Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 1. Sitzung / Seite 14

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Voggenhuber. Er hat das Wort.

10.51

Abgeordneter Johannes Voggenhuber (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! "Wenn eine Idee mit einem Interesse zusammenstößt, dann gewinnt fast immer das Interesse." Das sagte der Philosoph Hegel. Ich möchte hinzufügen, daß trotzdem die einzige Hoffnung auf einen Fortschritt in der Geschichte darauf beruht, daß Ideen auch gegen Interessen durchsetzbar sind.

Meine Damen und Herren! Wir haben es heute mit vielen Interessen zu tun, und wir sollten nicht den Eindruck entstehen lassen, als ginge es heute um eine klare, reine, unschuldige Frage. Wann geht es in der Politik denn je um eine solche? – Es gibt Machtspiele und Machtinteressen. Es besteht heute vielleicht die Möglichkeit, eine schwarz-blaue Option zu beschädigen oder einen Koalitionspartner zu bändigen oder zu demütigen. Es gibt die Möglichkeit, die Erpressung der FPÖ bezüglich des steirischen Landeshauptmannes vielleicht aufgehen zu lassen oder zu verhindern. Es gibt vielleicht die Möglichkeit, eine "Ampelkoalition" zu demonstrieren oder jede dahin gehende Absicht zu widerlegen. All das ist heute auch Motiv dessen, was geschieht.

Aber es gibt auch eine Idee heute, um die es geht. Und diese Idee heißt: Es muß in Österreich eine politische Kultur geschaffen werden, in der jede klammheimliche oder offene Bejahung beziehungsweise Bewunderung oder auch nur jeder nachlässige Umgang mit dem Geist des Nationalsozialismus geahndet wird und zum Ausschluß aus allen hohen Staatsämtern führt. – Um diese Idee geht es, und dieses Parlament wird zeigen, ob die Idee, wenn sie mit machtpolitischen Interessen zusammenstößt, untergeht oder nicht.

Herr Klubobmann Haider! Sie haben zu Recht darauf verwiesen, daß die Geschichte der großen Parteien dieses Landes voll ist von klammheimlichen Kumpaneien mit ehemaligen Nationalsozialisten, daß die politische Kultur dieses Landes nicht stark genug war, Menschen aus hohen Staatsämtern auszuschließen, die auch in diesen Parteien mit dem Nationalsozialismus verbunden geblieben sind. Und weil Sie recht haben, Herr Dr. Haider, ist es so wichtig, Ihnen heute diese Absage zu erteilen. Es muß Ihnen klargemacht werden, daß Sie nicht länger recht haben und daß Sie nicht in die Lage versetzt werden, diese unselige Kultur der letzten Jahrzehnte aufrechtzuerhalten. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Herr Dr. Haider! Ohne die Großparteien exkulpieren zu wollen, möchte ich Sie an dieser Stelle auch daran erinnern, daß es diese Großparteien waren, die in den letzten Jahren einige wesentliche politische Schritte in Richtung einer neuen politischen Kultur gesetzt haben. Nach 50 Jahren ist die Mitverantwortungserklärung für die Verantwortung Österreichs an den Verbrechen des Nationalsozialismus abgegeben worden. Es gab ein Bedenkjahr, in dem die Parteien dieses Landes keinen Zweifel daran gelassen haben, daß die Geschichte der Verdrängung und des Verschweigens zu Ende ist. Wir haben nach vielen Jahrzehnten die Errichtung eines Fonds zur Entschädigung der NS-Opfer beschlossen.

Herr Dr. Haider! Es ist heute unser Anliegen, daß diese unselige Kultur der stillschweigenden Kumpanei – der offenen und verdeckten – und des klammheimlichen Spielens mit der Sympathie mit verbrecherischen Organisationen und ihrer Geisteshaltung in unserer Gesellschaft nicht mehr geduldet wird.

Herr Dr. Haider! Das ist kein Heroismus. Heroisch wäre es vielleicht gewesen, wenn die Parteien auf Millionen von Wählern verzichtet hätten, um sich mit ihnen unmittelbar nach dem Krieg nicht alliieren zu müssen. Das wäre vielleicht heroisch gewesen. Heute haben wir nur mehr die Chance, eine selbstverständliche Kultur zu gewinnen. Aber an dieser Selbstverständlichkeit wollen wir festhalten.

Wir werden und können es nicht dulden – und die Mehrheit dieses Hauses ist heute dazu aufgerufen, es nicht zu dulden –, daß die Mitglieder einer verbrecherischen Organisation in diesem Land ungestraft und pauschal als "anständige Menschen", ihre Geisteshaltung als "allgemein überlegen" und ihre Unbelehrbarkeit als "Treue" bezeichnet werden können – und


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite