Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 5. Sitzung / Seite 75

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europäischen Volksgruppenrecht auf möglichst hohem Niveau zu gelangen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In Europa ist die Einstellung zu diesem Problemkreis von Land zu Land höchst unterschiedlich: In zahlreichen Staaten liegt die Volksgruppen- und Minderheitenpolitik ausgesprochen im argen. Ich darf daran erinnern, daß es Länder gibt, in denen die Existenz augenscheinlich vorhandener Minderheiten – mit großer Kopfzahl noch dazu – dezidiert und nachhaltig immer wieder abgestritten wird. Dazu gehört etwa Frankreich, dazu gehört aber auch Bulgarien, und dazu gehört auch die Türkei. Es gibt aber auch Staaten, in denen man diesbezüglich sehr selektiv vorgeht, wie etwa in Slowenien. In Slowenien wird in der Verfassung die Minderheit der Italiener, die Minderheit der Ungarn und in abgeschwächter Form auch jene der Roma und Sinti ausdrücklich erwähnt, anerkannt und mit Rechten bedacht, die Minderheit der Altösterreicher deutscher Zunge jedoch ausdrücklich nicht, obwohl sie nach vorsichtigen Schätzungen noch immer oder schon wieder 50 000 oder 60 000 Köpfe ausmacht.

Andere Staaten, etwa die Tschechische Republik – um nur sie zu erwähnen –, gehen über die Problematik von Minderheiten in ihren Grenzen generös hinweg, schwanken, indem sie sagen, sie hätten keine, und stehen auf dem Standpunkt, jeder Angehörige einer Volksgruppe hätte ohnehin dieselben Rechte wie ein Angehöriger der Mehrheitsbevölkerung. Das ist eine der unangenehmsten und abzulehnendsten Positionierungen überhaupt. Denn wenn ich eine Volksgruppe nicht rechtlich und politisch in jeder Hinsicht als solche anerkenne und fördere, sondern nur den Standpunkt einnehme, daß die Angehörigen der Minderheitsvolksgruppen als Einzelpersonen ohnehin dieselben Rechte haben wie die Angehörigen der Mehrheitsbevölkerung, dann ist das ein zynischer und sicherer Weg in die Auslöschung der jeweiligen Volksgruppe.

Wir glauben daher, daß das von mir schon erwähnte europäische Volksgruppenrecht lieber heute als morgen geschaffen werden sollte und daß es mit den entsprechenden Sanktionsinstrumentarien wird ausgestattet sein müssen, um seine Durchsetzung auch gegenüber in dieser Hinsicht etwas halsstarrigen Staaten gewährleisten zu können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich halte aber dafür, meine Damen und Herren, daß wir uns auch bemühen müssen, auf Österreich und seine Nachbarländer bezogen grenzübergreifend volksgruppenförderungsmäßig vorzugehen. Das soll dazu dienen, eine gewisse Ausgeglichenheit auf dem jeweils höheren Level in der Volksgruppenpolitik in Österreich einerseits und im jeweiligen Nachbarland andererseits herbeizuführen beziehungsweise sicherzustellen. Ich glaube, daß wir uns bemühen sollten, in diesem Rahmen etwa einen slowenisch-österreichischen beziehungsweise österreichisch-slowenischen Volksgruppenbeirat ins Leben zu rufen, der mit Repräsentanten der Volksgruppe der Slowenen in Kärnten einerseits, aber auch mit solchen der Altösterreicher deutscher Zunge in Slowenien andererseits beschickt sein sollte. Es sollte auch einen grenzüberschreitenden Volksgruppenbeirat im Burgenland geben, der mit Repräsentanten der Ungarn in Österreich einerseits, aber auch mit solchen der Altösterreicher deutscher Zunge in Ungarn andererseits beschickt sein sollte. Das sollte so weitergehen bei den Tschechen, bei den Slowaken und bei den vielen anderen Volksgruppen; überall könnte ich mir so etwas vorstellen.

Es soll darum gehen, daß man feststellt, auf welcher Seite der jeweiligen Grenze das höhere Niveau bei der Förderung der Volksgruppen und ihrer Angehörigen besteht, und daß man dann trachtet, sozusagen bilateral auf der jeweils anderen Seite zu einem Anheben der Volksgruppenpolitik zu kommen. Auf diese Art und Weise müßte es, so glaube ich, gelingen, noch bevor wir ein europäisches Volksgruppenrecht sozusagen flächendeckend in Europa erleben werden, zu einer erträglicheren Position in Österreich und in den Nachbarländern in Volksgruppendingen zu gelangen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich wiederhole, daß wir Freiheitlichen uns rückhaltlos zu einer weitestmöglichen Förderung der autochthonen Volksgruppen in ihrer angestammten Heimat bekennen. Als Ausdruck dieser Haltung werden wir den beiden Berichten, die heute zur Diskussion stehen, unsere Zustimmung erteilen und werden auch den Antrag, der auf die Ratifizierung der erwähnten Charta abzielt und


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