Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 8. Sitzung / Seite 12

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Wohnungen wurden zurückgehalten und durch diese Unsicherheit – hervorgerufen durch die Verhandlungen – dem allgemeinen Wohnungsmarkt entzogen.

Im Jahr 1993 hat man dann endlich ein Wohnrechtsgesetz – das 3. Wohnrechtsänderungsgesetz – in Begutachtung gehen lassen. Das Ergebnis war eine allseitige Ablehnung. Die Ablehnung des Gesetzes ist sicher der kleinste gemeinsame Nenner aller 80 eingeholten Stellungnahmen.

In dieser Situation hat sich die rot-schwarze Koalition zu helfen gewußt. Man hat einen Initiativantrag eingebracht, um das 3. Wohnrechtsänderungsgesetz an der Begutachtung vorbeizuschwindeln. Dieser ist dann hier im Plenum zur Abstimmung gekommen, und das 3. Wohnrechtsänderungsgesetz ist mit den Stimmen von Rot und Schwarz – gegen den Willen der freiheitlichen Opposition! – angenommen worden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ziele, die man sich gesteckt hatte, waren hoch, aber was sind die Ergebnisse? – Es sind nicht mehr Wohnungen auf den Markt gekommen, es sind nicht billigere Wohnungen auf den Markt gekommen, es ist kein größeres soziales Denken im Bereich des Wohnrechts erfolgt. Es ist eine Unvollziehbarkeit der Wohnrechtsbestimmungen eingetreten, und es ist vor allem nach wie vor Rechtsunsicherheit vorhanden.

Ich darf Ihnen sagen, daß ich mich in meiner Eigenschaft als Rechtsanwalt selbstverständlich sehr intensiv mit dem 3. Wohnrechtsänderungsgesetz auseinandergesetzt und auch entsprechende Fortbildungseinrichtungen besucht habe. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, daß der Doyen des österreichischen Wohn- und Mietenrechtes, Herr Hofrat Dr. Würth, vor die Versammlung getreten ist und gesagt hat: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin zwar 20 Jahre lang nur mit Wohnrecht befaßt, erwarten Sie aber nicht, daß ich in der Lage bin, ein Gesetz, das unvollständig ist, das unpräzise ist, zu erklären! Also einer der größten Experten des Landes war nicht in der Lage, auch nur annähernd den Lagezuschlag zu definieren, der durch das neue Wohnrechtsänderungsgesetz bei der Mietenbildung geschaffen wurde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das 3. Wohnrechtsänderungsgesetz mag eine Zwangsbeglückung für Interessenverbände oder eine Beschäftigungstherapie für Rechtsanwälte darstellen, aber die Ziele, die man sich gesteckt hatte, nämlich mehr Wohnungen, günstigere Wohnungen auf den Markt zu bringen, mehr soziales Engagement in das Wohnrecht zu transportieren, konnten schlicht und einfach nicht erreicht werden.

Dieses 3. Wohnrechtsänderungsgesetz ist aber reif für einen Rekord, nämlich für den Rekord an Unverständlichkeit. Wenn es ein Guinness-Buch der Rekorde für unverständliche, unsinnige und unplausible Gesetze gäbe, wäre das 3. Wohnrechtsänderungsgesetz der erste Anwärter auf eine Eintragung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wäre naiv, anzunehmen, daß sich in der nächsten Zeit in der Bundesgesetzgebung beim Wohnrecht, nämlich hinsichtlich des Mietrechtsgesetzes, etwas ändert. Es besteht aber unmittelbarer Handlungsbedarf – das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz kann jederzeit und sehr rasch hier ohne lange Vorberatungen geändert werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Drittel aller Wienerinnen und Wiener lebt in Genossenschaftswohnungen. Das Klischee des Zinsgeiers, das vielleicht Ende des 19. Jahrhunderts im Manchester-Liberalismus und vielleicht auch noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts bestanden hat, gibt es nicht mehr. Dieses Klischee ist von den gemeinnützigen Wohnbaugesellschaften übernommen worden – oder etwa von der Gemeinde Wien. Die Gemeinde Wien ist der größte Wohnungseigentümer der Welt.

Die Wohnungsgenossenschaften horten Bauland. Sie sind die besten Kunden für Bankinstitute. Ja sie sind eher Veranlagungsbetriebe als Wohnbaugenossenschaften.


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