10.46

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werter Herr Landeshauptmann! Sie waren ja nicht immer schon Landeshauptmann, sondern haben bereits zuvor hohe und höchste Ämter in unserer Republik bekleidet. Sie waren zwischen 2003 und 2007 Verteidigungsminister, im Anschluss daran noch eineinhalb Jahre Innenminister. Im Rückblick, glaube ich, kann man – das ist jetzt schon mehr als 13 Jahre her – eine Bilanz ziehen, was denn von Ihrer Politik in dieser damaligen Zeit auf Bundesebene geblieben ist, denn genau mit diesen Problemen, die Sie und Ihre Amtsnachfolger von der ÖVP uns hinterlassen haben, müssen wir uns im politischen Alltag im Bundesrat auch heute noch befassen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Buchmann.)

Ich kann mich noch gut erinnern – ich glaube, es muss im Jahr 2006 oder 2007 gewe­sen sein, da war ich als Milizmann gerade jung ausgemusterter EF-Wachtmeister im österreichischen Bundesheer –, als Sie damals bei irgendeiner Veranstaltung des österreichischen Bundesheeres in Salzburg davon gesprochen haben, dass die Miliz ein unverzichtbarer Bestandteil des österreichischen Bundesheeres ist und bleibt. Sie haben sich also als Freund der Miliz präsentiert, als Sie über die Heeresreform gesprochen haben. Was ist aber tatsächlich geschehen? – Sie haben die Milizübungen nach dem Grundwehrdienst abgeschafft und ein damals sehr bewährtes System ohne Notwendig­keit zerschlagen.

Jetzt muss man aber wissen – wenn man selbst nicht so mit den inneren Vorgängen des Bundesheeres vertraut ist –, dass Übungen für die Einsatzfähigkeit eines Heeres, einer Militärorganisation natürlich etwas ganz Entscheidendes sind, um sozusagen die Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Es würde keinem Land der Welt einfallen, ein Milizsystem einzurichten, in dem man Soldaten zur Einsatzfähigkeit ausbildet, sie dann nach einem sehr kurzen Grundwehrdienst von sechs Monaten wieder heimschickt und anschließend gar nicht mehr verwendet. Ihnen ist das entgegen dem Rat aller Experten eingefallen.

Heute sucht man im Bundesheer – das kann ich auch noch berichten – händeringend Freiwillige für die Miliz und wäre froh, wenn man beim alten System geblieben wäre, wie es auch in der Verfassung verankert ist, nämlich einen relativ kurzen Grundwehrdienst vorzusehen und dann kurze, aber eben regelmäßige Miliz- und Truppenübungen in wiederkehrenden Abständen durchzuführen.

Sie haben es also geschafft, das Bundesheer mit allen Nachteilen eines reinen Berufs- und Kaderheeres und zugleich mit allen Nachteilen eines Wehrpflichtigen- und Miliz­heeres zu belasten, ohne zugleich die Vorteile, die theoretisch aus einer dieser beiden Heeresorganisationen zu erzielen wären, zu nutzen. Das haben Sie geschafft.

Sie haben weiters als Landesverteidigungsminister Kasernen und Heeresliegenschaften sonder Zahl und wiederum ohne Not weit unter Marktwert, weit unter den Planzahlen, die damals kursiert sind, verkauft, ohne dass der Verkaufserlös nachhaltig dem Bun­desheer zugutegekommen wäre und ohne dass das zu einer Steigerung der Einsatz­fähigkeit geführt hätte.

Sie haben natürlich, als Sie über diese Heeresreformen gesprochen haben, immer wieder wortreich eine Stärkung der Truppe und eine ausreichende finanzielle Ausstat­tung versprochen. Dieses Versprechen haben Sie nie eingelöst. Sie wissen, das Heeres­budget ist in Richtung 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts von Österreich gesunken. Nur zum Vergleich: Andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union geben im Durch­schnitt das Doppelte aus – im Durchschnitt. Allein das winzige Luxemburg schafft es, Österreich bei den Heeresausgaben mit einer winzigen Polizeitruppe noch zu unter­bieten. Das muss man einmal schaffen.

Jetzt können Sie natürlich sagen: Na ja, was soll ich machen? Als Landesver­teidi­gungsminister kann ich ja über das Budget nicht selbst entscheiden!

Ja, das ist schon richtig, aber bitte: Sie sind ÖVP-Verteidigungsminister einer ÖVP-geführten Bundesregierung mit einem ÖVP-Finanzminister gewesen. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Es geht jetzt aber um die Zukunft! Es geht um Tirol!) Da ist es doch wohl nicht zu viel verlangt, dass man sich einmal hinsetzt und verhandelt, überzeugt. Man hat ja die Expertenpapiere gehabt, die ganz klar und evidenzbasiert aufzeigen, wo denn die Finanzierungsnotwendigkeiten des Bundesheeres bestehen, warum sie bestehen. Sich dann hinzustellen und zu sagen: Na ja, gut, ich habe es eigentlich nicht einmal probiert, es gibt halt nicht mehr Geld!, das ist einfach schwach. Sie aber sind politisch dafür belohnt worden, ganz klar, und konnten Ihre politische Karriere weiter fortsetzen. Sie sind also als Verteidigungsminister insofern nicht im Einsatz für das österreichische Bundesheer erfolgreich gewesen, sondern darin, eine desaströse organisatorische und finanzielle Schwächung unseres Heeres herbeizuführen, die bis heute nachwirkt, und Sie waren erfolgreich darin, das auch noch als positive Heeresreform zu verkaufen. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Landeshauptmann, als Innenminister sind Sie sich in Wahrheit treu geblieben, wenn man so will: Sie haben eine Law-and-Order-Rhetorik gelebt. Ich habe mir da ein paar Zitate von Ihnen herausgeschrieben und mir manchmal gedacht, das könnte auch von Karl Nehammer oder Sebastian Kurz stammen. Das ist eine typische ÖVP-Rhetorik. Sie sprachen etwa davon, dass es mit Ihnen „keine Aufweichung des Fremdenrechts geben“ werde und dass Asylwerber nach dem Dublinsystem  „schnellstmöglich in jene Länder rücküberstellt“ werden, die in der Europäischen Union für das Asylverfahren zuständig sind, also die EU-Außenstaaten. Sie würden mit einem neuen Asylgerichtshof sicher­stellen, dass ein Asylverfahren bis zum Abschluss der letzten Instanz nicht mehr länger als ein Jahr dauert, und natürlich seien Abschiebungen zu vollziehen. (Bundesrätin Zwazl: ... einzige Thema!)

Nichts von alldem ist Realität geworden, meine Damen und Herren! Denken Sie zurück! Auf welches Asylsystem sind wir denn beispielsweise im Jahr 2015 getroffen? – Das war das Asylsystem, das Sie und Ihre Amtsnachfolger so gezimmert haben.

Was ist also wirklich im Rechtsbestand des Fremdenrechts geblieben? – Na ja, das Bleiberecht für abgelehnte Asylwerber. Das geht auf Ihren Kriterienkatalog zurück. (Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.) Sie haben also einen neuen Aufent­haltstitel und damit einen neuen Pullfaktor für Österreich geschaffen, der maßgeblich mitverantwortlich dafür war und auch weiterhin ist, dass für Asylwerber und deren Rechtsvertreter natürlich ein enormer Anreiz besteht, Asylverfahren weiterhin auf öster­reichischem Boden anzustreben, diese in Österreich über Jahre hinweg in die Länge zu ziehen, dabei auch höchstgerichtliche Entscheidungen nicht zu akzeptieren, sondern sich einer drohenden Abschiebung so lange faktisch zu entziehen, bis am Ende die dauernde Aufenthaltsberechtigung in Form des humanitären Bleiberechts erteilt werden kann.

Das Dublinsystem der Zurückweisung von Asylanträgen haben Sie, wie gesagt, ver­sprochen, Rückführungen an die Mitgliedstaaten an den EU-Außengrenzen wurden aber nie ernsthaft implementiert. Das ist alles ineffektiv geblieben. Ebenso haben Sie Asyl­verfahren nie beschleunigt, und das Bleiberecht ist uns, wie gesagt, geblieben.

Herr Landeshauptmann, ich will jetzt aber nicht nur Sie an den Pranger stellen – das ist nicht mein Anliegen –, Sie sind ja damit nicht allein, sondern stehen mit dieser Bilanz beispielhaft für die Politik der Österreichischen Volkspartei – seit Jahren und Jahrzehn­ten. Sie sind seit über vier Jahren nun auch auf Bundesebene vom Wähler mit der gesamten Regierungsmacht ausgestattet, die man sich nur wünschen kann – auf Ebene des Bundes, auf Ebene zahlreicher Länder, auf Ebene der Gemeinden. Zwei Drittel aller Bürgermeister kommen von der Österreichischen Volkspartei. (Bundesrat Kornhäusl: Da werden wir uns nicht entschuldigen dafür!) Die tatsächliche Umsetzung Ihrer Ver­antwortung, Ihrer Law-and-Order-Rhetorik ist gar nicht so wichtig. Oft fällt es nicht einmal auf, wenn Sie in der Sache das genaue Gegenteil von dem tun, was Sie versprechen. Sie können den Menschen versprechen, die Tiere und die Menschen vor dem Wolf zu schützen, und in Wahrheit dafür sorgen, den Wolf vor den Menschen zu schützen. (Beifall bei der FPÖ.)

Diese ÖVP-Tradition, meine Damen und Herren, dem Wähler nach dem Mund zu reden, sichere Grenzen zu versprechen, Abschiebungen zu versprechen, in Wahrheit aber die eigene Regierungsmacht dafür zu nutzen, im Innenministerium die Treiber der illegalen Einwanderung zu stärken und im Verteidigungsministerium das österreichische Bun­desheer zu schwächen (Bundesrätin Zwazl: Oje!), diese ÖVP-Politik setzen natürlich auch Ihre Amtsnachfolger Tanner und Nehammer unter Bundeskanzler Sebastian Kurz wie selbstverständlich fort. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.) Für etwas anderes stand die ÖVP schon vor 13 Jahren nie, und für etwas anderes steht die ÖVP auch heute nicht. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

10.54

Präsident Dr. Peter Raggl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann Günther Platter, ich bedanke mich noch einmal im Namen des Bundesrates für deinen Besuch und für die Erklärung hier im Hohen Haus. Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

Ich darf Bundesministerin Leonore Gewessler bei uns im Bundesrat begrüßen. – Ein herzliches Grüß Gott! (Allgemeiner Beifall.)