Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP, Vorarlberg): Herr Minister!

1925/M-BR/2021

„Gibt es punkto Arbeitsmarktzahlen Regionen, wo Sie noch Schwierigkeiten sehen?“

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Vielen Dank. Wir haben in Ös­terreich eine sehr starke Differenzierung der Arbeitsmarktzahlen nach Regionen. Es gibt gerade im Westen von Österreich Regionen, in denen praktisch Vollbeschäftigung herrscht, in denen die Arbeitslosenquote 4 Prozent oder weniger beträgt und es natürlich einen sehr starken Fachkräfte- und Arbeitskräftebedarf gibt. Ich empfehle jedem, einmal nach Salzburg oder Tirol zu fahren, wo die Arbeitslosenquote im Moment am geringsten ist – aber auch in Oberösterreich –, und dort Betriebe zu besuchen; die haben wirklich große Schwierigkeiten, Mitarbeiter zu rekrutieren.

Es gibt Bundesländer, die eine Arbeitslosigkeit im Bereich von 5 bis 6 Prozent haben, und es gibt ein Bundesland, Wien, das eine substanziell höhere Arbeitslosenquote hat. Das ist historisch auch immer so gewesen, das liegt zum Teil an der Struktur des Ar­beitsmarktes und natürlich an der Größe der Stadt. Der städtische Raum ist natürlich manchmal etwas stärker von Arbeitslosigkeit betroffen als der ländliche Raum, der gut funktionierende ländliche Raum, aber ich glaube schon, dass die Arbeitslosenquote in Wien mit 11,4 Prozent sehr hoch ist und wir alles tun müssen, dass auch in Wien die Arbeitslosenquote nach unten geht.

Wie immer haben wir natürlich die Mittel so verteilt, dass insbesondere dort, wo es eine höhere Arbeitslosigkeit gibt, auch mehr Mittel zur Verfügung stehen, deswegen gibt es auch die Anstrengung, die Arbeitslosenquote in Wien zu senken. Wien hat das Vorkri­senniveau noch nicht erreicht. Fast alle Bundesländer haben das erreicht, Wien hat das noch nicht ganz geschafft. Ich hoffe, das wird bald passieren.

Präsident Dr. Peter Raggl: Zusatzfrage, Frau Bundesrätin Schwarz-Fuchs? – Bitte.

Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP, Vorarlberg): Danke. Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung im Tourismus ein?

Präsident Dr. Peter Raggl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Danke, das ist eine ganz wichtige Frage. Ich glaube, es gibt viele Sorgen, die die Wintersaison betreffen, vor allem in Be­zug auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Im Tourismus ist der Mitarbeiterbedarf jetzt besonders groß, weil sehr rasch nach der Öffnung im Mai sehr viele Mitarbeiter ge­braucht wurden und weniger zur Verfügung standen, weil viele Mitarbeiterinnen und Mit­arbeiter, vor allem Saisonniers, nicht mehr nach Österreich gekommen sind.

Das liegt aus meiner Sicht zum Teil daran, dass es eine gewisse Unsicherheit gab, ge­rade was die Entwicklung der Pandemie betrifft. Das liegt zum Teil auch daran, dass diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld in Öster­reich haben, weil sie nur kurz in Österreich beschäftigt waren und damit möglicherweise gezwungen waren, eine andere Beschäftigung in den Ländern aufzunehmen, aus denen sie gekommen sind.

Wir werden alles tun, um die Tourismusbetriebe in dieser Wintersaison bei der Mitar­beitersuche zu unterstützen. Wie gesagt, das ist nicht ganz einfach – wenn man nach Westen schaut –: Bei einer Arbeitslosenquote von 3,5 Prozent ist es gar nicht so leicht, Mitarbeiter zu rekrutieren. Wir werden natürlich alle Programme, die es gibt, weiter inten­sivieren – bestehende Programme zur regionalen Mobilität, Programme zur Rekrutie­rung von Saisonniers, das AMS hat ja Möglichkeiten, auch im Ausland und nicht nur in Österreich zu rekrutieren –, damit Betriebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finden, da wirklich ein Mangel vorherrscht.

Ich kenne Betriebe, die sagen, sie würden ohne Probleme auch 20, 30, 40 Prozent mehr bezahlen, als sie normalerweise zahlen wollten oder würden, und sie bekommen trotz­dem keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Als Arbeitsminister bin ich natürlich froh, dass sich die Lage am Arbeitsmarkt entspannt hat, aber gleichzeitig müssen wir schau­en, dass gerade in den Bereichen, wo es Knappheit gibt, auch genügend Arbeitskräfte zur Verfügung stehen und wir die Betriebe unterstützen. (Bundesrätin Schwarz-Fuchs: Vielen Dank!)

Präsident Dr. Peter Raggl: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Bundesrat Günther Novak zu Wort gemeldet. – Ich bitte um die Frage.

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wir haben derzeit einen eklatanten Facharbeitermangel in vielen Regionen von Österreich. Welche Akzente und Programme setzen Sie, um Lehrlinge für den Arbeitsmarkt auszu­bilden, damit wir den derzeitigen Zustand nicht auf Dauer beibehalten müssen?

Präsident Dr. Peter Raggl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Vielen Dank. Ich stehe mit der Wirtschaftsministerin, die für die Lehrlingsausbildung verantwortlich ist, in einem sehr engen Austausch über viele Instrumente und Möglichkeiten, die Lehrlingsausbildung at­traktiver zu gestalten – ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Aspekt –, auch gemeinsam mit den Unternehmen. Wir haben in diesem Bereich schon einiges gemacht. Es gibt jetzt die Möglichkeit, eine Lehre nach der Matura zu machen. Es werden die Möglichkeiten ausgebaut, Lehren in den verschiedensten Bereichen zu machen. Die Lehrlingsberufe werden attraktiviert, die Curricula werden aktualisiert, aber wir werden uns alle, glaube ich, insgesamt bemühen müssen, die Lehrlingsausbildung, den Weg, den ein Lehrling geht, noch attraktiver darzustellen.

Ich glaube, wir haben das Problem gehabt – das ist jetzt meine Interpretation –, dass wir vor 20, 30 Jahren eine sehr geringe Akademikerquote hatten, daher war der Fokus sehr stark auf der Akademisierung. Jetzt merken wir, dass uns teilweise Fachkräfte fehlen. Das Gute ist aus meiner Sicht, dass alle, die zum Beispiel ein Haus bauen oder etwas reparieren lassen wollen und eine Handwerkerin oder einen Handwerker suchen, mer­ken, wie schwierig es teilweise ist, jemanden zu finden, und wie gut die verdienen. Ich glaube auch, dass viele Eltern ihren Kindern wieder raten werden, einen Lehrberuf an­zustreben.

Ich war gerade vor ein paar Monaten bei den Euroskills, der Lehrlingseuropameister­schaft. Da sieht man auch, wie gut Österreich dasteht, wie gut unsere Lehrlings­ausbildung insgesamt ist. Übrigens, ich habe vorhin die USA angesprochen: Die erste Frage, die auch von amerikanischen Kolleginnen und Kollegen immer kommt, ist, wie wir das mit der Lehrlings-, mit der dualen Ausbildung machen. Da sind wir weltweit Vor­bild. Das ist etwas, was wir noch stolzer vor uns hertragen sollten. Ich unterstütze alles, damit das auch in der Öffentlichkeit noch besser dasteht. – Danke.

Präsident Dr. Peter Raggl: Ich bitte um die Zusatzfrage von Bundesrat Christoph Steiner.

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Herr Minister! Sie haben bei der Beantwor­tung einer der vorherigen Fragen auf die schwierige Situation hinsichtlich des Fachper­sonals hingewiesen; in meiner Frage geht es auch darum. Ich bin Tiroler. Wir stehen in Tirol oder im Westen Österreich kurz vor der Wintersaison und haben massive Pro­bleme. Hotels in meiner Region öffnen ganze Trakte einfach nicht, weil das Personal nicht zur Verfügung steht. Jetzt kommt ein ganz entscheidender Punkt dazu: Viel Stammpersonal aus Ungarn oder aus der Slowakei ist mit Sputnik V geimpft, das wissen wir. Dieser Impfstoff ist bei uns nicht zugelassen. Die Betroffenen müssen jetzt auch die 3G-Regel einhalten und wollen daher nicht oder in geringerem Ausmaß kommen. Das ist Ihnen hoffentlich bekannt.

Daher meine Frage: Werden Sie sich dafür einsetzen, dass man eine Lösung für das Fachpersonal findet, das im Westen Österreichs für die Wintersaison so dringend benö­tigt wird, damit auch diese mit Sputnik V geimpften Personen ohne Testerei arbeiten können?

Präsident Dr. Peter Raggl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Vielen Dank für die Frage. Ich werde mich natürlich für alle Maßnahmen einsetzen, die zu einer Erleichterung der Lage führen. (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.)

Wie gesagt, die Lage ist uns bekannt. Ich bin ja auch oft in Tirol und sehe das auch, wenn ich – ich habe das im Sommer öfters gemacht – mit Hotelbetreibern und ‑betreibe­rinnen, mit den dortigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern spreche. Das ist ja auch eine Belastung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, denn gerade im Tourismus werden im Moment sehr viele Überstunden gemacht, weil eben zu wenig Personal zur Verfügung steht.

Ich werde mich natürlich dafür einsetzen, aber das entscheidet der Gesundheitsminister. Über die Anerkennung von verschiedenen Impfstoffen entscheidet der Gesundheitsmi­nister und nicht der Arbeitsminister, aber die Problematik ist uns bewusst.

Präsident Dr. Peter Raggl: Zu einer weiteren Zusatzfrage zu Wort gemeldet hat sich Bundesrat Adi Gross. – Ich bitte um die Frage.

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Bundesminister, jetzt haben wir ein bisschen etwas betreffend die Unterschiede zwischen Regionen und Städten gehört, also einen Hinweis auf Wien, was die Arbeitslosenzahlen betrifft, und zu Spezialfällen im Tourismus. Wie sieht es aber, wenn man in die Bundesländer hinein­schaut, generell aus betreffend die Unterschiede zwischen eher urbaner Gegend und ländlicher Gegend? Wo sind da die wichtigen Unterschiede im Mismatch, in den Ausbil­dungsniveaus und so weiter?

Präsident Dr. Peter Raggl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Vielen Dank. Ja, es gibt natürlich auch in anderen Bundesländern außer Wien Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Regionen. In den städtischen Regionen ist wie gesagt die Arbeitslosigkeit immer etwas höher, das hat mit verschiedenen Aspekten zu tun, die mit großen Agglo­merationen einhergehen.

Es gibt aber auch noch Effekte im Zusammenhang mit Corona, die die Städte etwas stärker treffen. Sie haben es, glaube ich, implizit angesprochen: Stadthotellerie, Kon­gresstourismus, große Events, all das findet ja sehr häufig in Städten statt. Diese sind also von diesen Spätfolgen noch etwas stärker betroffen als der ländliche Raum, des­wegen gibt es auch noch die Unterstützung durch die Coronakurzarbeit und natürlich auch die anderen Maßnahmen zum Ausgleich.

Ich glaube aber schon, dass wir einfach schauen müssen, dass auch in städtischen Regionen die Programme gut wirken. Ich glaube, es geht darum, insgesamt zu schauen, gerade was die regionale Mobilität betrifft, dass man nicht Menschen aus Wien nach Tirol bringt. Das ist klarerweise schwierig, weil das einfach von der Struktur des Ar­beitsmarktes her schwierig ist. Ja, wir fördern das, aber wir werden sozusagen nicht alle offenen Stellen in Tirol mit Menschen, die in Wien arbeitslos sind, besetzen können. Ein großes Ziel ist es aber, dass wir es schaffen, es attraktiv zu machen, auch im Umland der großen Städte Arbeitsplätze anzunehmen. Was immer da an Förderungsmöglichkei­ten besteht – da geht es vor allem um Förderung –, werden wir uns sicher näher an­schauen. Es gibt schon einiges, aber vielleicht kann man das noch verbessern.

Präsident Dr. Peter Raggl: Wir gelangen zur 9. Anfrage, 1932/M-BR/2021.

Ich bitte die Anfragestellerin, Bundesrätin Bettina Anna Lancaster, um die Verlesung der Anfrage.