Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 10. Sitzung / Seite 65

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Wir von den Grünen haben, gerade was die Massenstudienrichtungen betrifft, sehr wohl einen Reformbedarf gesehen, aber nicht in der Richtung, in die es jetzt geht: Streichung, Kürzung, Wegfall von Lehrveranstaltungen, noch größere Einheiten. Was streben Sie denn an? Wir haben doch jetzt schon Übungen mit 200 bis 300 Leuten! Das liegt doch ohnehin schon an der Grenze des Zumutbaren, wenn nicht darüber! Was wir gebraucht hätten, gerade an diesen Fakultäten, wären kleine Veranstaltungen, Veranstaltungen, in denen ein persönlicher Kontakt zwischen Vertreterinnen und Vertretern des Mittelbaus und den Studierenden und intensive Betreuung möglich ist. Es wäre auch der Schlüssel dazu, daß die Studienzeiten verkürzt werden können, wenn man sich um den einzelnen Studierenden oder die einzelne Studierende wieder kümmert und auch fragt, wo es vielleicht Verständnisprobleme gibt, anstatt zu immer größeren, anonymen Veranstaltungen überzugehen. Denn letztlich, Herr Bundesminister, kommt diese Art von Sparen teuer zu stehen! (Beifall bei den Grünen.)

Im vorvergangenen Wahlkampf hat der Bundeskanzler persönlich auf seinen Plakaten drucken lassen, daß unsere Jugend das größte Kapital sei und daß sie die bestmögliche Ausbildung verdiene. Offenbar glaubt diese Bundesregierung, daß die billigste Ausbildung, das Wegfallen von Lehrveranstaltungen sowie das Streichen von Angeboten die bestmögliche Ausbildung ist. Wir glauben das nicht! Wir sind für Strukturreformen; aber das hätte mehr Lehrveranstaltungen, kleinere Einheiten und wohl auch mehr Beschäftigte bedeuten müssen – gerade in diesen Studienrichtungen.

Es soll nicht so sein, daß einige wenige Lehrveranstaltungen für sich monopolisieren. Wir hätten uns möglichst viele Beschäftigte an den Universitäten, ein möglichst breites Angebot und – wie gesagt – persönliche Zuwendung und intensive Betreuung gewünscht. All das scheint mit diesem Belastungspaket konterkariert, scheint der Vergangenheit anzugehören. (Beifall bei den Grünen.)

Dazu gewinnt man auch den Eindruck, daß bei den jetzt vorliegenden Belastungsentwürfen Personen am Werk waren, die überhaupt keine Ahnung davon haben, was an den Universitäten passiert. Weder an den Universitäten, die heute mit einem sehr hohen Zulauf an Studierenden konfrontiert sind, wie etwa der Wirtschaftsuniversität, wo pro Assistentin/Assistent eine enorme Zahl von Studierenden – mit steigender Tendenz – betreut wird, noch in jenen Studienrichtungen, die ebenfalls für das kulturelle und bildungspolitische Klima wichtig sind, in denen es sehr kleine Zahlen von Studierenden gibt. Hier zeugt dieser Entwurf davon, daß diejenigen, die diesen verfaßt haben, offenbar in Ihrem Ressort keine Ahnung von der Realität haben.

Zu verlangen, daß remunerierte Lehrveranstaltungen beziehungsweise abgegoltene Lehrveranstaltungen von 15 oder zumindest zehn Teilnehmerinnen und Teilnehmern besucht werden müssen, ist schlicht und einfach blanker Unfug! Es gibt Veranstaltungen, die notwendigerweise klein sein müssen, wie etwa im Rahmen der medizinischen Ausbildung; Veranstaltungen, die für fortgeschrittene Studierende mit Übungen direkt am Krankenbett verbunden sind. Wollen Sie, daß eine Kranke/ein Kranker von 20, 30 oder mehr Studierenden hintereinander untersucht wird? – Das ist doch unzumutbar für beide Seiten! Wollen Sie, daß hier wirklich die Qualität absinkt, oder sollten wir nicht froh sein, daß es diese Ausbildung in der Praxis gibt und daß es möglich ist, in kleinen Gruppen zu arbeiten und eine praxisnahe, eine patientInnenorientierte Ausbildung anzubieten?

Ebenso gibt es Studienrichtungen, die gar nicht so viele Studierende umfassen, wie zum Beispiel manche naturwissenschaftliche Fächer, etwa Astronomie. Hier werden Sie niemals auf diesen Zahlen an Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei Veranstaltungen kommen. Wollen Sie diese Fächer mit einem Sparpaket einfach auf kaltem Wege entsorgen, oder was soll ein derartiger Entwurf?! Er geht an der Realität vorbei, und zwar sowohl an der Realität der großen Fakultäten als auch an jener der ganz kleinen Studienrichtungen. Er ist von einem pseudofiskalischen Ziel geprägt und wird letztendlich uns alle teuer zu stehen kommen.

Ein weiterer Punkt, der uns besonders zu denken gibt, ist die latente Frauenfeindlichkeit, die diesem Entwurf innewohnt. Aufgrund der massiven Belastungen für Familien mit studierenden Kindern wird es wohl dazu kommen, daß wieder diese Überlegungen hochkommen, von denen


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