Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 1. Sitzung / Seite 13

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Aussagekraft. Es ist daher keineswegs gleichgültig, welche symbolischen Gehalte und welche politischen Botschaften man mit dieser Wahl transportiert, wenn man eine ganz bestimmte Persönlichkeit wählt. In diesem Sinne schließt sich der Bogen zur politischen Kultur.

Wir haben mit der drittstärksten Fraktion dieses Hauses aber nicht erst seit Krumpendorf ein echtes Problem. Wir haben vielmehr das Problem – und Kollege Haider hat das heute ja sehr deutlich abermals wiederholt –, daß eine Scheinabgrenzung von etwas vorgenommen wird, was gar nicht vorgehalten wurde: Es wurde nie behauptet, daß irgend jemand in dem Sinn expressis verbis Verbrechen gelobt oder gutgeheißen habe, wie Kollege Haider das vorgetragen hat. Es wurde aber – und das zu Recht – in den Raum gestellt, daß es sich beim Adressieren von ehemaligen Kriegsverbrechern als "liebe Freunde", beim Adressieren einer ausdrücklichen Kameradschaftsvereinigung der Waffen-SS, die bekanntlich in Nürnberg und auch anderswo als verbrecherische Organisation eingestuft wurde, bei der ausdrücklichen Erwähnung dieser Symbole um eine rückwirkende und leider auch in die Zukunft weisende Verherrlichung einer bestimmten politischen Position handelt, mit der die Republik Österreich nicht in Kontakt gebracht werden darf. (Beifall beim Liberalen Forum, bei der SPÖ und den Grünen.)

Wenn ich jemanden, der für diese Symbolik steht, in das hohe, zweithöchste Staatsamt der Republik Österreich wähle und entsende, dann bringe ich diese Symbolik sehr wohl in Kontakt mit unserer Republik. Und genau auf dieser Ebene der politischen Kultur spielt sich dieses Problem ab. Daher wende ich mich insbesondere an die Kolleginnen und Kollegen von der Österreichischen Volkspartei: Überlegen Sie sich und vergegenwärtigen Sie sich, was Sie hier mittransportieren, wenn Sie den durchaus vernünftigen Einschätzungen Ihres Klubobmannes Khol bis vor dem Zeitpunkt, als das Thema Steiermark aktuell wurde, plötzlich gedanklich nicht mehr folgen und diese plötzlich nicht mehr akzeptieren.

Denn es wäre tatsächlich für uns alle ein Problem, wenn wir das Amt des Dritten Präsidenten des österreichischen Nationalrates mit einem Angehörigen dieses Hohen Hauses besetzten, der dafür steht, daß sein eigener Parteiobmann unwidersprochen Angehörige der Kameradschaft IV als "liebe Freunde" und als Menschen bezeichnet, die deswegen anständig sind, weil sie 50 Jahre lang ungebrochen die Gesinnung des Dritten Reiches getragen haben. Das halte ich für nicht akzeptabel.

Das ist deutlich davon zu unterscheiden, daß ich akzeptiere, daß aus einer demokratischen Wahl eine Partei, die auch für solche Positionen steht, mit 40 Abgeordneten hervorgegangen ist und daß sie eine Fraktion dieses Hauses ist. Daß sie Nominierungsrechte hat und Wahlvorschläge machen darf, ist eine Sache, das bedeutet aber nicht – ich sage das noch einmal –, daß ich im bedingten Reflex zu wählen habe, was mir hier vorgeschlagen wurde. So wie der "Verfassungsbogen" ein politischer Begriff, ein Element der politischen Kultur in diesem Sinn ist, so ist auch das Wahlverhalten in diesem Haus, in einer solchen Frage ein Ausdruck der persönlichen politischen Kultur.

Wir werden an diesem Wahlergebnis ablesen können, ob das, was ich unter politischer Kultur und ordentlichem Umgang mit der eigenen Vergangenheit verstehe, mehrheitsfähig ist oder nicht. Ich kann nur hoffen, daß sich eine Mehrheit in diesem Haus findet, die an eine Fraktion, die für sich in Anspruch nimmt, daß wir, weil sie ein Nominierungsrecht hat, diesem bedingungslos folgen müssen – vielleicht nach dem Grundsatz "Der Obmann hat das letzte Wort, und wenn er gesprochen hat, dann wissen alle, was sie zu tun haben!" –, eine gebührende Absage erteilt.

Wenn Sie hier so abstimmen, wie ich es befürchte, dann sitzt Ihr Obmann – ich adressiere jetzt an die Österreichische Volkspartei – rechts außen. Dann haben Sie Ihren eigenen Obmann desavouiert, der von Demokratie gesprochen hat und von dem ich persönlich weiß, daß er kein gestörtes Verhältnis wie andere zum Dritten Reich hat. Dann hat er sich nämlich unterworfen, und wenn man sich einmal unterwirft, dann bleibt man unten. Das will ich Ihnen wirklich ans Herz legen. (Beifall beim Liberalen Forum, bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.51


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