Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 5. Sitzung / Seite 79

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Meine Damen und Herren! All diese Probleme treten in den Hintergrund angesichts der Berichte des Herrn Bundesministers für Inneres über Funde von Gräbern von Kriegstoten – Berichten zufolge weit mehr als 100 – genau an jener Stelle, wo das Maschinenhaus des künftigen Kraftwerkes stehen soll. Es bedürfte nicht eines Gesetzes aus dem Jahre 1948, um solchen Gräbern die entsprechende würdige und geziemende Erhaltung sicherzustellen. Ganz im Gegenteil: Wir sind dazu weit jenseits der gesetzlichen Auflagen – schon als Bürger dieses Landes – verpflichtet. Und dabei ist es völlig unerheblich, ob es sich bei diesen Opfern, die hier ihre letzte Ruhestätte gefunden haben, um aus rassischen oder politischen Gründen inhaftierte KZ-Opfer handelt oder um Kriegsgefangene. Wer immer sie sein mögen: Sie sind Opfer des nationalsozialistischen Wahnsinns und haben Anspruch auf unsere Reverenz.

Meine Damen und Herren! Daher ist diese Totenruhe, die auch das Gesetz vorschreibt, vorbehaltlos zu gewähren: nicht nur als gesetzliche Verpflichtung, sondern als menschliche Pflicht. Das bedeutet, daß diese Totenruhe auch gebietet, daß vorläufig in unmittelbarer Umgebung dieses geplanten Kraftwerkbaues keine schweren Maschinen eingesetzt werden, daß bis zur Klärung der Lage des Grabes keine maschinellen Tätigkeiten die notwendigen Aufklärungsarbeiten in Frage stellen und – ich sage es in aller Deutlichkeit – daß in der Öffentlichkeit auch keine Spekulationen über das künftige Schicksal dieser Grabstätten angestellt werden, bevor man überhaupt weiß, wo genau welche Menschen dort ihre letzte Ruhestätte gefunden haben.

Ich fordere – im Sinne der Vereinbarung der Präsidiale – zumindest für den Bereich dieses Gräberfeldes einen Baustopp.

Meine Damen und Herren! Daher ist jetzt vorrangig, die Aufklärung vorzunehmen, sicherzustellen, daß mit der notwendigen Pietät und Reverenz diesen Toten gegenüber eine Lösung gefunden wird und daß die Ruhe, aber auch die Überlegtheit, die uns allen abgefordert wird, auch von den oberösterreichischen Autoritäten aufgebracht wird. Ich fordere dies als einen Konsens aller Fraktionen dieses Hauses und aller beteiligten Gebietskörperschaften.

Ich darf in diesem Sinne einen Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol und Genossen betreffend Wahrung der Totenruhe

Ein halbes Jahrhundert nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und nach der Befreiung Österreichs von der Nazi-Herrschaft sind wir plötzlich wieder auf Zeugnisse dieser schrecklichen Vergangenheit gestoßen. Bei den Bauarbeiten für das Wasserkraftwerk Lambach sind mehrere Grabstellen aus den letzten Wochen des Zweiten Weltkrieges zutage getreten, in denen möglicherweise Häftlinge aus einem Konzentrationslager oder Kriegsgefangene begraben liegen. Der Respekt vor den Opfern und das Andenken an sie gebieten es, daß mit aller die Menschenwürde achtenden Pietät vorgegangen wird.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag:

Die Bundesregierung und der Bundesminister für Inneres werden ersucht, nach Aufklärung der seinerzeitigen Geschehnisse alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um den Opfern eine würdige letzte Ruhestätte zu bereiten.

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Lassen Sie uns dies nicht zum Gegenstand parteipolitischer Auseinandersetzungen machen! Ziehen wir die Konsequenzen aus diesem Fund! Gewähren wir den Toten ihre Ruhe! (Beifall bei der SPÖ, beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

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