Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 11. Sitzung / Seite 132

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Ich will Sie auch nicht damit konfrontieren, daß Sie den extramuralen Bereich so schwach wie möglich halten und damit ein Einsparungsvolumen in zweistelliger Milliardenhöhe nicht lukrieren.

Und ich will Sie auch nicht damit konfrontieren, daß sich in den Regierungserklärungen des Herrn Bundeskanzlers von 1987 bis 1996 – ich haben sie verglichen – inhaltlich nichts geändert hat.

Wo ich Sie aber als Ärztin nicht aus der Verantwortung entlassen kann, ist die Abschaffung der Geburtenbeihilfe, die an den Mutter-Kind-Paß gebunden ist. Ich möchte keiner Mutter fehlende oder falsche Motivation unterstellen, daß sie nicht das Beste für ihr Kind will, aber in Österreich nehmen nur 5 Prozent der Bevölkerung regelmäßig vorsorgemedizinische Untersuchungsprogramme in Anspruch. Legt man das nun auf die Schwangerschaft, auf die Neugeborenenperiode, auf die Säuglingszeit, auf die frühe Kindheit um, dann kann und muß ich als verantwortungsvoller Politiker mit einem Einbruch in der Vorsorge aufgrund der Streichung der Geburtenbeihilfe rechnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Vor allem aber als Kinderradiologin und als Mutter eines 9jährigen Buben ist es mir ganz wichtig, Ihnen zu sagen, daß nur die Früherkennung von motorischen Störungen durch kontinuierliche ärztliche Überwachung und schnelles Einsetzen von Förderprogrammen Folgeschäden wirklich verhindern können und daß gerade Erkrankungen, die zur Chronizität neigen, einer frühen Diagnosestellung und einer frühen Therapie bedürfen, damit den Eltern und den Kindern viel Leid erspart wird und der Gesellschaft letztendlich enorme Folgekosten.

Ich darf Ihnen ein Beispiel geben: Es ist im Mutter-Kind-Paß im zweiten Lebensjahr des Kindes eine augenärztliche Untersuchung vorgesehen. Das ist die wichtigste augenärztliche Untersuchung im gesamten Leben. – Warum? – Wenn Sie ein Kind haben, das auf einem Auge schwachsichtig ist, und Sie erkennen es nicht früh genug, dann wird dieses Auge nicht gefördert, und Sie verursachen damit schlußendlich die Blindheit Ihres Kindes. – Wollen Sie das? Ich nehme an, nein.

Ich will aber nicht nur Ihre emotionale Seite ansprechen, sondern auch die Kostenseite betrachten. Wenn Sie einen Schilling in die Vorsorge investieren, haben Sie mittelfristig einen Einsparungseffekt bis zu 90 S. Ein Einbruch in der Mutter-Kind-Paß-Untersuchung würde einen erhöhten Pflegeaufwand nach verabsäumter Pflegebehandlung bedeuten, extensive Krankenhausaufenthalte, hohe Kosten durch Nachfolgeoperationen und die sauteure sonderpädagogische Förderung, weil der Mutter-Kind-Paß auch psychosoziale Mißstände aufdecken kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Mit jedem Schilling Wegfall bei der Geburtenbeihilfe haben Sie einen Verlust in den nächsten Jahren, der diesen um ein Vielfaches übersteigt. Unter dem Strich kommt damit eine Welle von Zusatzbelastungen im Gesundheitssektor auf Sie zu.

Es gab bereits eine schuldbewußte Wortmeldung der Familienministerin Moser, die Sie ja schon wegrationalisiert haben. Sie hat nämlich gesagt, schauen wir uns halt einmal an, ob es wirklich und in welchem Maße es zu einem Einbruch bei der Mutter-Kind-Paß-Untersuchung kommt. Sie haben allerdings das Problem nach dem Motto: "Aus den Augen – aus dem Sinn!" bereits auf Ihre Weise gelöst.

Ich sehe diese Politik als konsequente Arbeit gegen die Gesundheit unserer Bevölkerung, und ich appelliere an Sie: Begeben Sie sich auf die Suche nach Ihrem Gewissen als Mensch und Politiker, bevor Sie sämtliche Initiativen zur Korrektur eines Regierungsvorschlages abschmettern! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich bitte Sie inständig: Vergessen Sie nicht, daß Tausende Menschen davon betroffen sind, ob Sie sich von Ihren Sesseln erheben oder nicht. – Danke. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.54


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite