9.52.20

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol)|: Herr Vorsitzender! Auch seitens meiner Fraktion wünsche ich dir alles Gute für das halbe Jahr, in dem du den Vorsitz bei uns im Bundesrat führst! Wir hoffen auf gute Zusammenarbeit.

Ja, liebe Kollegen, Sie werden sich wahrscheinlich nicht wundern, dass ich jetzt nicht in die Jubelchöre der ÖVP mit einstimmen werde. Ich will die Heile-Welt-Stimmung hier herinnen zwar auch nicht ganz zum Kippen bringen, aber es gibt doch einiges zu sagen.

Herr Landeshauptmann Platter, Ihre blumigen Worte kennen wir in Tirol ja schon zur Genüge, und wir sind sie von Ihnen auch gewöhnt, aber wenn man mit Tirol vielleicht nicht so viel zu tun hat und das politische Geschehen im Land vielleicht nicht so verfolgt, dann könnte man jetzt, nach den Reden des Landeshauptmannes und der ÖVP-Abge­ordneten, doch wirklich glauben, in Tirol herrscht heile Welt, alles ist gut, in den letzten eineinhalb Jahren ist quasi nichts passiert – durchtauchen und weiter so! –, doch, Herr Landeshauptmann, das ist mitnichten der Fall: Chaos an allen Ecken und Enden in Tirol!

Der Herr Landeshauptmann kommt nach Wien und hält eine kleine Märchenstunde ab (Ruf bei der ÖVP: Na!) – unglaublich eigentlich: Nach diesem Wahnsinn, den die schwarz-grüne Tiroler Landesregierung schon über ein halbes Jahr lang in Tirol aufführt, stellt sich Herr Platter hier ins Parlament in Wien und – jetzt kommt es! – sagt, wie die ÖVP – und das ist ja das Wahnsinnige –, jene ÖVP, die unser Tourismusland Österreich nach­haltig geschädigt hat, dieses wieder aufbauen will. Das ist ein Treppenwitz der Geschichte, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich hoffe nur, dass die Tiroler nun endlich wach werden und auch sehen, wie diese ÖVP in Tirol wirklich tickt, wie sich diese ÖVP in Tirol das Land aufteilt und mit welcher Selbst­gefälligkeit unser schönes Tirol von dieser ÖVP in Geiselhaft genommen wird. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Zwazl.) Das Einzige, das diese ÖVP in Tirol beherrscht – und das wirklich perfekt –, ist Macht und Machterhalt um jeden Preis, quasi zum Koste-es-was-es-wolle-Tarif, Herr Platter.

Warum wird man denn eigentlich Mitglied bei der Tiroler ÖVP? – Nicht etwa aufgrund eines guten Programms – mit Sicherheit nicht! (Heiterkeit der Bundesrätin Schartel) –, zur ÖVP geht man nur, weil man sich daraus einen persönlichen Vorteil erhofft. Schlech­testenfalls hat man keinen Nachteil, wenn man im pechschwarzen Tirol etwas braucht.

Genau das meine ich mit Macht und Machterhalt, denn in Tirol geht von der Wiege bis zur Bahre fast nichts ohne ÖVP, und wenn du ganz, ganz brav warst, ein braver Parteisoldat warst, dein Lebtag lang die ÖVP gewählt hast, dann, meine lieben Damen und Herren, wird der ÖVP-Bürgermeister noch deine Grabrede halten. – So schaut es aus im Land Tirol! (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Mittlerweile wird das auf Bundesebene ja auch so praktiziert. Kein Wort habe ich von Ihnen, Herr Platter, aus Tirol vernommen, als unsere Verfassung, als unsere Grund­rechte, als unser Rechtsstaat, als unser Parlamentarismus von ÖVP und Grünen ständig mit Füßen getreten wurden: Aus Tirol war Schweigen zu vernehmen.

Kommen wir aber zurück zur nachhaltigen Schädigung der Marke Tirol! Seinen Ursprung hat das Missmanagement eigentlich schon in der Causa Ischgl, da hat die gesamte Landesregierung mitsamt ihren Behörden kläglichst versagt. Zuerst wollte man ja noch alles unter der Tuchent halten und alles vertuschen, als das dann aber nicht mehr ging, machte man einen Fehler nach dem anderen, und der Höhepunkt war dann – Sie werden sich noch erinnern – das mittlerweile weltbekannte Interview des Gesundheits­landes­rates Alles-richtig-gemacht-Tilg. – Unglaublich! Daran sieht man wirklich deutlich, wie abgehoben, wie präpotent und mit welcher Überzeugung – das muss man sich einmal vorstellen! – man sich für ein Interview ins Fernsehen setzt und 27-mal behauptet: Wir haben „alles richtig gemacht“!, obwohl die ganze Welt wusste, es sind zig Fehler pas­siert.

Ich will nicht die gesamten Fehler, Herr Platter, Ihres Coronamissmanagements hier aufzeigen – ich würde ja nicht damit fertig und die Zeit würde auch nicht reichen –, ich würde einmal sagen, wir beschränken uns quasi auf Ihre ganz persönlichen 15 High­lights.

Beginnen wir mit der Beschaffung der Schutzausrüstung! Da hat sich Herr Platter hin­gestellt und gesagt: Liebe Hausärzte, ihr braucht keine Sorgen zu haben, das übernimmt das Land Tirol, das ist in sicherer Hand! Ihr bekommt die Schutzausrüstung, ihr braucht euch um nichts zu kümmern! – Monatelang haben unsere Hausärzte auf diese Schutz­ausrüstung gewartet.

Dann ging es weiter, dann kam die Gemeindequarantäne. Man muss sich das einmal vorstellen: Jede einzelne Gemeinde in Tirol wurde unter Quarantäne gestellt. Das hieß, wenn ich von der einen in die andere Gemeinde ging, wurde ich bestraft – das war strafbar! Für die Wiener – damit ihr das auch versteht –: Wenn du von einem ins andere Grätzel gehst, bist du bestraft worden. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) So hat es ausge­schaut in Tirol. Bis heute gab es keine Entschuldigung vom Herrn Landeshauptmann. (Beifall bei der FPÖ.) Mittlerweile wissen wir, dass diese Gemeindequarantäne verfas­sungswidrig war und die Bürger zu Unrecht bestraft wurden.

Und während die Bürger in Tirol bestraft wurden, ließen sich die ÖVP-Bürgermeister in DDR-Manier, ganz nach dem ÖVP-Vetternwirtschaftsmotto (Bundesrätin Zwazl: Aufpas­sen!), samt Anhang im Altersheim impfen. Impfvordrängler Bürgermeister Rudolf Häusler von der ÖVP war ein trauriges Fallbeispiel. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Aber auch der Chaosbezirkshauptmann von Landeck, zuständig für Ischgl, wurde wieder bestellt, Herr Platter. Anstatt dass man endlich qualifizierte Personen an relevante Posi­tionen im Land setzt, betreibt man weiter Parteipolitik. Und aufgrund des Missmana­ge­ments der Tiroler Landesregierung galten wir weltweit – weltweit! – als Seuchengebiet Nummer eins, und das ist ein nachhaltiger Schaden. Gratulation, Herr Landesvater Platter! (Beifall bei der FPÖ.)

Plötzlich kam dann in Tirol als einzigem Bundesland das Vorverlegen der Sperrstunde auf 22 Uhr. Und was passierte? – Die ÖVP feierte am Rande einer Landtagssitzung feuchtfröhlich bis spät in die Nacht. Die ÖVP-Elite im Land feierte, während der Pöbel, wie man in der türkisen Familie zu sagen pflegt, um 22 Uhr eingesperrt wurde. Auch das zeigt die Präpotenz dieser ÖVP. (Beifall bei der FPÖ.)

Dann kam die Südafrikamutante, die angeblich das ganze Zillertal dahinraffen würde. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Nur bekam – ich bin selber ein Zillertaler – im Zillertal halt fast niemand etwas von dieser ach so aggressiven Mutante mit. Warum bekam davon niemand etwas mit? – Weil mehrere Hunderttausend Tests falsch positiv ausgewertet wurden – über 220 000 falsch ausgewertete positive Tests! Und wie kann es anders sein? – Jemand aus der ÖVP-Familie war es: ein Urologe, der in Tirol plötzlich zum Virologen mutierte, quasi eine ÖVP-Freunderl-Erfolgsstory. Ein ÖVP-naher Mediziner, der laut Ärztekammer Berufsverbot hat, bekam ohne Ausschreibung den Auftrag des Landes über 8 Millionen Euro und zeichnete dann mit seinen falschen Tests für den Anstieg der Infektionen mit der Südafrikamutante verantwortlich. Wieder war Tirol Seuchen­gebiet Nummer eins für die ganze Welt.

Kommen wir zum Löwenbändiger. Kurz zur Erklärung: Der Herr Landeshauptmann hat sich selber als den bayerischen Löwenbändiger bezeichnet. Da frage ich mich: Wo war denn unser Dompteur, als uns Herr Söder aufgrund der falschen HG-Lab-Truck-Tests zum Seuchengebiet erklärt hat, wieder einmal Tirolbashing betrieben und uns an den Grenzen drangsaliert hat? – Der selbsternannte Löwenbändiger endete als Bettvorleger bei Sonnenkönig Söder. (Beifall bei der FPÖ.)

Wo war denn unser Herr Landesvater – den Titel hören Sie ja so gerne, Herr Platter –, als Ihr Parteifreund Kanzler Kurz eine Reisewarnung für das Bundesland Tirol aus­sprach? – Geschwiegen haben Sie wieder einmal. Da hörte man nichts von Herrn Platter, da war es ganz ruhig. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Um dann den ganzen ÖVP-Skandal um Lab Truck, den ich vorhin erwähnt habe, zu vertuschen, traten plötzlich in einer Nacht-und-Nebel-Aktion – längst überfällig! – Gesund­heitslandesrat Alles-richtig-gemacht-Tilg und dann auch noch Wirtschaftslandesrätin Zoller-Frischauf zurück. Komisch: Wenn da dann jemand eine Verbindung zum ÖVP-Skandal um Lab Truck erkennt, ist er wahrscheinlich ein Verschwörungstheoretiker. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit der Bundesrätin Schartel.)

Zum krönenden Abschluss bekommen wir dann eine neue Gesundheitslandesrätin, Frau Leja, die sich in ihrer ersten Landtagssitzung allen Ernstes hinstellt und zum Besten gibt – ich zitiere –: Jeder Gast, der sich nicht testen lässt, ist eine Gefahr für uns Tiroler! – Man darf nicht vergessen: Tirol ist ein Tourismusland. Da sieht man dann wirklich die gefährliche Ideologie dieser ÖVP. (Zwischenruf des Bundesrates Kornhäusl.)

Diese nicht vollständige Liste, Herr Platter, ist ja nur ein Abriss Ihrer Corona-Pleiten-Pech-und-Pannen-Misswirtschaft à la ÖVP in Tirol. Da reden wir ja noch gar nicht über das Versagen in vielen anderen Bereichen, Herr Landeshauptmann, wie die Verdoppe­lung des Transits, seit Schwarz-Grün im Amt ist. Da reden wir auch noch nicht darüber, dass sich die Preise am Wohnungsmarkt nahezu verdoppelt haben, seit Schwarz-Grün im Amt ist. Da reden wir auch noch nicht darüber, wie es der Wirtschaft in unserem Land geht. Über all das haben wir noch gar nicht geredet.

Da reden wir nicht darüber, wie Sie, die Tiroler ÖVP, mit Ihren Abgeordneten hier in Wien versuchen, unsere Bauern in Sachen Wolf hinters Licht zu führen. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) Das muss man sich einmal vorstellen: In Tirol treten dieselben Nationalratsabgeordneten gegen den Wolf auf, ja sie sind sogar Wortführer im Land Tirol und protestieren gegen die eigene Landesregierung – das muss man sich einmal vor­stellen! Dieselben Herrschaften – Landwirtschaftskammerpräsident und Nationalrat Hechenberger, Wirtschaftsbündler und Nationalrat Hörl, Bauernbündler und Nationalrat Gahr –, die in Tirol gegen den Wolf protestieren, stimmen dann in derselben Woche hier im Parlament für den Wolf und gegen einen FPÖ-Antrag. Diesen Treppenwitz müssen Sie mir einmal erklären, Herr Landeshauptmann Platter. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Die Liste ließe sich beliebig lang fortsetzen, aber das Fazit, Herr Platter – Herr Lan­desvater Platter –, ist: Wenn man einmal hinter Ihre blumigen Worte schaut, sieht die Sache in Tirol schon gar nicht mehr so rosig aus.

Ich darf an dieser Stelle noch meinen Landesparteiobmann zitieren, der gestern gesagt hat: Platters Ankündigung, neuerlich zu kandidieren, ist „eher eine gefährliche Drohung [...] als eine zukunftsweisende Ansage“. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) – Recht hat mein Landesparteiobmann, ich unterstütze diese Aussage zu 100 Prozent.

Was müssen wir in Tirol machen? – Tirol muss von diesen schwarzen Klauen, die immer und überall drinnen sind, endlich befreit werden. Sie, Herr Platter, sind amts- und politikmüde. Innerparteilich und politisch sind Sie massiv angeschlagen. Bitte lösen Sie sich vom Klebstoff, der Sie noch immer an den Landeshauptmannsessel klebt! Machen Sie den Platz frei, Herr Platter, machen Sie den Platz frei für Neues! Tirol gehört den Tirolern und nicht der ÖVP. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

10.06

Präsident Dr. Peter Raggl: Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, möchte ich noch unsere ehemalige Kollegin Klara Neurauter auf der Galerie begrüßen. – Grüß dich, Klara, es freut uns, dass du da bist! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundes­rätInnen der SPÖ.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile ihm dieses.