Ich bin aber immer dafür, daß wir in gemeinsamen Diskussionen zusätzliche Lösungen finden; zusätzliche Vorschläge machen. Nur würde ich darum ersuchen, daß wir, wenn wir das tun, dies in einer sehr seriösen Weise tun. Ich nehme dazu als Beispiel die Forderung nach der Senkung der Lohnnebenkosten, für die sozusagen niemand zahlen soll, her. Ich glaube, es wird manchmal in der Diskussion mit der Frage der Lohnnebenkosten wirklich Schindluder getrieben.
Was sind denn eigentlich Lohnnebenkosten? – Das sind beispielsweise Beiträge zur Krankenversicherung, zur Unfallversicherung, zur Pensionsversicherung, Weihnachts- und Urlaubsgeld. Ich frage Sie: Wenn all das reduziert werden sollte, zu wessen Lasten geht denn das, wenn es auf keinen Fall zu Lasten der Arbeitnehmer gehen soll?
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Versuchen wir, wenn wir eine Diskussion führen wollen, seriöse Vorschläge zu machen. Sagen wir auch, wenn wir einen Vorschlag machen, wie er bedeckt werden soll, und schlagen wir nicht etwas vor, was nicht realisierbar ist. Das ist unseriös, und das ist auch unverantwortlich! (Beifall bei der ÖVP.)
Daß wir in einer dynamischen Gesellschaft, in einer dynamischen Wirtschaft enorme strukturelle Änderungen andauernd vornehmen müssen, ist doch logisch. Nehmen wir nur eine jener sozialen Gruppen her, die in den vergangenen Jahrzehnten am stärksten unter dem strukturellen Wandel gelitten beziehungsweise einen solchen durchgemacht haben. Nehmen wir die österreichische Landwirtschaft her, um die Dimension des strukturellen Wandels aufgrund dieser dynamischen Entwicklung zu sehen. Es hat in diesem so wichtigen Wirtschaftssektor innerhalb von vier Jahrzehnten insgesamt eine Reduktion von 800 000 Berufstätigen gegeben. Gott sei Dank war es durch eine geschickte Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik möglich, diese 800 000 Personen im industriellen und im Dienstleistungsbereich unterzubringen. Das bezeichnen wir als die richtige Antwort auf Strukturprobleme, und ich glaube, gerade jetzt und in den kommenden Jahren sind wir gefordert, solcherart Probleme zu lösen, doch bin ich überzeugt davon, daß wir sie bewältigen werden, wenn wir es nur wollen. Und das wollen wir! (Beifall bei der ÖVP.)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Aspekt des Wie ist auch, daß wir zweifellos von jener Errungenschaft, die wir besonders schätzen und die auch international Anerkennung findet, nie abgehen werden, nämlich von der Errungenschaft, daß trotz aller Spannungen der soziale Friede in Österreich aufrechterhalten werden konnte. Aber was ist denn eigentlich sozialer Friede? – Sozialer Friede ist das Ergebnis von Bemühungen partnerschaftlicher Natur, daß heißt, daß man sich bemüht, jeweils auf den anderen einzugehen, daß man sich mit den Einstellungen des anderen auseinandersetzt und sich gemeinsam bemüht – nicht in Streiks, die nur Geld und Arbeitsplätze kosten –, einen Weg zu finden. Dabei sollen Arbeitnehmer und Arbeitgeber und als dritter Partner der Staat die auftretenden Probleme gemeinschaftlich zu lösen versuchen. In den kommenden Jahren, für die von den Wirtschaftsforschern steigende Arbeitslosenzahlen prognostiziert worden sind, ist, glaube ich, diese partnerschaftliche Gesinnung mehr denn je gefordert. Doch ich glaube, Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind gemeinsam mit der Bundesregierung in der Lage, auch diesen großen Herausforderungen wirksam entgegenzutreten. Ich bin überzeugt: Wir werden erfolgreich dieses Problem bewältigen. (Beifall bei der ÖVP.)
Wirtschafts- und sozialwissenschaftlich ist ganz klar: Prognosen dienen nicht dazu, daß man sich ihnen teilnahmslos, ohne Aktionen zu setzen, aussetzt, sondern sie sollen uns veranlassen zu sagen: Das wollen wir auf keinen Fall eintreten lassen! Die letzten Prognosen von IHS und WIFO dienen meines Erachtens dazu, die Partnerschaft zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern noch stärker als bisher zu mobilisieren. Wir wollen mit Hilfe dieser Partnerschaft – durch neue Ideen; ich werde noch auf einige zu sprechen kommen – diese Horrorprognosen nicht eintreten lassen. Das soll der gemeinsame Wille von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sein – weil wir der Überzeugung sind, daß jeder Arbeitslose in Österreich ein Arbeitsloser zuviel ist. Das ist unsere gemeinsame Auffassung, die eine menschliche Auffassung ist. Zu dieser stehen wir, und für diese müssen wir arbeiten! (Beifall bei der ÖVP.)