16.59

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Ich mache eine Balanceübung. (Der Redner stellt eine Tafel mit der Aufschrift „Nein zum Impfzwang – FPÖ – www.impfzwang.at“ verkehrt auf das Rednerpult.) Ist es nicht schön? (Rufe bei der FPÖ: Umdrehen! Ver­kehrt! Dreh das Schild um! – Heiterkeit und Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.) – Na bitte (die Tafel umdrehend), das ist einmal ein erster Erfolg an diesem Tag, Frau Präsi­dentin.

Ob es bei der Diskussion weitere Erfolge geben wird, ist die Frage, nachdem ich unseren Herrn Minister gehört habe (Ruf bei der FPÖ: Der ist schon weg!) ach, der ist schon weg; ja, macht nichts, ich habe ihn trotzdem gehört, auch wenn er schon weg ist –, dem wir ja heute, wenn nicht ein Wunder geschieht, mit diesem Gesetz eine Generalvollmacht geben werden, hinsichtlich Impfungen alles zu beschließen, festzulegen, zu verordnen, was er will: monatliche Impfung, wöchentliche Impfung, Impfung alle drei Monate, Imp­fung bis zum Alter von fünf Jahren, Impfung der Risikogruppen. Der Minister kann mit diesem Gesetz, das wir machen, alles tun, da in diesem Fall der Gesetzgeber  der Nationalrat hat es getan und wir werden es, fürchte ich, heute auch tun  seine Aufsicht und seine Gesetzgebung durch ein hohles Gesetz mit einem weitgehenden Ermessens­spielraum des Ministers aus der Hand gibt. Das ist einmal die erste Katastrophe, würde ich sagen, für die Demokratie und für die Bürger. (Beifall bei der FPÖ.)

Die zweite Katastrophe, die mindestens gleich groß ist, ist, dass wir auf einmal  das ist ganz selten, denn Österreich ist weltweit immer ein Musterknabe gescheiter sind als der Rest der Welt. Auf einmal findet sich Österreich in einer exklusiven Gemeinschaft mit Turkmenistan, Tadschikistan, Tonga, Indonesien und dem Vatikanstaat. Das ist ja, glaube ich, die absolute Creme der Welt, der Demokratie und des rationalen Denkens unter den Ländern, die es für notwendig halten, eine Impfpflicht zu verantworten, die es für notwendig halten, sich über bisher unbestrittene Grundsätze nämlich jene der per­sönlichen Verfügung des Menschen über den eigenen Körper und über seine Gesund­heit  hinwegzusetzen, die es für notwendig erachten, von bisherigen Grundsätzen, wie, dass man zu einer Heilbehandlung erstens aufgeklärt sein muss, zweitens über die Risiken realistisch wissen muss, wie sie sind, und drittens seine Zustimmung geben muss, abzuweichen. Es ist ja bezeichnend, dass da nur die vorhin genannten Ländern mit uns in einem Boot sind.

Die dritte Katastrophe ist, dass wir es zu einem Zeitpunkt tun, über den man ja, wenn es nicht so traurig wäre, lachen müsste. Die ganze Welt ich nehme wiederum diese Län­der aus, die ich jetzt genannt habe, aber ich sage trotzdem einmal so salopp: die ganze Welt ist dabei, zu erkennen, dass die Pandemie zu Ende ist. Selbst die Hohepriester dieser Pandemie  die Herren Prof. Drosten in Deutschland, Herr Prof. Fauci in den USA  haben gesagt, die Pandemie endet, wir gehen in eine Endemie über. Das haben sie gesagt!

Herr Drosten hat das natürlich aufgrund wütender Proteste der gleichgeschalteten Me­dien, der Impflobbys und einiger Parteien zu relativeren versucht. Wenn Sie aber, das ist hochinteressant, sein letztes Interview mit der Deutsche Welle genauer lesen, dann sehen Sie, was wirklich Faktum ist. Da sagt er nämlich, die neue Welle, also das ist die Omikronwelle, sei durch Afrika durchgezogen. Dort hat man festgestellt, dass die Bevöl­kerung fast vollständig immunisiert ist und dass es deshalb kaum Schäden gegeben hat. Jetzt sagt er Folgendes: Dieser Weg ist zwar erfolgreich, aber für Europa nicht gangbar, weil wir so viele Alte haben, viel mehr als in Afrika – in Afrika sind übrigens die Alten auch nicht gestorben, aber gut –; wir haben sehr, sehr viel Alte, deswegen ist der Weg nicht gangbar und deswegen können wir die Seuche nicht durchlaufen lassen, sondern deswegen müssen wir impfen.

Wenn man jetzt sozusagen zur Logik zurückkehrt: Hätten wir das Problem, dass wir nur deshalb die Dinge nicht laufen lassen können, weil wir eine vulnerable Gruppe haben, nämlich die Alten die die Afrikaner auch haben, aber nicht in so einem hohen Pro­zentsatz , dann muss man diese alte Gruppe schützen. (Bundesrat Spanring: Richtig!) Jetzt gibt es aber nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa bei dieser vulnerablen Gruppe Impfquoten  je nach Land  zwischen 92, in Österreich bei 95, und 99 Prozent, das heißt, da hat man einen kompletten Impfschutz.

Wenn man jetzt vulnerable Gruppen schützen muss, obwohl sie alle geimpft sind, dann wirkt die Impfung nicht  das hoffen wir ja alle nicht. Wenn aber die Impfung, so wie wird das gebetsmühlenartig hören, vulnerable Gruppen vor schweren Verläufen schützt, Todesfälle und so weiter verhindert, dann haben wir in ganz Europa längst eine Situation, in der wir die Seuche – unter Anführungszeichen – „durchlaufen“ lassen können. Aus Gründen, die ich aufgrund der, wie soll ich sagen, Sprechblasen des Herrn Ministers und einiger meiner Vorredner nicht erschließen kann, meinen wir, das ist alles nicht so. Wir sind ganz gescheit, wir denken nicht darüber nach.

Uns fällt übrigens auch nicht auf, dass wir ja seit November des vergangenen Jahres einen Lockdown für Ungeimpfte verhängt haben und dass die hohen Inzidenzen, die wir haben, kaum von den Ungeimpften stammen können, das ist ja kaum denkbar. Die sind seit November ausgeschlossen, und seit Ende Dezember explodieren die Zahlen. Inzi­denz 2 500 in den letzten Tagen in Österreich: Wo kommt die her?

Es gibt daher, wenn man den Dingen faktenorientiert und realistisch ins Auge sieht, nur zwei Erklärungen: Erstens einmal: Die derzeit verabreichten Impfungen schützen gegen die Weitergabe der derzeit kursierenden Omikronvarianten ob das jetzt BA.1 oder BA.2 und so weiter ist  nicht. Die vulnerablen Gruppen sind durch Impfungen geschützt, mehr kann man nicht machen. Einen speziellen Impfschutz, der wie auch immer die Omi­kronvarianten auf null reduzieren und dazu führen würde, dass das überhaupt nicht mehr weitergegeben wird, gibt es nicht, die bisherigen, die alten müssen weitergeimpft wer­den. Das heißt, wir beschließen eine Impfpflicht, haben kein Serum, das vernünftiger­weise verimpft werden kann, und haben keine Situation, die eine Impfung notwendig macht. (Beifall bei der FPÖ.)

Was wir aber haben, ist ein Einkauf von 48 Millionen Impfdosen durch Österreich bei einer Bevölkerung von acht Millionen Menschen. Wenn man sagt, wir impfen ab zwölf Jahren, dann sind ungefähr sieben Millionen, sechseinhalb Millionen Menschen zu imp­fen. Wenn ich jetzt 48 durch sechs, sechseinhalb teile, dann komme ich ungefähr dahin, was man offensichtlich verimpfen muss (Bundesrätin Schartel: Acht Mal!) und wozu man die Bevölkerung kriegen muss, sei es durch Impflotterien oder durch Impfzwang.

Europa hat übrigens für 500 Millionen Menschen neun Milliarden Impfdosen gekauft, das muss man wissen, die sind vorhanden. Das sind rechtsverbindliche Aufträge. Teilweise wurde ausgeliefert. Teilweise sind es Impfstoffe, die schon wieder abgelaufen sind, weil man sie so schnell gar nicht verimpfen kann, teilweise Impfstoffe, die man in den nächs­ten Monaten erst abnehmen muss. Das muss man alles verstehen, um die Dynamik, die hinter der heutigen Diskussion und Beschlussfassung steht, richtig erfassen zu können.

Ja, was sagen wir dazu, wenn Länder wie Großbritannien, dort sind immerhin auch 68 Millionen Leute, durch ihre Gesundheitsbehörden erklären lassen, dass sich die bis­herigen Maßnahmen gegen die Ausbreitung, insbesondere Isolationen, Sperrstunden und Maskentragen, bei den grassierenden Varianten als völlig wirkungslos erwiesen ha­ben? Auch Impfungen schützen gegen die Ausbreitung  zumindest der derzeitigen Va­rianten  nicht, deswegen hat die Gesundheitsbehörde empfohlen, alle Maßnahmen auf­zuheben, was vor zwei Wochen geschehen ist.

Was ist seither geschehen? Die Inzidenz in Großbritannien, die ja nach allen wissen­schaftlichen Erkenntnissen von Gecko und Co, Mücksteinen und so weiter (Heiterkeit des Bundesrates Ofner) sofort wieder explodieren müsste, ist von 2 400 auf heute 780 gesunken. Welches Land außer Österreich hat die höchste Inzidenz in Europa? Öster­reich hat 2 400, aber es gibt ein Land, das hat 3 500, und Sie werden es nicht glauben, es ist der Impfweltmeister Portugal, der als einziges Land eine Impfquote von 91 Prozent hat. (Bundesrat Spanring: Ja, die Impfung wirkt und schützt!) Die Impfung wirkt, in welche Richtung wissen wir nicht. Glauben Sie aber, dass wir diese Fakten, diese Über­legungen, von den Sprechautomaten im Ministeramt irgendwann einmal zu hören be­kommen? Glauben Sie, das wird in den gleichgeschalteten Medien diskutiert? Nein.

Dann ist die Verwunderung groß, dass es 240 000 Stellungnahmen von Bürgern gibt, die sich massiv gegen die Impfpflicht aussprechen, Stellungnahmen, die – Kollege Appé hat uns einige vorgelesen – teilweise hoch emotional sind, die laut Minister Mückstein wie alle Bürger  bei der Entscheidung berücksichtigt wurden.

Wie sind die berücksichtigt worden?  Indem man sie rücksichtslos in den Mistkorb ge­geben hat, ja? (Beifall bei der FPÖ.) Ich kann mir schwer vorstellen, dass es bei 260 000 Stellungnahmen, bei denen es natürlich nicht klar ist, wie viele positiv und wie viele negativ waren das erfährt man nicht, es heißt nur, sie sind überwiegend negativ ‑, eine Mehrheit für die positiven gegeben hat, obwohl sie überwiegend negativ sein sollen.

Ich habe mir erlaubt, ein bisschen bei den Leuten – ich will jetzt keine Namen nennen ‑, die das im Parlament verwalten, nachzufragen, und die haben mir gesagt: Na ja, positive gibt es schon. – Wie viele sind das? – Na ja, ungefähr 1 bis 2 Prozent. So viel also zur Einbindung der Bürger und des Wollens der Bürger in die Entscheidungsprozesse. (Ruf bei der SPÖ: Der Rest ...!)

Ja, beeindruckend, Herr Minister Mückstein, sind die Erfolge, die Sie allenfalls darin er­zielt haben, alles auszublenden, was Ihren Plänen widerspricht, sich von internationalen Statistiken, Fakten und Erfahrungen zu verabschieden, Österreich als eine Insel der Cle­veren darzustellen, über die Dinge, die im Ausland erkannt worden sind, gar nicht nach­zudenken.

Dass Sie den schwedischen Weg ausblenden, ist mir ja klar. Da mache ich Ihnen nicht einmal einen Vorwurf, denn selbst Drosten hat es bisher in zwei Jahren nicht geschafft, sich mit dem schwedischen Weg auseinanderzusetzen. Ein einziges Mal hat er dazu etwas gesagt – ich habe zumindest nur eine einzige Aussage gefunden –: Das kann ich bei meinem derzeitigen Wissensstand nicht analysieren. (Ruf bei der ÖVP: Wer hat das gesagt?)

Das habe ich aber von Ihnen nicht einmal gehört. Sagen Sie wenigstens, was in Schweden los ist, wo es nie Maßnahmen gab und an eine Impfpflicht gar nicht gedacht wurde! Dort sind die Todeszahlen trotzdem insgesamt geringer als in Österreich, trotz­dem ist die Inzidenz maximal gleich hoch wie in Österreich – es gab nie einen Lockdown, es gab keine Einschränkungen, keine Versammlungsverbote, keine Veranstaltungsver­bote, nichts (Zwischenruf bei der ÖVP), trotzdem gibt es nicht mehr Probleme.

Sagen Sie wenigstens: Das kann ich mir nicht erklären, das ist ein Wunder, das ist die Ausnahme, die die Regel bestätigt (Ruf bei der FPÖ: Impfpflicht ...!), in Schweden ist es so kalt oder vielleicht haben die Leute Angst, dass die Eisbären kommen, und deswegen treffen sie sich nicht im Freien – weiß ich nicht! Sagen Sie irgendetwas davon! Das tun Sie aber nicht, wie alle internationalen Experten, wozu ich nicht die Gecko-Mitglieder zähle. Alle internationalen Experten schweigen sich zu diesem Thema aus oder sagen bestenfalls, sie können dazu nichts sagen.

In dieser Situation, die ich kurz skizziert habe, stehen wir heute und fassen einen Be­schluss, mit dem wir diesen Minister, der uns als Sprechautomat in vielen Fernsehsen­dungen – sagen wir es einmal positiv – aufgefallen ist (Heiterkeit des Redners sowie des Bundesrates Steiner), ermächtigen, über die Gesundheit der Leute, über ihre körper­liche Versehrtheit oder Unversehrtheit zu verfügen, ohne dass wir in dieses Gesetz auch zumindest das Hemmnis eingebaut haben, dass über alle Nebenwirkungen und mögli­chen Nebenwirkungen der Impfung rückhaltlos und wahrheitsgemäß zu informieren ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich hätte noch vieles zu sagen, ich beende meine Rede aber nun, weil ich glaube, dass das an Informationen, an Denkanstößen, die ich gegeben habe, reicht. Ich glaube trotz­dem, dass es nicht zu einem Nachdenken kommt (Zwischenruf des Bundesrates Schen­nach), sei es aufgrund der Fraktionsdisziplin, sei es aufgrund der Drohung mit vielleicht nicht so gesicherten Plätzen beim nächsten Wahlgang, sei es aufgrund anderer Dinge, die dazu führen werden, dass brav entlang der Parteilinien abgestimmt wird und Öster­reich flugs in eine Reihe mit Tadschikistan, Turkmenistan und Co eingereiht wird. (Zwi­schenruf des Bundesrates Schreuder.)

Wir werden dagegen wie angekündigt Widerstand leisten – nicht nur heute – und versu­chen, so rasch wie möglich dafür zu sorgen, dass in Österreich wieder grundwertkon­forme Zustände einkehren (Beifall bei der FPÖ) – nicht rechtskonforme, aber grundwert­konforme Zustände –, dass die Leute die Verfügung über den eigenen Körper und die eigene Gesundheit zurückerhalten und dass nicht die Maxime unserer Entscheidung ist: Was machen wir mit den 48 Millionen Impfdosen, die wir gekauft haben? – Wegschmei­ßen ist irgendwie peinlich. – Solche Maximen sollten und werden uns in Zukunft nicht leiten, da bin ich mir sicher. – Vielen Dank. (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Kann der Mückstein ...?)

17.14

Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Das waren fast 15 Minuten. Ich bitte: Haltet euch ein bisschen – wir sind heute eh sehr moderat – an die 10 Minuten, die wir uns selbst gege­ben haben! – Danke schön. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Kollege Appé hat 21 ge­habt! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Nächster Redner: Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte.