Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 8. Sitzung / Seite 124

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Neuorientierung der österreichischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik und damit auch eine Neuorientierung des österreichischen Verteidigungssystems brauchen.

Ich möchte nun auf einige Eckpunkte eingehen, weil ich glaube, daß wir diese heute im Rahmen dieser dringlichen Anfrage durchaus diskutieren müssen und auch sollen.

Wir müssen uns mit der Frage "Neutralität – ja oder nein" auseinandersetzen, damit, ob wir jetzt im Zusammenhang mit der Regierungskonferenz 1996, mit der fortschreitenden Integration der Europäischen Union auch den Schritt in Richtung Westeuropäischer Union, in Richtung NATO gehen und was wir mit der allgemeinen Wehrpflicht machen. Es sind Fragen zu klären wie: Welchen Beitrag möchte Österreich sicherheitspolitisch überhaupt im Rahmen der Europäischen Union leisten? Welche Werte wollen wir verteidigen? Sind die Werte, die wir im Landesverteidigungsplan seinerzeit festgeschrieben haben, für uns noch gültig? – Ich sage ja, aber das ist eine Frage, die es auch für die zukünftige sicherheitspolitische Diskussion zu beantworten gilt. Welches Potential will Österreich bereitstellen, um nicht ein Vakuum in der Region darzustellen? Wie schaut dann die bestmögliche Lösung aus?

Diese Diskussion müssen wir führen. Ich glaube daher, daß es notwendig wäre, daß der Verteidigungsrat und daß der Außenpolitische Rat zu einer gemeinsamen Sitzung zusammenkommen, zu einer gemeinsamen Sitzung einberufen werden, um im Lichte der Notwendigkeiten einer klaren Abstimmung unserer Sicherheits- und Verteidigungspolitik am Vorabend der Regierungskonferenz eine eindeutige und klare Empfehlung abzugeben. Das wollen wir, das werden wir auch entsprechend vorschlagen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Der Ausgangspunkt für die Diskussion – einige Kollegen sind bereits darauf eingegangen – ist die Frage der Bedrohung, die geänderte geostrategische Lage. Bedauerlicherweise haben sich die Kollegen von den Sozialdemokraten abgesetzt, ihnen wollte ich nämlich ein kleines Privatissimum geben.

Die Bedrohungssituation, wie sie vor 1989 gegeben war, ist nicht mehr da. Die Adressaten der Neutralität sind verlorengegangen, und zwar sowohl von militärischer als auch von politischer Seite. Die Neutralität kann also, weil sich das Umfeld ganz entscheidend verändert hat, nicht mehr die Antwort auf die sicherheitspolitische Herausforderung sein. Wir haben daher eine Antwort zu geben auf dieses geänderte Bedrohungsbild, das nicht mehr den gesamteuropäischen Konflikt und die gesamteuropäische Auseinandersetzung zur Grundlage hat, sondern sicherlich lokale und regionale Konflikte.

Meine Damen und Herren! Es muß auch einmal mit einer Mär der Bedrohung Österreichs aufgrund lokaler Konflikte aufgeräumt werden. Herr Bundesminister, Sie werden es mir bestätigen: Wenn es zu einer Auseinandersetzung in der Nachbarschaft kommt, dann ist es sicherlich nicht so, daß die kriegerischen Auseinandersetzungen strategische Ziele in Österreich haben. Das heißt, die strategische Zielsetzung, wie sie in der Gesamtbedrohung vorhanden war, ist für Österreich nicht mehr gegeben. Daher wird man von diesem Bedrohungsszenario nicht mehr ausgehen können.

Wir meinen daher, daß es notwendig ist, die Konzeption unserer Sicherheitspolitik auf diese neuen Gegebenheiten einzustellen. Wir meinen auch, wie vorher schon gesagt, die Neutralität ist obsolet geworden, die Neutralität ist ein Anachronismus und ist nicht mehr das sicherheitspolitische Konzept, um die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Wabl: Woher wissen Sie das? Unsere österreichische Verfassung ist ein Anachronismus?!)

Lieber Herr Kollege Wabl! Wir im Parlament dürfen und sollen auch über Verfassungsgesetze diskutieren, wir dürfen und sollen auch Verfassungsgesetze in Frage stellen und sogar ändern. Wir dürfen Verfassungsgesetze sogar aufheben. Daher ist es unser legitimes Recht und auch unsere Verpflichtung, bestehende Verfassungsgesetze zu hinterfragen, auch die Frage der Neutralität.


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