Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 1. Sitzung / Seite 12

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und Österreichern hat ein moralisches Anrecht auf Mitsprache im Hohen Haus dieser Republik Österreich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. Die Redezeit ist die gleiche.

10.41

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Der Tagesordnungspunkt, der uns beschäftigt, ist kein eingliedriger, sondern ein dreigliedriger.

Ich möchte gleich am Beginn meiner Ausführungen nachdrücklich darauf verweisen, daß wir heute den Ersten, den Zweiten und den Dritten Präsidenten oder Präsidentin wählen – und nicht nur den Dritten Präsidenten. Daher möchte ich eingangs auch eine kurze Bemerkung zum Vorschlag betreffend den Ersten und den Zweiten Präsidenten machen.

Ich freue mich, daß beide Herren, die in der letzten Legislaturperiode in diesen Ämtern waren, wieder zur Verfügung stehen. Es wird mir persönlich eine Freude sein, sie in dieses Amt mit meinem freien Mandat mit wählen zu dürfen, so wie wir alle 183 hier bei dieser Wahl unser freies Mandat wahrzunehmen haben und von der persönlichen Verantwortung für die Entscheidung, die wir treffen, nicht entbunden sind. Das nämlich ist unsere Aufgabe als gewählte Volksvertreter – und nicht das Agieren in Blöcken und Fraktionen.

Daher gehe ich jetzt gerne und rasch – wegen der kurzen Redezeit – auf die Frage der Wahl des Dritten Präsidenten ein. Ich meine, daß es sich hier und heute um Persönlichkeitswahlen handeln muß, die wir auch auf ihren politischen Gehalt hin zu prüfen haben. Wenn für diese Position drei Vorschläge vorliegen, so entspricht das im wesentlichen dem Grundsatz, daß jeder Abgeordnete dieses Hauses einen Vorschlag machen kann und daß es von der rechtlichen Seite her keinen Zweifel daran gibt, daß das so auch in Ordnung ist und seinen guten Sinn hat.

In diesem Zusammenhang muß man vom Blickwinkel der politischen Kultur und der Usancen eine Unterscheidung treffen: Vom Standpunkt der politischen Kultur und der Usancen aus ist es zweifellos und unwidersprochen so, daß bis zuletzt und auch heute niemand bestritten hat, daß die drittstärkste Fraktion dieses Hauses einen Vorschlag machen darf. Wer das bestreiten würde, hätte tatsächlich ein gestörtes Verhältnis zum Parlamentarismus. Aber das Anerkennen eines Vorschlagsrechtes bedeutet nicht, daß man – wie Kollege Khol hier ausgeführt hat – quasi in einem bedingten Reflex diesem Wahlvorschlag ohne Wenn und Aber zu entsprechen hat. Es ist nämlich durchaus vorstellbar und im vorliegenden Fall auch so, daß der Vorschlag der drittstärksten Fraktion – so sehe ich das – nicht mehrheitsfähig sein kann und darf. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Aus diesem Grund handelt es sich hiebei keineswegs um die Mißachtung irgendeines Wählerwillens und auch unter gar keinen Umständen um die allfällige Ausgrenzung von 1 Million anständiger Österreicher. Wir haben jedoch politische Verantwortung wahrzunehmen, wenn wir zu solchen Wahlen hier in diesem Haus schreiten. Diese sind im übrigen auch aus guten Gründen frei, gleich und geheim unter allen Abgeordneten, damit diejenigen Persönlichkeiten, die aus einer solchen Wahl hervorgehen, ihr Amt unbefangen und ausschließlich auf die Mehrheit derer, die sie gewählt haben, gestützt – aber eben auf diese anonyme Mehrheit gestützt – ausüben können.

Daher müssen wir uns rund um die Wahl des Dritten Präsidenten folgende Frage stellen: Gibt es Aspekte in der politischen Kultur, die es abzuwägen gilt gegen die Usance, die übrigens auch ein Element der politischen Kultur ist, daß die drittstärkste Fraktion ein entsprechendes Vorschlagsrecht hat? Im übrigen haben auch die viertstärkste und fünftstärkste Fraktion und jeder einzelne Abgeordnete und jede einzelne Abgeordnete dieses Hauses dieses Vorschlagsrecht.

Wir müssen uns bewußt machen, daß wir hier in das zweithöchste Staatsamt der Republik wählen, in ein Staatsamt von hohem symbolischem Gehalt und von hoher symbolischer


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