Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 11. Sitzung / Seite 97

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system, im speziellen für das Sozialversicherungssystem, nachdenken. In Zeiten wie diesen, in denen es nach wie vor Hunderttausende gibt, die trotz Ihrer Reformen im Pensionsversicherungsbereich ohne Eigenpension ihr Alter leben müssen, wäre es notwendig, über eine Pensionsreform zu diskutieren, die tatsächlich allen ein Altern in Würde ermöglicht. (Beifall bei den Grünen.)

In Zeiten wie diesen wäre es auch notwendig, darüber zu reden: Was können wir tatsächlich machen, um die Armutsgefährdung – ganz egal, ob es nur 500 000 Personen sind, wie es die eine Studie besagt, oder ob es doch schon 1,3 Millionen armutsgefährdeter Personen in Österreich gibt – dieser großen und nicht kleinen Gruppen einzudämmen? Was machen wir dagegen? Wird es ausreichen, daß sich der Bund – so wie das ja in der Regierungserklärung demonstriert ist – sukzessive aus der Sozialpolitik zurückzieht und die Verantwortung an die Länder abgibt, die sie dann wiederum an die Gemeinden abgeben, die sie letztendlich dann an die einzelnen, an die Familien abgeben? Wird das ausreichen? Wird das die Perspektive für den sozialen Grundkonsens sein, den Sie erhalten wollen? – Ich sage Ihnen: Nein, das kann es nicht sein! Das wird nicht die Perspektive sein können. Aber das ist das, was wir erkennen können: Die Ausgaben der Länder für die Sozialhilfe sind in den letzten Jahren deswegen so explodiert, weil sich der Bund zurückgezogen hat.

Mit jenen Maßnahmen, die Sie beispielsweise im Bereich der Arbeitslosenversicherung setzen, wird dieser Trend noch weiter anhalten. Sie verlagern Kosten. Sie verlagern Kosten von der Bundesebene auf die Gemeindeebene, und dort, wo die Gemeinden ihre Anforderungen, ihre Verpflichtungen nicht mehr erfüllen können, soll das die Familie übernehmen.

So wie zum Beispiel beim Karenzurlaub. Da kommt Herr Abgeordneter Khol daher und sagt: Na ja, es hat ja früher auch die Oma gegeben. Warum soll nicht die Oma in Zukunft die Kinderbetreuung übernehmen? – Ich meine, die Oma kann sie nicht übernehmen, denn in Zukunft muß die Oma für ihre eigene Pension länger arbeiten.

Das ist Ihre Verantwortung, Ihre Verantwortung in dieser Erklärung, in Ihrem Arbeitsübereinkommen, daß Sie ältere Personen an einem Arbeitsplatz sozusagen festschrauben wollen, für den es aber teilweise keine Perspektive mehr gibt, und daß auf der anderen Seite die Jugend auch Schwierigkeiten hat, Arbeit zu finden.

Ich finde das bisherige Modell von Frühpensionierungen nicht das schlechteste, das gebe ich offen zu. Natürlich muß man darüber diskutieren. (Zwischenbemerkung des Vizekanzlers Dr. Schüssel. ) Ja, Herr Vizekanzler Schüssel, das glauben Sie gern. Das ist schon gut, daß Sie das gerne glauben. Sie haben eine andere Meinung, das weiß ich auch. Nur: Sie müssen mir erklären, woher die Jugend die Arbeit nehmen soll. Woher bekommt sie sie? Die Jugend steht ohne Arbeit da.

Wir wissen jetzt schon – es ist bereits im Detail erkennbar –, daß die Jugendarbeitslosigkeit anzusteigen beginnt. Wir können uns ausrechnen, wenn Ihre Maßnahmen mit dem Bonus-Malus-System greifen – wenn sie greifen sollten; ich halte das ja für falsch, aber Sie versuchen es immerhin –, wenn das also greift mit dem Ende der Frühpensionierungen, dann haben wir ein Problem mit den Jugendlichen auf dem Arbeitsmarkt. – Aber das ist offensichtlich für Sie kein Thema, Herr Vizekanzler Schüssel! Ich meine jedoch, daß Sie sich auch darüber Gedanken machen sollten, wie es weitergehen soll.

Ich glaube aber nicht, daß Sie das tatsächlich getan haben. Man braucht sich ja nur dieses Arbeitsübereinkommen der Bundesregierung anzuschauen, man braucht es ja nur zu vergleichen mit dem vorhergehenden Arbeitsübereinkommen. Was steht da drinnen? Etwas mehr an Forderungen – und etwas weniger verbindender Text. Was vor allem fehlt, sind die Strukturreformen.

Ich bringe Ihnen noch ein Beispiel. Da wird ganz groß vom Kampf gegen Frühpensionierungen als eine der wichtigsten Maßnahmen der Bundesregierung geredet, obwohl überhaupt keine Perspektive damit verbunden ist, aber was nicht drinnen ist, was in allen anderen Koalitions


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