Problem mit der Pandemie haben, wird höchstwahrscheinlich nicht im Krankenhaus landen. Wer nicht geimpft ist, wird ein Problem haben – früher oder später. Ich glaube, es ist wesentlich, dass wir das der Bevölkerung sagen, dass wir die Bevölkerung sensibilisieren.

Wir haben das Beispiel Bezirk Schwaz: Sie wissen, da hatten wir mit der südafri­kani­schen Variante zu tun, und es war keine feine Angelegenheit, die dort zu verzeichnen war. Dort sind jetzt über 70 Prozent geimpft, wir haben eine Inzidenz von 0, manchmal 1 oder 1,2, dass einmal irgendjemand angesteckt wurde, aber im Prinzip ist die Sache im Bezirk Schwaz erledigt – und so soll es in ganz Österreich sein. Es ist unsere Verantwortung, den Leuten das zu sagen, es ist aber die Eigenverantwortung der Bevölkerung, sich impfen zu lassen. Deshalb: Lasst euch alle impfen! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Damit verbunden sind natürlich Arbeit und Wirtschaft. Das Land Tirol ist sehr stark tourismusgeprägt, wir haben vor der Pandemie eigentlich beinahe Vollbeschäftigung gehabt, und dann, als die Pandemie kam, die Wintersaison beendet war – was nie mehr wieder passieren darf, das hält der Standort nicht aus –, hatten wir dort dann die höchste Arbeitslosenquote. Jetzt, seit der Tourismus wieder funktioniert, haben wir eine Arbeitslosenquote von 4,3, also wir sind schon wieder die Zweiten, was den Standort, den Arbeitsmarkt betrifft. Man sieht also schon, welche Bedeutung bei uns der Touris­mus hat, natürlich aber auch die Industrie, Klein- und Mittelbetriebe.

Deshalb wird es unsere Aufgabe sein, alles daranzusetzen, dass die Menschen Arbeit haben, alles daranzusetzen, dass der Wirtschaftsstandort auch entsprechend angekur­belt wird.

Ein weiteres Thema während der Vorsitzführung werden die Finanzen sein. Da haben wir noch einiges zu regeln, insbesondere im Gesundheitsbereich, insbesondere in jenen Bereichen, die Mindereinnahmen haben. Bei der Gesundheitsfinanzierung geht es um viel Geld, da geht es um rund 1 Milliarde Euro, und da werden wir schon Verhandlungen führen müssen, aber das, was uns zusteht, ist nicht verhandelbar, das müssen die Länder letztendlich auch wieder bekommen, und da wird es schon die eine oder andere Debatte geben. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Meine Damen und Herren! Wenn man schaut, wie die Pandemie über die Bühne gegangen ist, so ist eine große Lehre, dass nicht alles in andere Kontinente ausgelagert werden darf. Schauen Sie, wir haben mit der Schutzausrüstung, mit den Masken riesige Probleme gehabt, man hat schauen müssen, dass man Masken irgendwo herbekommt – in unterschiedlicher Qualität –, weil es sie in Europa nicht gegeben hat. Da hat sogar ein Wettbewerb zwischen den Staaten stattgefunden.

Das muss uns eine große Lehre sein, dass nicht alles an Produktion ausgelagert wird.

Ich darf Ihnen ein Beispiel nennen: Penicillin. Die Absicht der großen Hersteller war, dass die Penicillinproduktion, die in Spanien stattgefunden hat, nach China verlagert wer­den sollte. Stellen Sie sich vor, wir hätten in Europa keine Penicillinproduktion mehr! Dann wären wir im Gesundheitsbereich zum Beispiel von China massiv abhängig. Wir haben es dann geschafft, dass die gesamte Penicillinproduktion nicht nach China, sondern sozusagen nach Tirol ausgelagert wurde. In Kundl und Schaftenau erfolgt jetzt die gesamte Penicillinproduktion für Europa und darüber hinaus. Das bedeutet zusätzliche Arbeitsplätze. Wir – der Bund und das Land – haben aber auch eine bestimmte Förder­kulisse geschaffen, damit das möglich war.

Also, trachten wir danach, dass Produktionen nicht ständig und permanent in andere Kontinente ausgelagert werden, denn das ist ein massiver Nachteil für die Europäische Union! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Ein letzter Punkt, den ich erwähnen möchte, der mir in meiner Vorsitzführung wichtig ist, ist die kritische Infrastruktur. Wir stellen schon eine bestimmte Verletzbarkeit fest, was die kritische Infrastruktur betrifft. Das ist ein Thema, das mich immer schon interessiert hat, auch als Innenminister, und dabei geht es insbesondere auch um Strom. Stellen Sie sich vor, wir haben ein Blackout im Bereich Strom! – Ich habe deshalb mit dem Verteidi­gungsministerium und dem Innenministerium – und ich hoffe, dass die Bundesländer mittun – bereits vereinbart, dass wir zwei Tage lang eine Übung machen werden, bei der wir alle Szenarien vorbereiten werden, die Konzepte nachschärfen werden, damit wir auch vorbereitet sind, sollte so etwas passieren – wir hoffen ja nicht –, damit wir ausgezeichnete Konzepte in der Schublade haben, sollte so etwas passieren. Blackout ist aus meiner Sicht ein großes Thema, deshalb werden wir im November diese große Übung durchführen.

Geschätzte Damen und Herren! Was die Regionen betrifft, so freut es mich natürlich, dass dieser Bereich unter der Vorsitzführung von Peter Raggl in Angriff genommen wird: „Starke Regionen, starke Republik“, geht es den Regionen gut, geht es der Republik gut und geht es der Europäischen Union gut!

Wir müssen mit allen Mitteln die Landflucht verhindern. Gerade durch den Ausbau der Digitalisierung, des Breitbandnetzes haben wir jede Chance der Welt, in den Regionen, in den Tälern Betriebe anzusiedeln, nicht benachteiligt zu sein, was die Kommunikation betrifft. Das ist essenziell, und deshalb werde ich alle Maßnahmen die Regionen, den Lebensraum, die Regionalität, die Innovation, die Digitalisierung, die Solidarität und den Zusammenhalt betreffend voll unterstützen.

Ich möchte aber, wenn ich über Regionen rede, ein weiteres Thema ansprechen – ich muss das tun! –: Wir haben ein riesiges Problem mit dem Wolf, Leute, ein riesiges Problem! Jede Nacht werden Schafe gerissen. Es ist bereits so, dass die Schafbauern die Tiere nicht mehr auf die Alm beziehungsweise wieder ins Tal bringen. Daher müssen wir uns schon auch auf Bundesebene überlegen, wie der Schutzstatus anzulegen ist, müssen Position beziehen und diese Position dann auch in Europa einbringen.

Das ist ein riesiges Problem. Schauen Sie sich etwa Rumänien an, welche Probleme es dort gibt; in Rumänien gibt es auch Tausende Bären! Das ist ein Thema, da kann man nicht einfach sagen: Ja, wir wissen, da ist die Bevölkerung sehr kritisch, gerade im urbanen Bereich. Das wäre zu einfach in dieser Frage. Also würde ich ersuchen, dass sich auch der Bundesrat mit einem solch essenziellen Thema auseinandersetzt.

Aber – und das sage ich als einfacher Landeshauptmann – passen wir, wenn die Auseinandersetzung stattfindet, auf die Wortwahl auf! Worte können verletzen; das ist die Vorstufe zur Gewalt. Und glauben Sie mir eines: dass sich dadurch immer noch mehr Menschen von der Politik abwenden. Da geht es nicht um Parteipolitik, nein, da geht es um die Politik insgesamt. Da wird kein Unterschied gemacht, wer was sagt. Wir als Politikerinnen und Politiker müssen Vorbild sein. Wir müssen darauf achten, dass wir eine ordentliche Debatte führen – kritisch selbstverständlich, unterschiedliche Positionen vertretend, das ist ja gelebter Parlamentarismus, selbstverständlich, aber bitte achten wir auf die Wortwahl! Die Menschen wenden sich sonst von der Politik ab, und das ist ein Schaden für die Demokratie. Ich würde bitten, darauf zu achten. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

In diesem Sinne herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Ich wünsche mir eine gute Zusammenarbeit mit dem Bundesrat. Er ist unverzichtbar, er ist unsere Länderkammer, in diesem Sinne werden wir die nächsten sechs Monate gut zusammenarbeiten. – Herz­lichen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

9.35

Präsident Dr. Peter Raggl: Ich danke dem Herrn Landeshauptmann von Tirol Günther Platter für seine Ausführungen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Mattersberger. Ich erteile ihr dieses.