Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 5. Sitzung / Seite 80

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Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol und Genossen ist genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dr. Kohl. Ich erteile es ihm.

16.17

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wollten eigentlich an diesen beiden Tagen die Frage des Kraftwerkbaues in Lambach beraten, wo aufgrund von rechtskräftigen Bescheiden ein Wasserkraftwerk bescheidenen Ausmaßes gebaut werden soll. Es liegt ein rechtskräftiger Bescheid vor. Wir von der Volkspartei stehen zum Rechtsstaat, wir stehen zum Umweltschutz, und wir hätten diese Debatte sicherlich auch geführt. (Beifall bei der ÖVP.)

Dieses Kraftwerk wird auf geschichtsträchtigem Boden gebaut. Im Raume von Linz, Wels und Lambach hat sich in den letzten Hunderten von Jahren eine Reihe von kriegerischen Auseinandersetzungen abgespielt. Der Gräberfund, der uns gestern gemeldet wurde, ist daher nur ein neuerlicher Beweis dafür, daß unsere Geschichte uns wieder einholt, wie sie es so oft tut.

Es sind nicht die ersten Gräber, die gefunden wurden. Es sind auch nicht die ersten Gräber, die in der Umgebung des Konzentrationslagers von Mauthausen gefunden wurden. Die Republik Österreich ist in ihrer gesamten Geschichte mit derartigen Gräberfunden immer sorgsam und pietätvoll umgegangen. Ich glaube daher nicht, daß wir hier Sorge haben müssen, daß das nicht auch in diesem Fall so gehalten wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesminister hat uns dankenswerterweise Näheres darüber berichtet, was uns auch die grauenvollen Details eines solchen Gräberfundes, gerade wenn er auf rassische Merkmale und ähnliches abstellt, vor Augen führt. Er hat auch darauf hingewiesen, daß heute vormittag die Behörden des Landes Oberösterreich und des Innenministeriums einen Lokalaugenschein vorgenommen haben und daß er einen Bericht des zuständigen Behördenleiters erwartet hat. – Herr Bundesminister! Ich kann Ihnen mitteilen, ich habe soeben davon gehört. Ich habe mit dem dafür zuständigen Politiker gesprochen. Er versucht Sie seit zwei Stunden in Ihrem Büro beziehungsweise hier im Parlament zu erreichen, aber es ist ihm nicht gelungen. Sie waren unerreichbar. Er wollte Ihnen jedenfalls den Bericht geben.

Meine Damen und Herren! Ich bin dankbar dafür, daß der Herr Bundesminister für Inneres uns Bericht erstattet hat und daß wir jetzt in einer für dieses Haus würdigen Weise nicht die Frage des umweltpolitischen Sinnes oder Nicht-Sinnes, die Fragen des Spannungsverhältnisses von Wasserkraft, Umweltschutz und Rechtsstaat diskutieren – das ist eine Angelegenheit des Landes Oberösterreich –, sondern daß wir zu dem, was in diesem Zusammenhang wichtig ist, nämlich zu diesem Gräberfund, kurze Erklärungen im Hohen Haus abgeben.

Meine Damen und Herren! Alle Toten, die gefunden werden, haben ihr Recht auf Ruhe in Frieden. Und wenn bei jedem Bau, bei dem eine archäologisch vielleicht interessante Mauer gefunden wird, der Bauherr sofort Rücksicht nimmt und alles getan wird, um diese Steine zu sichern, und das völlig selbstverständlich ist, so ist es natürlich auch selbstverständlich und ein Akt der Pietät, ein Akt der Verantwortung, daß dies auch bei Gräberfunden und menschlichen Gebeinen geschieht. (Abg. Wabl: Warum ist es dann nicht passiert?!) Die Achtung vor der Totenruhe in diesem Zusammenhang bezeugt auch die Achtung vor der eigenen Geschichte.

Wir haben Hinweise darauf, daß sich in diesem Raum Gräber aus der napoleonischen Zeit befinden. Wir wissen auch, daß sich in diesem Raum ein Straflager der SS für Angehörige der Wehrmacht befunden hat. Wir wissen, daß in diesem Raum Kriegsgefangene nach dem Zweiten Weltkrieg in amerikanischen Gefangenenlagern angehalten wurden und es dort eine Epidemie gegeben hat. Wir wissen aber auch – und das macht den ganze Gräberfund zu einer besonderen Sache –, daß durch Lambach der Todeszug der ungarischen Juden ging, wo 12 000 Juden in eine der letzten KZ-Bastionen des Nationalsozialismus, nämlich nach Mauthausen, getrieben hätten werden sollen und wo nach historischen Zeugnissen mindestens


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