Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 5. Sitzung / Seite 84

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Das ist meiner Ansicht nach ein wichtiges Element, denn es handelt sich dort offenbar um mehrere Tote. Wenn mehrere Tote nach einer so kurzen Zeit wie 50 Jahre bereits in Vergessenheit geraten sind, daß man nicht einmal mehr wußte, daß sie dort bestattet, besser: verscharrt wurden, so ist das ja auch etwas, was uns nachdenklich stimmen sollte.

Genau das alles gilt es jetzt mit Ruhe, Sorgfalt und Behutsamkeit zu behandeln und nicht praktisch schon wieder zu scharren, daß ja nur der Bau möglichst rasch weitergehen kann – sei es auch nur vielleicht ein paar Meter weiter rechts, links, vorne oder hinten.

Würde es sich dabei um ein unbezweifeltes Projekt handeln, wäre diese Einstellung unpassend. Aber es handelt sich ja noch nicht einmal um ein unbezweifeltes Projekt, auch wenn Kollege Khol gemeint hat, es sei ein rechtsstaatlich bereits einwandfrei zustande gekommenes Projekt. – Spätestens seit diesem Fund bedarf es neuer Bewilligungsverfahren.

Nimmt irgend jemand an, daß dieses Projekt jetzt völlig unverändert bleiben kann? Nimmt irgend jemand von denen, die meinen, es muß jedenfalls gebaut werden, an, daß dieses Projekt jetzt völlig unverändert bleiben kann, daß es nicht neuer Bescheide bedürfen wird?

Bei Wahrung des Rechtsstaates kann es auf jeden Fall auch bedeuten, nicht von Bescheiden Gebrauch zu machen, die gar nicht mehr gültig sein können, weil sie nicht mehr zu dem Projekt passen, das jetzt fertig gebaut werden müßte! Es kann nicht unverändert bleiben!

Es wäre ein ganz eindeutiger rechtsstaatlicher Befund, daß, wenn eben neue Fakten hervorkommen, § 69 AVG Platz zu greifen hat, daß möglicherweise diese Bescheide – obwohl schon rechtskräftig – diese ihre Rechtskraft wieder einbüßen und man die Verfahren neu aufrollen muß. Da ist der Umstand der Pietät und der moralischen Verpflichtung, die uns das so geboten erscheinen lassen – vielleicht noch flankiert durch eine ganz nüchterne rechtsstaatliche Feststellung, nämlich daß man aufgrund von Bescheiden, die Ihre Grundlage verloren haben, nicht weiterbauen kann.

Ich glaube, daß es hier nichts anderes als einen von allen getragenen freiwilligen und durchaus auch dem Rechtsstaat entsprechenden Baustopp, und zwar generell, geben kann.

Die Tatsache, daß man auch rechtsstaatlich zurück muß in die Verfahren, bedeutet, daß all das, was vorher nicht ausdiskutiert war – die vermiedene Umweltverträglichkeitsprüfung, die vermiedenen Mitwirkungen der Anrainer –, jetzt nachgeholt werden kann und daß insbesondere – und das halte ich für das Wichtigste – der Kompromiß überhaupt erst neu definiert werden kann. Für einen Kompromiß – wie heute bereits angeklungen – zwischen Ökologie und Ökonomie bedarf es zunächst einmal der Klärung von Vorfragen. Und eine der Vorfragen in Lambach wäre – unabhängig von der ökologischen Seite –: Ist das vom ökonomischen Gesichtspunkt aus überhaupt ein vernünftiges Projekt – selbst dann, wenn es dort ökologisch gar keine Probleme gäbe? Ich sage Ihnen mit dem notwendigen Gewicht meiner jahrzehntelangen Befassung mit Energiefragen: Lambach ist ein Kind unserer verdorbenen Elektrizitätsstrukturen. In einem normal konzipierten Elektrizitätsverbund in einem Land unserer Größe käme doch kein Regionalversorger auf die Idee, ein Kraftwerk um 750 Millionen Schilling zu errichten, ein Kraftwerk, das niemand braucht. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

680 Millionen Schilling, aber wir wissen ganz genau, daß es, wenn man das Unwägbare dazurechnet, 750 Millionen sind. Ich möchte nicht um Zahlen streiten. Mir sind 680 Millionen genauso lieb wie 750 Millionen, 630 Millionen oder 710 Millionen. Es geht jedenfalls um ein Kraftwerk dieser Größenordnung, einer bestimmten Leistung, einer bestimmten Regelarbeit und eines bestimmten Investitionsvolumens. Und wir wissen, daß die kalkulierte Kilowattstunde 180 Groschen kosten würde. Das ist alles bekannt.

Fest steht aber auch gleichzeitig, daß es in das Bedarfs- und Mengengefüge der Republik Österreich überhaupt nicht hineinpaßt, daß wir es nicht brauchen, daß das nur aus der regionalen Sicht eines chauvinistischen Energiepolitikers, der Oberösterreich über alles stellt,


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