Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 10. Sitzung / Seite 62

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35. Warum sind es nur die "regionalen und zentralen Berufs- und Interessenvertretungen", also die Sozialpartner, die jedenfalls anzuhören sind?

36. Ist die Autonomie der Universitäten noch gewährleistet, wenn die Sozialpartner zwingend via Erstellung des Verwendungsprofils beim Studienplan mitreden können?

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Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich erteile nunmehr zur Begründung dieser dringlichen Anfrage Frau Abgeordneter Dr. Petrovic das Wort.

18.32

Abgeordnete Mag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben in Österreich schon seit Jahren eine Tendenz, die nicht nur ich, sondern – wie ich glaube – viele von uns mit großer Sorge zur Kenntnis nehmen, nämlich die Zunahme eines doch etwas bildungs- und kulturfeindlichen Klimas, das sich im Versuch der Polarisierung bemerkbar macht. Immer wieder heißt es: Studentinnen und Studenten leben ja auf Kosten der Allgemeinheit! Es wird der Eindruck erweckt, es handle sich bei Studenten um Nichtstuerinnen und Nichtstuer, die ein sonniges Leben führen, während andere einem harten Broterwerbsjob nachgehen müssen.

Dieses Klima der Polarisierung birgt eine große Gefahr für ein Land, insbesondere für ein Land, das für sich den Anspruch erhebt, ein Land mit einem hohen Ausbildungsstand, mit hohen Ansprüchen an Wissenschaft und Kultur zu sein, und das in Sachen Wirtschaft ein Land mit hohen Qualitätsstandards und einem entsprechend hohen Ausbildungsniveau sein muß.

Das verhielt sich schon in Zeiten der Hainburger Au so, als versucht wurde, Arbeiter und Arbeiterinnen und Studierende gegeneinander aufzubringen; und alle Versuche, hier zu einem gesellschaftlichen Zusammenhalt beizutragen, wurden immer wieder durch gegenläufige Tendenzen konterkariert.

Gerade Sie, Herr Bundesminister, haben solche Tendenzen in der Vergangenheit nie mitgetragen. Im Gegenteil: Wir alle haben Sie als jemanden in Erinnerung, der versucht, im Sinne des Klimas der Offenheit, der Toleranz und des gesellschaftlichen Zusammenhalts zu agieren. Umso trauriger und umso bedauerlicher finde ich es, daß gerade in Ihrem Ressortbereich jetzt ein Belastungspaket durchgezogen werden soll, wie es in vergleichbarer Form von keiner anderen Gruppe in der Gesellschaft zu verkraften ist.

Es gibt massive Belastungen durch das Sparpaket sowohl im Bereich der Studierenden als auch insbesondere im Bereich des universitären Mittelbaus und der Universitäten insgesamt. Belastungen in dieser Höhe und Massivität werden, wie gesagt, keiner anderen Bevölkerungsgruppe abverlangt. Für die Studierenden bestehen diese Belastungen etwa in einer dramatischen Einschränkung der Familienbeihilfe, die 95 Prozent der Studierenden treffen wird. Das bedeutet über 20 000 S weniger pro Familie mit Studierendem im Jahr.

Dazu kommt ein Wegfall der daran gekoppelten Leistungen, also ein Wegfall anderer Transferleistungen: Wegfall der Freifahrten und damit eine Einschränkung der Mobilität der Studierenden. Dazu kommen in der Zukunft zu leistende Nachkäufe von Pensionszeiten, die für die Betroffenen in die Hunderttausende Schilling gehen werden, insbesondere für Frauen, die erst vor kurzem mühsam und nach langwierigen Verhandlungen das Gleichbehandlungspaket als einen Kompromiß erringen konnten. Für Frauen bedeutet das, wenn sie eine höhere Qualifikation anstreben und erreichen, daß das Gleichbehandlungspaket für sie damit auf kaltem Wege beseitigt wurde. Eine Frau, die länger als bis zum Alter von 17½ Jahren in Ausbildung steht, kann das gesetzliche Pensionsalter nach dem Gleichbehandlungspaket nicht mehr in Anspruch nehmen. Das sind massive Diskriminierungen und Diskriminierungen unter den Diskriminierten!


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