Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 11. Sitzung / Seite 83

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Wenn man in die Regierungserklärung hineinschaut, in diese Aneinanderreihung von Worthülsen, dann wird einem auch klar, was in Wahrheit nicht geglückt ist: Es gibt nach wie vor keine echte Privatisierung, ja nicht einmal Ansätze dazu. Privatisierung heißt ja nicht, daß man weiter das Familiensilber verscheppert. Privatisierung heißt, daß man Aufgaben, die private Institutionen, private Personen bewältigen können, auch von diesen bewältigen läßt und sie nicht vom Staat, den Ländern, den Gemeinden machen läßt.

Wie sieht das in der Praxis aus? – Nur ein Beispiel sei herausgegriffen: Das Land Niederösterreich installiert Verkehrsbetriebe mit Dutzenden neuer Autobusse, die den Transport der Beamten in die neue Hauptstadt St. Pölten, in der sie bald arbeiten werden, bewältigen sollen und auch den Rücktransport in die Heimatorte. Anstatt herzugehen und, wenn es schon die neue Hauptstadt gibt, wenn man schon mit den Beamten dorthin übersiedelt, den ohnehin schwer ringenden privaten Transportunternehmern diese Linien zu überlassen, richtet man sich eigene Verkehrsbetriebe ein. Pröll will sie offenbar so haben wie in Wien und baut damit Defizitbetriebe für die Zukunft aus. Das ist nicht Privatisieren, meine Damen und Herren, sondern das ist ein Schritt zurück! Das geht nach dem alten Motto: Der Österreicher blickt froh und optimistisch in die Vergangenheit. – So geht es auch bei der Privatisierung nach dem Stil der Regierungserklärung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Vorgegangen wird auch – nach dem, was man jetzt vorhat – nach dem Gießkannenprinzip. Noch immer findet man nicht dazu, daß man nur den fördert, der es wirklich notwendig hat – aber diesen ordentlich –, sondern man geht nach dem Motto: Alle Menschen sind gleich! mit der Gießkanne über alle hinweg, sodaß auch der Minister, der Generaldirektor, der Abgeordnete und jeder finanziell ähnlich strukturierte Mensch dieselben "Trinkgeldablösebeträge" an Familienbeihilfe und ähnlichem bekommen wie jener, der sie wirklich bitter braucht, sodaß daher für jene, die das notwendig haben, nichts oder zuwenig übrigbleibt. Wo soll da, meine Damen und Herren, ein Ansatz zum Besseren sein? – Das frage ich Sie!

Aber interessant ist bei solchen Dingen – bei Regierungserklärungen wie dieser – immer weniger, was drinnen steht, als das, was nicht drinnen steht. Da sind wir einmal bei der Justiz. Die Justiz ist in diesem Papier von 47 Seiten eine Aneinanderreihung von leeren Phrasen. Da hat man Justizminister Michalek wirklich nicht gut behandelt bei der Redaktion dieses umfangreichen Konvoluts. Kein Wort steht da drinnen über die notwendigen neuen Wege im Strafrecht, die einzuschlagen sind in bezug auf die längst überfällige Differenzierung in der Behandlung von Straftätern. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Auf der einen Seite gibt es die "Armutschkerln", die vor dem Strafrichter landen, die dann – so wie jeder Unternehmer, der mit 1 Million Schilling an Verbindlichkeiten zugrunde geht – wegen fahrlässiger Krida eine Freiheitsstrafe erhalten, ohne daß irgend jemand wüßte, wofür das gut sein soll, und die schweren Kaliber auf der anderen Seite, denen man rat- und machtlos gegenübersteht und die sich ehebaldigst wieder auf der Straße finden. Der Geschädigte macht seine Anzeige und ist froh, daß er den Betreffenden hinter Schloß und Riegel bringen kann – so glaubt er –, aber am nächsten Tag begegnet er auf der Gasse dem Täter wieder und ist ganz verblüfft und zweifelt am Rechtsstaat. Dagegen gibt es keine Ansatzpunkte in diesem Programm. Ich glaube nicht, daß der Minister dafür maßgeblich ist, man wird ihn wahrscheinlich nicht gefragt haben bei der Redaktion dieses Papiers.

Kein Wort darüber, daß es um die Beschleunigung der Verfahren, vor allem auch in Zivilrechtsfragen geht, daß das aber bei allem Sparen, bei der Notwendigkeit, hauszuhalten, nicht gehen wird, wenn man nicht dafür sorgt, daß es trotz aller verfassungsrechtlicher Grenzen, die da gesetzt sind, nur besetzte Richterplanstellen geben darf und nicht solche, die aus irgendwelchen Gründen auf Wochen, Monate oder Jahre gerade nicht besetzt sind und vielleicht nach der Rechtslage gar nicht besetzt sein können. Da muß man die Rechtslage eben ändern.

Kein Wort steht in diesen 47 Seiten über Mieten und Wohnen. Bitte, wenn Sie verfolgen, was sich auf dem Wohnungsmarkt abspielt, aus der Sicht junger, ein Dach über den Kopf suchender Menschen, und dann erleben Sie ein dickes Papier, aus dem salbungsvoll vorgelesen wird und über das vor allem die Regierung stundenlang diskutiert, in dem aber kein Wort darüber drinnen


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