Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 5. Sitzung / Seite 69

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15.27

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Hohes Haus! Die Frage der Rechnungshofprüfung – ich glaube, das muß erwähnt und in Erinnerung gerufen werden – ist ja nur deswegen releviert und gesetzlich beschlossen worden, weil es offensichtlich Mißstände im Kammersystem Österreichs gab. Kollege Neugebauer hat sie "Zachariaden" genannt, ich könnte noch die "Rechbergereien" dazu anführen.

Herr Kollege Neugebauer! Ich bedanke mich bei Ihnen, weil Sie sehr wesentlich und sehr präzise zwischen den gesetzlichen Interessenvertretungen und den privaten Verbänden unterschieden haben. Ich glaube, diese Unterscheidung war sehr nützlich. Sie haben außerdem den Schwerpunkt darauf gelegt, daß die gesetzliche Interessenvertretung eine Gemeinwohlverantwortung hat, die über die Organisationsgewalt des Staates institutionalisiert worden ist.

Ich glaube nur, daß die Kontrollmechanismen aus parteipolitischen Gründen in diesen Kammern immer nur auf einer Seite funktionieren. Man hat sich darauf geeinigt, daß die eine Kammer im Bereich der Österreichischen Volkspartei liegt und die andere Kammer im Bereich der Sozialdemokraten. Damit hat man über die ewige schwarz-rote Parteibuchwirtschaft in Österreich eigentlich dieses gut gemeinte Kammersystem, das sich ausschließlich den Interessen der Unternehmer widmen sollte, das sich ausschließlich den Interessen der Arbeiter widmen sollte, pervertiert, weil man sofort wieder in das Doppelmuster dieser Republik verfallen ist: das ist der rote Bereich und das ist der schwarze Bereich – und eine Krähe hackt der anderen bekanntlich kein Auge aus.

Meine Damen und Herren! Man kann natürlich jetzt über die Pflichtmitgliedschaft bei der Kammer so oder so diskutieren. Herr Kollege Stadler ist seinen notwendigen Adrenalinstoß losgeworden und hat Hohn und Spott darüber ausgegossen. Ich will versuchen ... (Abg. Mag. Stadler: Er winselt schon wieder für die Regierung!) Jetzt sagt er schon wieder: "Er winselt für die Regierung!" Dem Mann fällt wirklich nichts anderes ein als dumme Zwischenrufe. Es ist bedauerlich. (Beifall beim Liberalen Forum, bei der SPÖ, bei der ÖVP und bei den Grünen. – Abg. Mag. Stadler: Er winselt ständig für die Regierung!) Wissen Sie, Herr Stadler, ich frage mich nicht, wo applaudiert wird, sondern von welchen Persönlichkeiten applaudiert wird. Das ist mir wichtig. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Der Kammerstaat, meine Damen und Herren, ist insofern ein Problem, als er zu teuer geworden ist. Setzen wir uns doch einmal mit dieser Frage auseinander. Der Kammerstaat kostet Österreich nahezu 20 Milliarden Schilling pro Jahr. In einer Zeit, in der der Finanzminister, der Wirtschaftsminister, der Sozialminister jeden Schilling in dieser Republik umdrehen, wird dies wortlos zur Kenntnis genommen – wortlos auch von Ihren beiden Fraktionen, die diese Kammern im wesentlichen vertreten, weil Sie sie als Ihr Eigentum verstehen. In dieser Zeit redet niemand von einem Kammerstaat, der diesem Haus Jahr für Jahr 20 Milliarden Schilling kostet.

Allein die Wirtschaftskammer, deren Mitglied ich bin und deren Mitglied ich auch bleiben würde, wenn die Mitgliedschaft freiwillig wird, kostet ohne Außenwirtschaftsorganisation 6 Milliarden Schilling im Jahr. Meine Damen und Herren! Wir werden uns darüber unterhalten müssen, wieso dieses System so teuer ist und ob diese 6 Milliarden Schilling – bleiben wir bei der Wirtschaftskammer – wirklich gerechtfertigt sind und ob es hier kein lean management beziehungsweise die Möglichkeit gibt, neue Strukturen zu finden. Nur eines, meine Damen und Herren: Solange die Verantwortlichen in den Kammern wissen, daß sie soundso jedes Jahr sechs Milliarden Schilling bekommen, wird es keine Reformen geben, da sie nicht notwendig sind, weil der nötige Druck fehlt. Das ist der Punkt, an dem ich zu einer sachlichen Diskussion aufrufe.

Wir haben schon viel Erfahrung in dieser Republik gemacht. Dort, wo regelmäßige Einnahmen fließen, dort, wo diese Einnahmen gesetzlich abgesichert sind, dort gibt es keine Reformen, weil es eben viel gemütlicher ist, hunderttausend Begründungen zu finden, daß man seine 6 Milliarden Schilling Jahr für Jahr bekommt, und man reicht alle Begründungen dieser Welt nach, daß diese 6 Milliarden Schilling auch notwendig sind. (Abg. Tichy-Schreder: Das stimmt nicht!)


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