Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 1. Sitzung / Seite 11

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machen, sondern die Menschen nach ihren Taten beurteilen und sie nicht verdammen nur deshalb, weil sie auf der Seite der Verlierer in einem Krieg gestanden sind. Das ist die Realität, mit der Sie sich einmal auseinandersetzen müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Eine Partei, die im Jahr 1971 eine Regierung bildet und wo dann in der "Furche" vom 24. April 1971 über einen Skandal in Holland berichtet wird, weil sich der damalige Minister Gratz vor der holländischen Presse rechtfertigen mußte, weil so viele alte Nazis in der sozialistischen Regierung sitzen und eine holländische Zeitung gefragt hat: "Finden Sie es richtig, daß 25 Jahre nach dem Kriegsende in einem befreiten Land, das Deutschland besiegt und besetzt hatte, fast ein Drittel der Regierungsmitglieder ehemalige Nazis sind? Oskar Weihs, Otto Rösch, Josef Moser, Erwin Frühbauer und Landwirtschaftsminister Öllinger." – Herr Bundesminister Gratz mußte kleinlaut zugeben: Es ist nicht notwendig, daß so viele ehemalige Nazis in einer solchen Regierung vertreten sein müssen.

Ich bewerte das nicht. Aber Sie, Herr Kollege Kostelka, sollten endlich einmal vor der eigenen Tür kehren, bevor Sie hier heraußen ständig vernebeln wollen, daß Sie Ihre ganze Macht und Ihren ganzen Einfluß, der seit 25 Jahren in dieser Republik existiert, darauf aufgebaut haben, daß Sie ein Bündnis mit ehemaligen Nationalsozialisten in einer Regierung geschlossen haben, von denen Sie sich bis heute nicht distanziert haben und daher auch zur Kenntnis nehmen müssen, daß Sie sehr unglaubwürdig sind, wenn Sie hier so argumentieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir werden mit Ihnen auch dort über die Geschichte reden, wo Sie den blinden Fleck haben, weil Sie vergessen wollen, welche Bündnisse Sie in Jahrzehnten geschlossen haben. Wir haben dieser älteren Generation ihre Vergangenheit nie vorgeworfen, wir versuchen gerecht zu sein.

Tun Sie das auch, Herr Kollege Kostelka, tun Sie das auch so wie wir, die wir einen klaren Schlußstrich gegenüber jeder Verleumdung der älteren Generation ziehen wollen, die wir aber auch andererseits eine klare Distanz zu jedem menschenverachtenden System, wie jenes des Nationalsozialismus, beobachten und das auch durch unser Handeln klargemacht haben, damit es nicht wieder passiert, daß junge Menschen in einer Existenznot dazu gebracht werden müssen, gegen ihr eigenes Land aufzustehen. Ersparen wir das der jungen Generation!

Und deshalb sollten Sie etwas konsensbereiter sein. Auch wenn Sie die Freiheitlichen nicht wollen, Herr Kollege Kostelka, sollten Sie einmal über Ihren Schatten springen und anerkennen, daß es sich hier um eine demokratische Kraft handelt, die man mit Vernadern nicht einfach ständig schlechtmachen kann.

Wir stehen zu den Grundsäulen dieser Republik. Wir akzeptieren die Entscheidungen, die das österreichische Volk getroffen hat – einschließlich jener, zur Europäischen Union beizutreten, wenngleich wir auch an einer Reform der Verfassung der Europäischen Union mitarbeiten wollen, weil wir der Meinung sind, daß Maastricht der falsche Weg ist, daß aber die Entscheidung der Österreicher, in diesem Europa Mitglied zu sein, zu respektieren ist, weil das eine zutiefst demokratische Entscheidung war.

Wir respektieren, daß es in Österreich politische Diskussionen darüber gibt, wie weit Verfassungsreform gehen kann. Wir wollen nicht um den Begriff "Dritte Republik" streiten, aber wir wollen Ihnen sagen, daß es uns um mehr Demokratie geht.

Hiebei geht es nicht um eine Frage des Firmenschildes, sondern um die Frage, ob wir den Mut haben, mehr direkte Demokratie zu wagen, ob wir in diesem Land den Mut haben, mehr Offenheit gegenüber den Bürgern an den Tag zu legen. Wir werden Ihnen den Begriff "Dritte Republik" nicht zum Problem machen, aber wir werden darauf verweisen, daß es im Inhaltlichen darum geht, die direkte Demokratie in unserem Land auszubauen, die Bevölkerung mehr einzubinden und keine Angst vor der Mitsprache des eigenen Volkes zu haben.

Das ist der Weg, den wir Freiheitlichen gehen wollen, der in dieses Hohe Haus paßt. Daher bitten wir die anderen Damen und Herren des Hauses zu Recht, unseren Kandidaten zu unterstützen, denn diese demokratische Bewegung von mehr als 1 Million Österreicherinnen


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